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Vorwurf des Völkermords an den Rohingya: Regierungschefin Aung San Suu Kyi hört die Klage gegen ihr Land.
© AFP/ANP/Koen Van Weel

Internationaler Gerichtshof in Den Haag: Gambia bezichtigt Myanmar des Völkermords an den Rohingya

Myanmar steht wegen der Gewalt gegen die muslimischen Rohingya vor dem höchsten UN-Gericht. Regierungschefin Aung San Suu Kyi selbst will ihr Land verteidigen.

Im Beisein der Friedensnobelpreisträgerin und Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat vor dem Internationalen Gerichtshof ein Völkermord-Verfahren gegen ihr Land Myanmar begonnen. Gambia beschuldigte Myanmar am Dienstag des Völkermordes an der muslimischen Minderheit der Rohingya und forderte Sofortmaßnahmen gegen das Land.

Äußerlich unbewegt verfolgte die Regierungschefin in der ersten Reihe des Gerichts im Den Haager Friedenspalast die Anschuldigungen. San Suu Kyi soll sich am Mittwoch zu den Vorwürfen äußern und ihr Land verteidigen.

Der Justizminister und Generalstaatsanwalt Gambias, Abubacarr Marie Tambadou, beklagte vor den höchsten Richtern der Vereinten Nationen das Scheitern der internationalen Gemeinschaft. „75 Jahre nach dem Versprechen „Nie Wieder“ entfaltet sich vor unseren Augen erneut ein Völkermord.“ Er forderte Myanmar auf, die systematische Verfolgung der Volksgruppe zu stoppen.

Gambia stützt sich auf Berichte von UN-Ermittlern, die dem Militär in Myanmar einen „anhaltenden Völkermord“ vorwerfen. Seit Oktober 2016 hätten Soldaten Tausende Menschen ermordet, Frauen und Kinder vergewaltigt, Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und Menschen lebendig in ihren Häusern verbrannt.

Hunderttausende Rohingya suchten Zuflucht in Bangladesch

Vor gut zwei Jahren waren mehr als 700.000 Menschen innerhalb kurzer Zeit wegen der Militärgewalt in das Nachbarland Bangladesch geflohen. Das Militär und die Regierung in Myanmar weisen die Vorwürfe zurück und begründen die Gewalt mit Aktionen gegen Terroristen.

Aung San Suu Kyi äußerte sich in Den Haag noch nicht zu den Vorwürfen. Vor dem Friedenspalast hatten sich ein paar Dutzend Demonstranten versammelt, die Gerechtigkeit für die Rohingya forderten. Auf einem Transparent stand „Stoppt den Genozid“.

Das kleine westafrikanische und überwiegend muslimische Land Gambia beruft sich bei der Klage auf die Genozid-Konvention von 1948. „Als Vertragsstaat sind wir verpflichtet, alles zu tun, um Völkermorde zu verhindern, sagte der Justizminister. „Bisher hat die Welt nichts getan, um diesen Völkermord zu stoppen.“ Gambia wird bei der Klage von der Organisation für Islamische Zusammenarbeit unterstützt, die 57 Mitgliedstaaten hat.

Die Juristen legten den 17 Richtern Berichte und Aussagen von Augenzeugen vor, die „systematische Säuberungsaktionen der Armee“ belegen sollen. Das Gericht müsse schnell eingreifen, denn die „Hasskampagne und systematische Verfolgung“ gehe ungehindert weiter, warnten sie.

Urteile des Gerichtshofs haben bindende Wirkung

Es ist auffällig, dass Aung San Suu Kyi selbst ihr Land verteidigen will. Dazu wäre sie nicht verpflichtet. Vor 28 Jahren hatte sie den Friedensnobelpreis bekommen für ihren gewaltlosen Widerstand gegen Unterdrückung in ihrem Land. Weil sie sich bislang geweigert hatte, die Gewalt gegen die Rohingya zu verurteilen, waren ihr bereits mehrere internationale Auszeichnungen entzogen worden.

Das UN-Gericht soll eine einstweiligen Verfügung gegen Myanmar erlassen, um die noch in dem Land verbleibenden rund 600.000 Rohingya zu schützen. Nach der auf drei Tage angesetzten Anhörung wird das Gericht beraten. Ein Urteil wird in wenigen Wochen erwartet. Das Hauptverfahren gegen Myanmar kann mehrere Jahre dauern. Urteile des Internationalen Gerichtshofs sind bindend.

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