Wegen Plagiaten in der Doktorarbeit: Giffey tritt als Familienministerin zurück – Lambrecht soll übernehmen
Nach der Diskussion um ihren Doktortitel hat Franziska Giffey ihren Rücktritt eingereicht. Kanzlerin Merkel hat dazu ihr Bedauern geäußert.
In der Affäre um ihren Doktortitel hat Familienministerin Franziska Giffey (SPD) ihren Rücktritt eingereicht. Sie habe Bundeskanzlerin Angela Merkel um ihre Entlassung gebeten, teilte Giffey am Mittwoch mit. Hintergrund sei die Diskussion um ihren Doktortitel.
In einer Presserklärung teilte die SPD-Politikerin mit: „In den letzten Tagen sind erneut Diskussionen um meine Dissertation aus dem Jahr 2010 aufgekommen. Nachdem die Freie Universität Berlin bereits im Jahr 2019 eine zweite Überprüfung der Arbeit vorgenommen und eine Entscheidung auf Nichtaberkennung des Titels getroffen hat, wurde das Verfahren im Jahr 2020 erneut aufgerollt. Dies geschah über ein Jahr nach dem abschließenden und rechtskräftigen Verwaltungsakt aus dem Jahr 2019. Ich habe daraufhin erklärt, meinen Titel nicht mehr zu führen, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.“
Die FU kam offenbar zu dem Schluss, dass Franziska Giffey der Doktortitel aberkannt werden muss. Bis Anfang Juni hat die Ministerin Zeit für eine Stellungnahme, „die ich wahrnehmen werde.“ Danach soll das noch laufende Verfahren abgeschlossen werden.
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Die FU bestätigte am Mittwoch auf Anfrage, dass die Stellungnahme Giffeys zu den Plagiatsvorwürfen noch nicht an der Universität eingegangen sei. „Das Prüfverfahren der Dissertation von Franziska Giffey ist nicht abgeschlossen“, teilt die FU mit. Erst wenn die Stellungnahme eingetroffen sei, treffe das Präsidium eine Entscheidung, ob der Doktortitel wirklich aberkannt wird.
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Giffey, die sich auch als Spitzenkandidatin der Berliner SPD für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin bewirbt, teilte zudem mit: „Ich bedauere, wenn mir dabei Fehler unterlaufen sind. Sollte die Freie Universität in ihrer nunmehr dritten Überprüfung meiner Arbeit zu dem Ergebnis kommen, mir den Titel abzuerkennen, werde ich diese Entscheidung akzeptieren.“
Und: „Was meine Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahlen in Berlin betrifft, habe ich immer klar gesagt: Die Berliner SPD und die Berlinerinnen und Berliner können sich auf mich verlassen. Dazu stehe ich. Mein Wort gilt. Als Berlinerin konzentriere ich mich jetzt mit all meiner Kraft auf meine Herzenssache: Ganz sicher Berlin.“
Lambrecht soll das Amt zusätzlich übernehmen
Franziska Giffey ist trotz ihrer Ankündigung aktuell noch im Amt, da es laut ihrer Sprecherin noch keinen Termin gibt, wann der Bundespräsident ihr die Entlassungsurkunde aushändigen wird. "Sie arbeitet weiter", sagte diese in der Bundespressekonferenz am Mittwoch. Die SPD dementierte zugleich das Gerücht, dass Saskia Esken erwogen habe, Nachfolgerin zu werden. Vizekanzler Olaf Scholz soll den Rücktritt eigentlich nicht für nötig erachtet haben.
Die SPD will den Posten bis zur Bundestagswahl nicht nachbesetzen. Justizministerin Christine Lambrecht (ebenfalls SPD) soll Giffeys Amt zusätzlich übernehmen. Das teilten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Mittwoch in Berlin mit.
