Neuer Konflikt zwischen CDU und CSU: Geschockter Horst Seehofer fordert "klaren Mitte-rechts Kurs"
Die Stimmung in der CSU ist angespannt, die Forderung nach der Obergrenze wieder da. Doch weder Grüne noch FDP würden diese wohl akzeptieren.
Horst Seehofer mühte sich über Wochen, die während der Flüchtlingskrise entstandenen Risse im Verhältnis zu CDU-Chefin Angela Merkel zu kaschieren. Am Tag nach der Bundestagswahl aber bricht der Kitt wieder auf. Er könne ja nicht für andere sprechen, sagt Seehofer zu Merkels Anmerkung, trotz der erheblichen Stimmenverluste "nicht enttäuscht" gewesen zu sein. Für ihn sei das Wahlergebnis jedenfalls eine "herbe Enttäuschung".
In München ist die Irritation groß, wie die CDU und ihre Parteichefin das Wahlergebnis scheinbar als Betriebsunfall abtun und schnell wieder zur Tagesordnung zurückkehren wollen. "Auch die CDU sollte die Ergebnisse sehen", sagt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Es gebe "genug Ausrufezeichen".
Im Konferenzsaal der Parteizentrale redet der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber minutenlang auf Seehofer ein. Die Stimmung ist angespannt. Schnell geben Teilnehmer der hinter verschlossenen Türen tagenden Runde die Information heraus, dass Seehofer die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU zur Debatte stelle.
Diese Debatte dauert - zum Bruch mit der CDU kommt es aber nicht. Am Ende stimmt der Vorstand auf Anraten Seehofers einstimmig dafür, wieder mit der Schwesterpartei eine Bundestagsfraktion zu bilden. Also ein Sturm im Wasserglas? Oder womöglich ein Vorgeschmack, dass sich die CSU künftig in Berlin mit Drohungen und Sticheleien behaupten will?
Seehofer will nun an den Grundsätzen arbeiten. Bevor die CSU sich mit Grünen, FDP oder womöglich doch der SPD zu Sondierungen treffen will, müssen sich CDU und CSU auf einen gemeinsamen Kurs festlegen, fordert der CSU-Vorstand einstimmig. Gemeint sind also quasi interne Sondierungen, bevor es nach außen geht.
Seehofer bekräftigt, dass nun die rechte Flanke geschlossen werden müsse. "Uns geht es vor allem um einen klaren Kurs Mitte-rechts für die Zukunft." Sein am Einzug in den Bundestag gescheiterter und damit vor einer ungewissen Zukunft stehender Spitzenkandidat Joachim Herrmann bestreitet allerdings, dass dies einen Rechtsruck bedeute.
Ein Punkt soll jetzt zum CSU-Profilierungsthema werden - die Obergrenze für Flüchtlinge. Der Landeschef der Jungen Union, Hans Reichhart, sagt: "Ohne eine Obergrenze, die auch Obergrenze heißt, brauchen wir nicht aus Berlin zurückzukehren." CSU-Vize Manfred Weber fordert, nun müsse die CSU "den Kampfanzug anziehen".
Grüne und FDP haben eine Obergrenze ausgeschlossen
Ob dies bei möglichen Koalitionsverhandlungen hilft, ist ungewiss. Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sagte bereits, mit den Grünen werde es keine Obergrenze geben. FDP-Chef Christian Lindner hatte schon kurz vor der Wahl die Obergrenze ausgeschlossen.
Besonders mit einem möglichen grünen Koalitionspartner hadern viele CSUler. Der bisherige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt sagt, für die Landwirtschaftspolitik "fehlt mir die Phantasie", wie es mit den Grünen zu einem Koalitionsvertrag kommen solle.
Der einzige, dem sie in der CSU im Moment zutrauen, in Berlin angesichts dieser Lage ein achtbares Ergebnis auszuhandeln, ist der erfahrene Verhandler Seehofer. Deshalb gibt es zunächst auch keine Personaldebatte.
Am Dienstag will Seehofer nach Berlin reisen, dort soll dann auch sein politischer Zögling Alexander Dobrindt zum Landesgruppenchef gewählt werden. Am Mittwoch könnte es vor der Landtagsfraktion dann wieder ungemütlich werden. Seit Sonntag bangen viele der Abgeordneten mit Blick auf die Landtagswahl in einem Jahr um ihre Mandate.
Von Seehofer fordern sie nun Erklärungen, wie es weiter gehen soll. Eine Personaldebatte will vorerst niemand führen - auch Markus Söder nicht, der als möglicher Kronprinz auf einmal wieder im Blickpunkt steht. Söder sagt, die CSU stehe vor einer "epochalen Herausforderung". Er verzichtet aber darauf, Seehofer zu attackieren.
Ralf Isermann, AFP