Debatte um Incirlik: Gabriel sieht im Türkei-Streit "Grenze des Erträglichen erreicht"
Das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete auf der Luftwaffenbasis Incirlik belastet die Beziehungen beider Länder. Der Bundesaußenminister hofft dennoch weiter auf ein Einlenken.
Im Streit über das Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete auf dem Stützpunkt Incirlik setzt Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erst einmal weiter auf ein Entgegenkommen der Türkei. „Ich kann nur hoffen, dass die türkische Regierung ihre Meinung in den kommenden Tagen ändert. Sonst wird der Deutsche Bundestag sicher die Soldaten nicht in der Türkei lassen“, sagte Gabriel der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Wenn deutsche Staatsbürger mit nicht nachvollziehbaren Vorwürfen in Haft kämen, nicht aus der Türkei ausreisen dürften und „nun auch noch das deutsche Parlament erpresst werden soll, ist die Grenze des Erträglichen erreicht“.
Ankara hatte Verteidigungsexperten des Parlaments am Montag einen Besuch in Incirlik verweigert, weil türkischen Soldaten in Deutschland zuvor Asyl gewährt worden war. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, diese Soldaten seien in den Putschversuch vom Juli 2016 involviert gewesen. Er warnte davor, die Partnerschaft mit der Türkei aufs Spiel zu setzen.
Medienbericht: Zwei Generäle bitten um Asyl
Unterdessen berichtete die "Bild"-Zeitung, dass zwei hochrangige türkische Militärs am Frankfurter Flughafen um Asyl gebeten hätten. Es handle sich um zwei Generäle, die am Putschversuch in der Türkei im vergangenen Jahr beteiligt gewesen sein sollen. Sie sollten am Mittwoch in die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen gebracht werden.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel rief die Türkei zum Einlenken auf. "Ich kann nur hoffen, dass die türkische Regierung ihre Meinung in den kommenden Tagen ändert. Sonst wird der deutsche Bundestag sicher die Soldaten nicht in der Türkei lassen", sagte Gabriel der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Von Incirlik aus starten deutsche Aufklärungsjets zu Flügen über Syrien und dem Irak. Außerdem ist dort ein Tankflugzeug stationiert. Damit unterstützen sie den Kampf gegen die Extremistenmiliz IS.
Die Bundesregierung hatte zuvor erstmals offen mit einem Abzug der deutschen „Tornado“-Aufklärungsjets von dem Stützpunkt gedroht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gabriel wollen aber zunächst in weiteren Gesprächen versuchen, die türkische Regierung umzustimmen. Die Türkei und Deutschland sind Nato-Partner, das Verhältnis beider Länder hatte sich aber in den vergangenen Monaten stark verschlechtert.
Opposition will Votum über Abzug
Die Bundeswehr beteiligt sich von der Basis in Incirlik aus am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Opposition im Bundestag will ein schnelles Votum des Parlaments über den sofortigen Abzug herbeiführen. Spitzen der Unionsfraktion sprachen sich dafür aus, nach einem neuen Standort zu suchen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, ein Erkundungsteam wolle sich auf den Weg nach Jordanien machen, um eine Alternative auszuloten. Demnach sollen die Fachkräfte Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Freitag in Amman über die Ergebnisse informieren. Sie nimmt dort an einer Konferenz teil. Das Verteidigungsministerium hat bereits Alternativstandorte in Jordanien, Kuwait und auf Zypern geprüft. Favorit ist Jordanien.
Zuerst hatte „Der Spiegel“ über die erneute Entsendung der Experten nach Jordanien berichtet. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins sollen sie am Mittwoch aufbrechen. „Der Spiegel“ schrieb zudem, von der Leyen wolle sich die Alternativ-Basis am Wochenende selbst anschauen.
Gabriel sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, der Einsatz der Bundeswehr in Incirlik sei ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den IS-Terror. „Dieses Interesse haben nicht nur wir, sondern auch wichtige Nato-Partner, wie etwa die USA“, betonte der Minister. „Wenn eine vernünftige Arbeit von Incirlik aus nicht mehr möglich ist - und dazu gehört nun einmal auch, dass die Bundestagsabgeordneten ihre Soldaten besuchen können -, dann müssen wir Alternativen ins Auge fassen.“ Deutschland habe in den letzten Monaten „wirklich alles getan, um die Türen für die Türkei nicht zuzuschlagen“. (dpa/rtr)
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