Schweden: Gefährliche Konzentration auf die Mitte
In Schweden darf Premier Reinfeldt am Sonntag doch noch hoffen, an der Macht zu bleiben Ein Wahlsieger scheint schon festzustehen: Die rechten Schwedendemokraten unter Parteichef Åkesson.
Es wird spannend bei den schwedischen Parlamentswahlen an diesem Sonntag. Der vermeintlich sichere Vorsprung der rot-grünen Opposition von mehr als zehn Prozent ist einigen Umfragen zufolge um mehr als die Hälfte geschrumpft. „Ihr könnt mich nicht stoppen!“, verkündet der konservative Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt beflügelt, aber auch sein sozialdemokratischer Herausforderer Stefan Löfven sieht „den Sieg in Reichweite“.
Zwei Blöcke stehen gegeneinander. Auf der einen Seite Reinfeldts bürgerlich-liberale Koalition aus vier Parteien, die das mit 9,7 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste nordische Land seit acht Jahren regiert. Auf der anderen Seite Löfvens Sozialdemokraten, die Grünen und die Linkspartei. Der 57-jährige ehemalige Gewerkschaftsboss hat sich bislang jedoch strikt geweigert, eine deutliche Koalitionsaussage zu machen. Das ist sein wunder Punkt in diesem Wahlkampf, in dem es ansonsten in erster Linie um Arbeitsplätze und Schule geht. Mit Löfven wähle man die Katze im Sack, so die Regierungskoalition. Insgesamt 7,3 wahlberechtigte Schweden sind am Sonntag aufgerufen, über die politische Zukunft ihres Landes abzustimmen.
Inhaltlich haben sich Reinfeldts Konservative und Löfvens Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren angenähert. Die Konservativen setzen plötzlich auf staatliche Infrastrukturprogramme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die bei 7,9 Prozent liegt. Die Sozialdemokraten wiederum akzeptieren stillschweigend die radikale Steuersenkungspolitik der Regierung. Die Konzentration in der Mitte, so der Politologe Stig-Björn Ljunggren, schaffe Platz für Extreme.
Links macht sich die Feministische Initiative der charismatischen Gudrun Schyman Hoffnung auf den erstmaligen Einzug in den schwedischen „Riksdag“. Auf der Rechtsaußenposition sind die ausländerfeindlichen Schwedendemokraten, die vor vier Jahren erstmals den Sprung ins Parlament schafften, dabei, ihren Stimmenanteil auf mehr als zehn Prozent zu verdoppeln. Das ist ein Schock für die meisten Schweden, die stolz auf die großzügige Migrationspolitik ihres Landes sind, das zum Beispiel allen Flüchtlingen aus Syrien automatisch eine Daueraufenthaltsgenehmigung erteilt.
Wenn Jimmie Åkesson, der 35-jährige Parteichef der Schwedendemokraten, auf seiner Wahlkampftournee die Botschaft von „Wohlfahrt, nicht Masseneinwanderung“ verkündet, dann läuten in vielen Gemeinden die Kirchenglocken aus Protest. Demonstranten wenden Åkesson schweigend den Rücken. Auch im Parlament werden die Schwedendemokraten konsequent isoliert.
Dennoch, sagt der Politologe Ljunggren, sei es Åkesson gelungen, das alte Rassistenimage der Partei aufzuhübschen. Hinter der sauberen Fassade der Partei versteckten sich jedoch viele „Privatrassisten“.
Der Erfolg der Schwedendemokraten, die für die Bewahrung „der einzigartigen schwedischen Kultur und Identität“ eintreten, zwingt die anderen Parteien zum Umdenken. Allzu lange, schreibt Schwedens größte Tageszeitung „Dagens Nyheter“, hätten sie die Herausforderungen, die die stark wachsende Zahl der Asylsuchenden mit sich bringe, ignoriert. Umso wichtiger sei es jetzt, ein konsequente Integrationspolitik zu entwickeln.
Karin Bock-Häggmark