SPD-Parteikonvent: Gabriel beruhigt die SPD-Basis in Sachen Freihandel
Kurz vor dem SPD-Parteikonvent hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit dem DGB eine gemeinsame Position zum Freihandelsabkommen TTIP abgestimmt. Darin wendet er sich gegen die umstrittenen Schiedsgerichte.
Die Öffentlichkeit war zum Parteikonvent nicht eingeladen. Aber das hat rund 100 Demonstranten nicht daran gehindert, die etwa 200 Delegierten dieses kleinen Parteitags vor dem Willy-Brandt-Haus am Samstag in Berlin darauf aufmerksam zu machen, dass sie von den geplanten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und mit Kanada (Ceta) wenig halten. Diese Abkommen werden auch in der SPD kontrovers diskutiert. Die Regierungschefs in der EU und den USA versprechen sich von dem Abkommen mehr Handel und dadurch mehr Wohlstand und Arbeitsplätze. Kritiker befürchten den Verlust von Arbeitnehmerrechten, Sozial- und Umweltstandards und, dass der Freihandel nur den Firmen aber nicht den Menschen nutzen könnte.
Der SPD-Landesverband Bremen legte deshalb einen Antrag vor, die Verhandlungen über TTIP auszusetzen und über die Ausrichtung der Verhandlungen noch einmal komplett neu zu beraten. Aus Bayern lag die Forderung vor, das Ceta-Abkommen mit Kanada abzulehnen. In diesem bereits ausverhandelten Abkommen sind Schiedsgerichtsverfahren vorgesehen, in denen Firmen Staaten verklagen können, wenn sie das Abkommen verletzt sehen Schiedsgerichtsverfahren sind nichtöffentlich und können Entscheidungen fällen, die Firmen Schadenersatz dafür zusprechen können, dass sie durch Gesetze in den betroffenen Staaten beschränkt werden. Gabriel sagte nach dem Parteikonvent, er könne sich nicht vorstellen, dass der Bundestag und der Bundesrat einem solchen Abkommen zustimmen würden. Zudem bezweifle er, dass das Bundesverfassungsgericht es für zulässig halte. Der Berliner SPD-Chef Jan Stöß hatt vor dem Parteikonvent im Interview mit der „Tageszeitung“ verlangt, Ceta „mit harten Bedingungen“ nachzuverhandeln. Gabriel rechnet jedenfalls in diesem Jahr nicht mehr mit einer Paraphierung des Abkommens zwischen der EU und Kanada.
Gabriel warnt vor einem Scheitern der TTIP-Verhandlungen
Gabriel hatte vor dem Konvent Kritiker vor den Folgen eines Scheiterns der TTIP-Verhandlungen gewarnt. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir versuchen müssen, die Verhandlungen zum Erfolg zu bringen, weil ich glaube, dass Europa das letzte Mal eine Chance hat, so ein Abkommen zu bestimmen“, sagte er. Um seine kritische Basis zu beruhigen, einigte sich Gabriel im Vorfeld des Parteikonvents mit dem DGB auf ein gemeinsames Positionspapier, das er als Wirtschaftsminister unterschrieb. Darin ist die Rede von „zusätzlichem Wohlstand“, von Handelsströmen in einem täglichen Umfang von zwei Milliarden Euro und dem Nutzen, den ein Verzicht auf Zollschranken bringen würde.
Abgesehen davon ist das gemeinsame Papier eine Wunschsammlung. Gabriel und DGB-Chef Reiner Hoffmann fordern eine Offenlegung der Verhandlungspapiere und eine Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Verhandlungen. Die Kernforderung ist: „Das Freihandelsabkommen darf Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards nicht gefährden.“ Und, was vielen SPD-Mitgliedern besonders wichtig ist: „Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden.“ DGB und SPD versprechen sich sogar die Chance, die Arbeitsbedingungen in den USA zu verbessern, wie das Wolfgang Tiefensee, in der SPD-Fraktion für Wirtschaftspolitik zuständig, bei einem Treffen der Wirtschaftssprecher seiner Partei in der vergangenen Woche formuliert hatte. Gefordert wird ein Zeitplan zur Ratifizierung der internationalen Arbeitsschutzbestimmungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Gabriel und Hoffmann fordern zudem eine „strikte Regulierung der Finanzmärkte“ und eine Korrekturklausel, um „unerwünschten Fehlentwicklungen“ begegnen zu können. Der SPD-Parteikonvent beschloss, dass diese Bedingungen auch für das bereits verhandelte Ceta-Abkommen gelten sollen.
Der Parteivorstand steht hinter Gabriel
Gabriel überzeugte mit seinem Papier den Parteivorstand und am Nachmittag auch den Parteikonvent. Bei sieben Gegenstimmen beschloss die SPD, Gabriels Kurs zu unterstützen, die Verhandlungen weiter zu führen, aber Bedingungen für den Abschluss eines Abkommens zu formulieren.
SPD-Vizechef Ralf Stegner hatte im Vorfeld des Konvents eine Klarstellung gefordert. Es dürfe keine Sondergerichte geben, verlangte er im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur. Zudem dürfe die öffentliche Daseinsvorsorge nicht gefährdet werden. Am Ende müsse eine Abstimmung über das TTIP-Freihandelsabkommen im Bundestag stattfinden.
Merkel betont die Chancen von TTIP
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte am Freitag vor Handwerkern in Berlin, dass sich Gabriel für TTIP einsetze. „Ich kann nur sagen, angesichts der großen Arbeitslosigkeit in Europa, ein Freihandel zwischen den beiden großen Wirtschaftsräumen der Welt ist von unschätzbarem Wert.“ Und weiter: „Weder wird das Chlorhühnchen Einzug halten, noch werden gentechnisch veränderte Lebensmittel in Zukunft in die EU importiert werden können.“
Die SPD will den Sillicon-Valley-Kapitalismus zähmen
Bevor die SPD am Samstag über TTIP diskutierte, stritt sich die Partei über die Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak Sie überzog die dafür geplante Debatte um eine gute Stunde, billigte den Kurs von Außenminister Frank-Walter Steinmeier aber mit großer Mehrheit, berichtete Gabriel.
Gabriel hatte im Anschluss daran die Debatte über das „digitale Leben“ eröffnet. Er schimpfte in seiner Rede, in der er von der SPD verlangte, nach dem „Manchester- Kapitalismus“ nun den „Silicon-Valley-Kapitalismus zu zähmen“, auf die Demonstranten vor der SPD-Zentrale. Das Kampagnennetzwerk Campact, das den Protest organisiert hatte, sei „keine NGO, sondern ein Unternehmen“, sagte er. Gabriel beklagte eine „Kultur des Misstrauens“ in der Gesellschaft. Im Internet „wird viel gesendet aber wenig empfangen“, sagte er nach dem Konvent. Befördert durch das Internet bildeten sich immer mehr in sich geschlossene Öffentlichkeiten, die für „Sachargumente“ gar nicht mehr empfänglich seien, beklagte Gabriel. Er warf Kritikern der Freihandelsabkommen vor, Verschwörungstheorien anzuhängen. Zugleich verglich der die neue Partei AfD mit der amerikanischen Tea-Party-Bewegung, die zu gar keiner Partei mehr das Gespräch suche und sich völlig abgekoppelt habe.