Rechtsausschuss gegen AfD-Politiker: „Für mich sind Sie längst zurückgetreten, Herr Brandner“
Wegen Tweets zu Halle hat sich ein Großteil des Rechtsausschusses gegen seinen Vorsitzenden, AfD-Mann Brandner, gestellt. Der hat sich nun entschuldigt.
Es ist womöglich ein Novum in der Geschichte des Bundestages: Ein Großteil der Mitglieder des Rechtsausschusses stellte sich am Mittwoch offiziell gegen seinen Vorsitzenden, den Thüringer AfD-Politiker Stephan Brandner. Die Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann verlas im Namen ihrer Fraktion und der Ausschussmitglieder von Union, SPD, FDP und Linken eine Erklärung, in der sie Twitter-Äußerungen Brandners zum rechtsextremen Anschlag in Halle verurteilte. „Sie sind nicht geeignet, diesen Ausschuss zu führen“, sagte Rottmann. „Sie zerstören jede Voraussetzung dafür, die Aufgabe als Vorsitzender des Rechtsausschuss in einer pluralen, offenen Demokratie wahrnehmen zu können.“
Brander hatte nach dem Anschlag in Halle eines Nutzer namens „Hartes Geld“ retweetet. Darin fragte dieser: „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“ Schließlich seien die Opfer in Halle ja eine „Deutsche, die gern Volksmusik hörte“, und ein „Bio-Deutscher“ gewesen.
Der Tweet erwähnte nicht, dass der Anschlag ursprünglich einer Synagoge galt. Und er verschwieg auch, dass der Rechtsextremist danach einen von einem Muslim geführten Dönerimbiss unter Beschuss genommen hatte. „Dass der Täter in Halle einen tödlichen Anschlag auf die Mitglieder der jüdischen Gemeinde wollte, wird auf abstoßende Weise zur irrelevanten Nebensache verniedlicht“, hieß es in der Erklärung der Bundestagsabgeordneten. In dem Tweet werde zwischen „deutschen“ Opfern und den Menschen in Synagogen und Moscheen unterschieden. „Der Autor geht demnach davon aus, dass Juden und Muslime keine Deutschen sein können.“
Respekt, Anstand - und gelegentlich ein kluger Gedanke
Kritisiert wurde auch ein Tweet, den Brandner selbst abgesetzt hatte. Darin verbreitete er ein Foto des jüdischen Publizisten Michel Friedman aus einem Fernsehbeitrag, mit den Worten: „Jede Sendeminute dieses deutschen Michel treibt uns neue Anhänger in Scharen zu – weiter so!“
Die Grünen-Abgeordnete Rottmann erklärte, Brandner markiere so den Juden Friedman als Feindbild. „Wir kennen den Effekt, den solche Ausrufungen einzelner Personen zu Zielscheiben durch AfD-Abgeordnete haben: Die Gefährdung dieser Person steigt noch einmal drastisch an. Das nehmen Sie in Kauf.“
Rottmann betonte, das Amt des Rechtsausschussvorsitzenden sei nicht von sich aus mächtig. Es gewinne seinen Einfluss allein dadurch, dass man es „mit Respekt und Anstand und gelegentlich und vielleicht gelegentlich einem klugen Gedanken“ ausfüllt. „Für mich sind Sie deshalb längst zurück getreten, Herr Brandner.“
Brandner will Ausschuss weiterhin leiten
Schon vor Brandners Wahl zum Vorsitzenden des Rechtsausschusses hatte es Bedenken gegeben. Jetzt fühlen sich Kritiker wie der Deutsche Juristinnenbund und der Deutsche Anwaltsverein bestätigt. In einer gemeinsamen Pressemitteilung forderten sie Brandners Rücktritt.
Der hat aber nicht vor, sich zurückzuziehen. Dem Tagesspiegel sagte er am Donnerstagmittag, er habe die Erklärung Rottmanns zur Kenntnis genommen. Eine Aussprache, Debatte oder Diskussion habe dazu nicht stattgefunden. Er werde den Ausschuss weiterhin leiten.
Mehrere Redner kritisierten Brandner am Donnerstag scharf und verlangten eine Distanzierung der AfD-Fraktionsspitze, die allerdings nicht erfolgte. Solange der AfD eine Mitschuld an der rechtsterroristischen Tat unterstellt werde, „entschuldige ich mich hier für nichts“, sagte der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland.
Auch Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) nahm am Donnerstag im Plenum Bezug auf den Fall. Er verurteilte, dass auf Twitter in Reaktionen auf diese von Judenhass getriebenen Tat „weiter mit Ab- und Ausgrenzung von Menschen gespielt wird“. Mit dem Teilen dieser Reaktionen stelle man sich außerhalb des Grundkonsens'. „Das gilt erst Recht für Mitglieder dieses Hauses“, ergänzte Schäuble offenbar mit Blick auf Brandner.
Doch noch eine Entschuldigung
Am Nachmittag meldete sich nach einer Debatte über Tempolimits schließlich Brandner nochmals zu Wort. „Es tut mir leid“, sagte er. Er habe einen Beitrag retweetet, den er „inhaltlich nie geteilt“ habe. Ein Gespräch mit Bundestagspräsident Schäuble habe ihm vor Augen geführt, „welche Probleme auch in der Außenwirkung dieser Retweet“ verursacht habe. (mit epd)