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Der stellvertretende AfD-Parteivorsitzende Alexander Gauland.
© dpa
Update

Zuwanderung: Gauland: CSU-Forderungen nutzen der AfD

In einem Papier für ihre Vorstandsklausur bündelt die CSU Forderungen für eine verschärfte Flüchtlingspolitik. Die SPD wirft dem Koalitionspartner vor, die Gesellschaft zu spalten.

Alexander Gauland hat Forderungen der CSU nach mehr Härte bei der Zuwanderung scharf kritisiert. "Die Forderungen der CSU sind nichts anderes als Show, um in Bayern zu punkten", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende der AfD dem Tagesspiegel. "Das ist immer dasselbe und es geht einem auf die Nerven. Wenn die CSU es ernst meinen würde, müsste sie schon längst die Koalition verlassen haben", so Gauland weiter, der von1973 bis 2013 Mitglied der CDU war. "Es stehen durchaus gescheite Sachen drin in dem Papier. Dass die CSU nichts tut, um diese umzusetzen, nutzt am Ende aber der AfD. Würde sie das tun, wäre es schwieriger für uns."

Zuvor war eine Beschlussvorlage für die Klausur des CSU-Vorstands bekannt geworden, in der die Partei in deutlichen Worten eine teils drastische Verschärfung der Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik fordert. Das Papier für die Sitzung an diesem Freitag und Samstag enthält einen ganzen Katalog teils neuer, teils schon bekannter Forderungen: nach einer gesetzlich festgelegten Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr, nach Transitzonen an der Grenze und der konsequenten Zurückweisung von Ausländern ohne Bleiberecht, nach einer Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, einem Burka-Verbot und nach einem „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“.

Das Papier führte umgehend zu neuem Streit in der Großen Koalition. Führende SPD-Politiker warfen der CSU vor, die Gesellschaft zu spalten. "Da wird voll auf Abgrenzung, auf Ausgrenzung gesetzt", kritisierte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Donnerstag am Rande eines Treffens mit rund 150 türkischstämmigen SPD-Mandatsträgern in Berlin. Notwendig sei aber nicht Spaltung, sondern "Wege zu suchen, wie wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken".

Die restriktive Haltung der bayerischen Konservativen schade nicht nur den Bemühungen um eine Integration von Flüchtlingen mit Bleiberecht, sondern sende auch "ein aggressives Signal" gegen Einwanderer, die schon lange in Deutschland leben, sagte Oppermann weiter. In einem Punkt klang der Sozialdemokrat ähnlich wie Gauland: Er warnte davor, "die Parolen der AfD zu übernehmen", denn "damit machen wir diese Partei noch stärker".

SPD will doppelte Staatsbürgerschaft lieber ausweiten

SPD-Chef Sigmar Gabriel wandte sich gegen die CSU-Forderung nach einem Verbot doppelter Staatsbürgerschaften. "Zu den Bürgern dieses Landes gehören die, die den deutschen Pass haben, die den türkischen oder einen anderen Pass haben oder die zwei Pässe haben", stellte er klar. Aus Sicht der SPD solle vielmehr überlegt werden, neben den in Deutschland geborenen Ausländern "auch der Elterngeneration, die unser Land mit aufgebaut hat" die doppelte Staatsangehörigkeit anzubieten.

Auch das CSU-Plädoyer für eine Obergrenze für den Zuzug von Flüchtlingen wies Gabriel zurück. "Das Maß, wieviel Menschen wir auf Dauer in Deutschland aufnehmen können, entwickelt sich entlang funktionierender Integrationsstrukturen", sagte er. Je mehr dafür etwa bei Bildung oder Arbeitsmarkt getan werde, "desto mehr Menschen können wir aufnehmen". Gabriel stellte klar: "Es gibt keine definierbare, feste Obergrenze."

