Bundespräsidentenwahl in Österreich: Gehässigkeiten von links und rechts
Mit Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer stehen in Österreich Exponenten des linken und rechten Randes zur Wahl als Bundespräsident. Entsprechend zugespitzt war der Wahlkampf.
Der dritte Anlauf zur Stichwahl des österreichischen Bundespräsidenten beendet einen einmalig langen Wahlkampf. Nach elf Monaten sind Kandidaten, Parteien und Wähler müde und gereizt. Und das, obwohl diese Stichwahl den Anstoß zu einer neuen Richtung der Politik geben könnte: weg von der streitgelähmten und lähmenden großen Koalition aus sozialdemokratischer SPÖ und Österreichischer Volkspartei ÖVP.
Erstmals kommt kein Kandidat für das Staatsoberhaupt aus diesen Mitte-Parteien, die das Land seit sieben Jahrzehnten fast durchgehend dominieren. In dieser einzigen Persönlichkeitswahl auf Bundesebene stehen Exponenten des linken und rechten Rands zur Wahl. Entsprechend zugespitzt, ja gehässig war der Wahlkampf, präsidial war dabei zuletzt gar nichts mehr, auch keiner der Kandidaten.
Alexander Van der Bellen gewann im Mai knapp die Stichwahl, die vom Verfassungsgericht wegen formaler Unkorrektheiten bei der Auszählung annulliert wurde. Als jahrzehntelanger Chef und Obmann der Grünen ist der 72-Jährige die am längsten dienende Galionsfigur jener Parlamentspartei, die wie keine andere die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung von links verändern will. Der ehemalige Volkswirtschaftsprofessor trat zwar als formal Unabhängiger an, doch die Grünen mobilisierten ihren Apparat für ihn wie nie zuvor.
„VdB“ ironisiert seine stramm linke Vergangenheit und gibt sich als zum „toleranten Liberalen“ Gereifter. Mit Blick auf die Wähler vom Land pilgerte der Atheist im Trachtenjanker in den Gnadenort hartgesottener Katholiken Maria Taferl – samt Kameras im Schlepptau. Auf Wahlplakaten posiert die Ikone der Alternativen im Karohemd mit Hund vor Bergpanorama. Was FPÖ-Teile prompt mit fast identischen Fotos von Adolf Hitler am Obersalzberg quittierten – als Revanche für den von Van der Bellens Leuten geschürten Nazi-Vorwurf an ihren Kandidaten Norbert Hofer.
Van der Bellen hat auch Bürgerliche für sich eingenommen
Mit den Toleranz-Posen hat Van der Bellen neben dem gesamten linksgrünen Lager nicht nur das linksliberale Spektrum für sich eingenommen, sondern auch Bürgerliche – sogar jene, die für die Krise der ÖVP verantwortlich sind. Vieles spricht allerdings dafür, dass an der fast eisern schweigenden ÖVP-Basis die Sympathien für VdBs Gegenkandidaten überwiegen. Wie in den einst SPÖ-dominierten Arbeiterbezirken Wiens.
Denn auch Hofer versuchte, sein schon zuvor wenig kantiges FPÖ-Profil noch einmal weichzuspülen. Der Hauptautor des FPÖ-Programms nahm seine Drohung zurück, „als Bundespräsident die Regierung zu entlassen, so sie nochmals eine unkontrollierte Flüchtlings- und Migrantenlawine ins Land lässt“. Der 45-Jährige sagt jetzt: „Merkel hat der EU geschadet.“ Seinen von den Gegnern meistzitierten Satz aus dem ersten Stichwahl-TV-Duell – „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“ – will er jetzt als Toleranzangebot und nicht mehr als Drohung verstanden wissen, bisher stets ungenutzte Kompetenzen des Staatsoberhaupts zugunsten einer FPÖ-Machtübernahme erstmals anzuwenden.
Den FPÖ-Antrag vom Januar im Nationalrat auf Abhaltung einer Volksabstimmung über den EU-Austritt Österreichs redete Hofer damit klein, dass er dies nur zuließe, wenn die Türkei in die EU käme oder deren Einstimmigkeit abgeschafft würde. Reisen des gelernten Flugzeugtechnikers zu östlichen Nachbar-Staatschefs sollten die Behauptung der Gegner widerlegen, ein Bundespräsident Hofer würde international boykottiert.
Hofer bestritt, die Partei vor das Amt stellen zu wollen
Da das österreichische Staatsoberhaupt, anders als das deutsche, zum Bundeskanzler bestellen kann, wen es will, so der nur bald im Parlament eine Mehrheit findet, drehte sich der Wahlkampf intensiv um dieses Machtinstrument. Hofer bestritt, die Partei vor das Amt stellen zu wollen und gab sich gemäßigt. Van der Bellen blieb sich hingegen treu: Er will FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auch dann nicht zum Kanzler ernennen, wenn der 47-Jährige aus der nächsten Wahl, so wie es alle Umfragen vorhersagen, als Sieger hervorgeht.
Mit Strache drohe der Austritt Österreichs aus der EU, lautet die Begründung des langjährigen Grünen-Chefs, dessen Partei bei der Volksabstimmung 1986 verbissener den EU-Beitritt bekämpfte als die damalige Jörg-Haider-FPÖ. Van der Bellen ließ sich auch als Bastion gegen ein neuerliches Nazi- Image Österreichs feiern, das drohe, wenn Hofer gewänne. Die Führung der FPÖ als Nazis zu bezeichnen, ist allerdings so wenig hilfreich wie mit einer erfolgreichen Abstimmung über den Austritt Österreichs aus der EU zu argumentieren: Eine glasklare Mehrheit ist dagegen.
Ohnehin ist die Strategie, die Isolierung Österreichs im Falle eines Hofer-Siegs herbeizureden, spätestens seit zehn Tagen obsolet: Da hat Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern, 50, in einer Diskussion mit FPÖ-Chef Strache diesen und seine Partei generalamnestiert. Er bescheinigte ihm „eine gute Kinderstube“ und „auch nur das Beste für Österreich zu wollen“. Klartext sprachen andere SPÖ-Granden, darunter der Ex-Bundespräsident Heinz Fischer: Die SPÖ müsse sich alle Koalitionsoptionen offenhalten. Das zeigt, dass die SPÖ gerade das Dogma der Isolierung der FPÖ als vermeintlicher Nazi-Partei aufgibt.
Dennoch ist der Wahlausgang völlig offen: Mit den nur 0,7 Prozent Vorsprung Van der Bellens in der ersten Stichwahl sind seriöse Prognosen unmöglich. Dazu tragen noch zwei neue Elemente bei: Die heftige Diskussion über die Absenkung der Mindestsicherung (Hartz IV) für die europaweit zweithöchste Migrantenzahl spaltet die Koalition.
Dass die SPÖ gegen die Absenkung mauert, könnte die Arbeiterschicht zu Hofer treiben. Wie zuvor in Großbritannien oder den USA wird die Wahl in Österreich zudem schon jetzt hauptsächlich als Abstimmung der Basis über „die Eliten“ gedeutet. Fest steht indes: Norbert Hofer hätte auch mit einem Sieg nicht einmal annähernd das Potenzial zur Veränderung der EU und des Euro, wie es der Nachbar Italien hat – egal wie dessen heutige Abstimmung ausgeht.
Reinhard Frauscher
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