Der Linken-Fraktionschef und die Außenpolitik: Gregor Gysi: Die Nato muss weg
Die größten inhaltlichen Kontroversen zwischen SPD und Grünen auf der einen und der Linken auf der anderen Seite gibt es in außenpolitischen Fragen. Jetzt spitzt Linksfraktionschef Gregor Gysi weiter zu - und fordert die Auflösung der Nato.
Gregor Gysi hält es für ein Versäumnis, dass mit dem Ende des Warschauer Vertrages nicht auch die Nato aufgelöst worden ist. "Das kann man immer noch tun", schreibt der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, in seinem neuen Buch "Wie weiter? Nachdenken über Deutschland", das am kommenden Montag erscheint (Verlag Das Neue Berlin, 192 Seiten, 12,99 Euro). Der derzeit wichtigste Politiker der Linken attackiert das Militärbündnis scharf. "Mich stört am meisten an der Nato, dass sie Kriege wie selbstverständlich führt. Krieg ist wieder ein Mittel der Politik geworden."
Alle Bundestagsparteien außer der Linken hätten das Nato-Bündnis zur Staatsräson erhoben und Kritik an ihm für tabu erklär, so Gysi weiter. In der politischen Praxis würden sie damit die Nato über die Vereinten Nationen setzen. Riskante Operationen würden von SPD und Grünen mitgetragen.
An die Stelle der Nato sollte aus Sicht von Gysi ein Bündnis für Sicherheit und Zusammenarbeit treten. Dessen Aufgabe wäre nicht, militärisch in fremden Staaten zu intervenieren, wie das Gysi der Nato regelmäßig unterstellt, "sondern konfliktvorbeugend und -vermeidend aktiv zu werden". Dies sei ein völlig anderes Herangehen. Militärische Interventionen heute - "egal, welche propagandistischen Begründungen auch geliefert werden" - würden zur Sicherung ökonomischer Interessen erfolgen. "Das ist für mich ein entscheidender Grund, die Auflösung der Nato zu fordern. Sie ist nicht reformierbar", erklärt Gysi. In ein neues Bündnis, das anders als die Nato Konflikte verhindern solle, "gehört natürlich auch Russland", fordert der Linken-Politiker weiter.
Moskau kommt, wie Gysi in seinem neuen Buch weiter schreibt, auch eine wichtige Rolle bei der Lösung des Syrien-Konflikts zu. "Sicherheit in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben", meint Gysi. "Die schlimmste Katastrophe hätten wir, wenn der Nato-Bündnisfall einträte und die Bundeswehr in Syrien, also im Nahen Osten, Krieg führte." Dies nicht etwa auf Beschluss der UN, nicht etwa um die Einhaltung eines Waffenstillstandes zu kontrollieren, sondern auf Wunsch der Türkei im Rahmen des Nato-Bündnisses. "Bereits mit dem Abschuss einer einzigen Rakete würden wir zur Kriegspartei werden, erst Recht im Bündnisfall. Das darf Deutschland mit seiner Vergangenheit niemals werden."
Mit Blick auf Syrien schreibt Gysi weiter: "Wir können dort eine Rolle als Vermittler spielen, aber um Gottes willen nicht als Kriegspartei. Die Folgen wären verheerend." Er verwies dabei darauf hin, dass sich die Türkei immer deutlicher gegen Israel stelle, die Bundesregierung jedoch stehe auf der Seite Israels. "Die Türkei unterstützt die Hamas. Die Bundesregierung redet nicht einmal mit der Hamas. Sie selbst begibt sich damit also auch noch in unlösbare Widersprüche."
Matthias Meisner