Linkspartei: CSU sitzt als AfD-Kopie mit am Kabinettstisch

Die CSU-Forderungen stießen auch bei der Linkspartei und den Grünen auf Ablehnung. "Dass Angela Merkel und die SPD tolerieren, dass die AfD inhaltlich schon am Kabinettstisch sitzt, ist verantwortungslos", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Jan Korte, am Donnerstag. "Das Papier der CSU zur Zuwanderungsverhinderung ist verantwortungslos, rückwärtsgewandt und strotzt vor Doppelmoral." Korte nannte das Papier in Teilen "rassistisch".

Der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, warf der CSU "Marktschreierei" vor. Die kleinste Partei im Bundestag gefährde die Vielfalt der deutschen Gesellschaft "ohne auch nur einen Deut zur Lösung der bestehenden Probleme beizutragen". Er warf der CSU vor, dass Forderungen etwa nach Obergrenzen weder mit dem Grundrecht auf Asyl noch der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar seien.

„Das Gegenteil von Multikulti“

„In Zukunft muss gelten: Vorrang für Zuwanderer aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis“, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Ein solches Gesetz ist eine klare Absage an die illegale Migration. Ein Staat muss selber entscheiden, wen er aufnimmt - nicht die Migranten entscheiden das.“

CSU-Chef Horst Seehofer verlangt einen Kurswechsel von Bundeskanzlerin Merkel
CSU-Chef Horst Seehofer verlangt einen Kurswechsel von Bundeskanzlerin Merkel
© dpa/Angelika Warmuth

„Deutschland muss Deutschland bleiben“, fordert die CSU in dem Papier und betont: „Wir sind dagegen, dass sich unser weltoffenes Land durch Zuwanderung oder Flüchtlingsströme verändert. Nicht wir haben uns nach den Zuwanderern zu richten, sondern umgekehrt.“ Die Partei bekräftigt deshalb ihren Willen zu einer Verankerung der „Leitkultur“ („das Gegenteil von Multikulti“) in der bayerischen Verfassung.

CSU will keine "Multikulti-Sonderformate"

Das Tragen von Burka und Nikab will die CSU „in der Öffentlichkeit, wo immer dies rechtlich möglich ist, verbieten“. Die Burka sei „eine Uniform des Islamismus“. „Wer auf Burka und Nikab nicht verzichten möchte, sollte sich ein anderes Land aussuchen“, heißt es der Vorlage, aus der auch der „Spiegel“ zitierte und die auf der Klausur in der Oberpfalz beschlossen werden soll. Zudem fordert die CSU: „Keine Multikulti-Sonderformate in der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie gesonderte Badezeiten für Muslime.“ Und weiter: „Das Kopftuch wird weder im öffentlichen Dienst noch in der Justiz akzeptiert.“

Grundsätzlich stellt die CSU diese Eckpfeiler auf: „Humanität für wirklich Schutzbedürftige, Ordnung und klare Regeln bei der Integration und dem Zusammenleben, Begrenzung der Zuwanderung für ein Gelingen der Integration.“ Und weiter heißt es: „Die CSU hatte als einzige Partei von Beginn an einen klaren und unverrückbaren Kurs in der Zuwanderungsfrage. Andere wurden von der Realität eingeholt.“

Neben einer „wirkungsvollen Fluchtursachenbekämpfung“ fordert die CSU, Flüchtlinge schnellstmöglich wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. „Nach Wegfall des Fluchtgrundes muss konsequent in die jeweiligen Heimatländer zurückgeführt werden“, heißt es in dem Papier. Die Menschen würden dort zum Wiederaufbau gebraucht. „Es wäre unmoralisch, diesen Ländern Arbeitskräfte vorzuenthalten.“

Am Flüchtlingsabkommen zwischen Europäischer Union und Türkei will die CSU festhalten, „da es neben der Schließung der Balkan-Route zur Verringerung des Zustroms nach Europa und Deutschland beigetragen hat“. Eine Visa-Liberalisierung für die Türkei lehnt die CSU aber ab. (mit dpa, rtr, AFP)

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