„Wir sind sehr stolz, dass wir mit Christine Lambrecht eine so kompetente und erfahrene Nachfolgerin für Franziska Giffey in unseren Reihen haben“, so die beiden SPD-Vorsitzenden. Damit greift nicht die eigentlich vorgesehene Vertretungsregelung der Bundesregierung. Demnach hätte Bildungsministerin Anja Karliczek von der CDU das Familienministerium in den kommenden Monaten geführt.
Merkel bedauert Rücktritt Giffeys
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Rücktritt von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bedauert. Sie nehme Giffeys Rücktritt "mit großem Respekt, aber auch mit ebenso großem Bedauern entgegen", sagte Merkel am Mittwoch in ihrer Rede auf dem Forschungsgipfel 2021. Sie habe immer "sehr gut und vertrauensvoll" mit der Ministerin zusammengearbeitet, wofür sie ihr "von Herzen" danke, sagte die Kanzlerin.
Vizekanzler Olaf Scholz hat die Rücktrittsentscheidung von Giffey (beide SPD) mit Dank und Anerkennung für ihre politischen Leistungen aufgenommen. „Ich bedauere diese Entscheidung sehr, aber sie zeigt auch: Franziska Giffey ist nicht nur eine sehr erfolgreiche Politikerin, die viel erreicht hat für die Kinder und Familien in diesem Land. Sie ist auch eine durchsetzungsstarke Politikerin mit Herz und eine mit Rückgrat“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Mittwoch im Bundestag. Die Klarheit, die Giffey nun an den Tag lege, sei bemerkenswert.
Berliner SPD steht hinter Giffey
Giffey hatte angesichts anhaltender Diskussionen um ihre Doktorarbeit um ihre Entlassung aus dem Bundeskabinett gebeten. Sie habe als Familienministerin großes Engagement an den Tag gelegt und könne auf eine „riesige Erfolgsbilanz“ zurückblicken, sagte Scholz. Er verwies auf das Corona-Aufholpaket als eine der politischen Leistungen Giffeys, mit der sie dafür gesorgt habe, jungen Menschen eine Perspektive zu geben.
Nach dem Rücktritt stellten sich Spitzengenossen in der Berliner SPD hinter die Spitzenkandidatin. Ihr Co-Landesvorsitzender Raed Saleh sagte dem Tagesspiegel: „Nach überaus erfolgreichen drei Jahren als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat Franziska Giffey gezeigt, wie man Wort hält und damit höchste Ansprüche an politische Integrität definiert. So kennt Berlin Franziska Giffey – regierungserfahren und erfolgreich sowie verbindlich und konsequent.“
Giffey konzentriere sich nun voll auf Berlin, sagte er. Innensenator Andreas Geisel, der als einziger SPD-Senator nach der Wahl weitermachen will, sagte dem Tagesspiegel: „Das ist Franziska Giffey, wie wir sie kennen. Sie steht fest zu ihrem Wort und bleibt sich treu. Sie verkörpert Aufbruchstimmung, die Menschen mögen ihre herzliche und offene Art.“ Giffey könne anpacken, stehe für ein soziales, modernes und offenes Berlin. „Jetzt erst recht“, sagte Geisel.
Auch in den sozialen Medien gab es von Parteifreunden fast ausschließlich Lob für die Konsequenz nach dem quälend langen Verfahren. Besonders im linken Parteiflügel, der Giffey traditionell distanziert gegenübersteht, waren aber auch kritische Stimmen zu hören. Man habe sich mehr Selbstkritik und eine Analyse der eigenen Fehler gewünscht.
Von einem „schweren Schlag im Wahlkampf“ redeten einige. Konsequenzen sind allerdings unwahrscheinlich: In der Berliner SPD fehlen die personellen Alternativen, der Wahlkampf ist komplett auf Giffey zugeschnitten, sie ist äußerst beliebt bei den Wählern und eine mögliche Entscheidung zur Aberkennung des Titels war schon ihrer Kandidatur mit eingepreist. „Wir müssen da jetzt durch und uns aufs Politik machen konzentrieren,“ sagte ein einflussreicher SPDler dem Tagesspiegel. (dpa)
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