Heil nennt Details: Für Grundrente könnten weniger als 35 Beitragsjahre reichen
Wer wird die neue Grundrente bekommen? Bisher hieß es, man muss mindestens 35 Jahre eingezahlt haben – doch ganz so hart soll diese Grenze doch nicht sein.
Der Kompromiss der großen Koalition zur Grundrente sieht nach Worten von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Spielraum bei der Grenze von 35 Beitragsjahren vor. „Wir haben gestern gesagt, dass da Spiel sein soll - nicht viel, aber dass wir versuchen, diese harte Kante ein bisschen abzuschleifen im Verfahren“, sagte Heil am Montag im ARD-„Morgenmagazin“.
Er wies darauf hin, dass bei den 35 Beitragsjahren ohnehin auch Zeiten der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen mitgezählt würden. Es gebe daher „sowieso keine richtig harte Kante“.
Die Spitzen der großen Koalition hatten am Sonntag ihren Streit über die Grundrente beigelegt. Die neue Sozialleistung soll demnach zum 1. Januar 2021 eingeführt werden. Es geht dabei um einen Zuschlag auf die Rente für diejenigen, die jahrzehntelang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben und dennoch Altersbezüge unterhalb der Grundsicherung bekommen.
Die Grundrente soll laut Heil nicht beantragt werden müssen, sondern automatisch nach einem Einkommensabgleich mit der Finanzverwaltung gezahlt werden. Es sei wichtig, die Menschen „von unnötiger Bürokratie freizuhalten“, sagte Heil in der ARD. Betroffen seien „sehr fleißige Leute, die sich das erworben haben“.
Der Minister warnte davor, den Kompromiss zur Grundrente „„kleinkariert parteipolitisch auszuzählen“. Die Einigung sei eine „gute Lösung, die wir gemeinsam zustande gebracht haben“. Die Regierung habe Handlungsfähigkeit gezeigt. „Am Ende zählt nicht die Befindlichkeit von Parteien, sondern dass wir das Land voranbringen und was für die Menschen tun.“
Streit über Grundrente war „kritische Situation“
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigte den Kompromiss der Koalitionsspitzen als sozial ausgewogen und gerecht. Er sei richtig und wichtig, weil er ein klares Signal setze an Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet, aber trotzdem nur eine kleine Rente hätten, sagte Kramp-Karrenbauer am Montag nach Sitzungen der CDU-Führungsgremien in Berlin.
Man habe vermieden, dass die Grundrente nach dem Gießkannenprinzip verteilt werde, indem eine umfassende Einkommensprüfung als Gerechtigkeitsprüfung vereinbart worden sei - wenn man so wolle, gebe es auch eine Bedürftigkeitsprüfung, sagte Kramp-Karrenbauer mit Blick auf den von der SPD strikt abgelehnten Begriff.
Der Streit über die Grundrente war nach Ansicht des Unionsfraktionschefs Ralph Brinkhaus eine kritische Situation für die Regierungskoalition aus Union und SPD. „Es war gut, dass wir jetzt ein Ergebnis erzielt haben, da wir wichtige Aufgaben vor uns haben“, sagte Brinkhaus im ARD-„Morgenmagazin“.
Brinkhaus zeigte sich optimistisch, auch die Kritiker in den eigenen Reihen von dem Verhandlungsergebnis überzeugen zu können. Für einen Kompromiss müssten sich immer beide Seiten bewegen. „Wir haben bei den Verhandlungen aber Verbesserungen erzielt, die uns sehr wichtig waren“, sagte Brinkhaus.
Merz sieht in Kompromiss zur Grundrente nur einen ersten Schritt
Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat den Kompromiss bei der Grundrente zurückhaltend als einen ersten Schritt bewertet. Merz sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, „vorbehaltlich einer genaueren Prüfung der Details könnte diese Einigung einen Weg aufzeigen, wie in Zukunft eine Grundrente mit Einkommens- und Vermögensprüfung vernünftig ausgestaltet werden kann.“
Positiv wertete Merz hingegen die Vereinbarung des Koalitionsausschusses zur betrieblichen Altersversorgung, bei der die bisherige sogenannte Doppelverbeitragung der Betriebsrentner weitgehend beendet werden soll. Dies könne zur Vermeidung künftiger Altersarmut beitragen, sagte Merz. Den Ausfall der damit verbundenen 1,2 Milliarden Euro müssen die Gesetzlichen Krankenkassen nach dem Kompromiss selbst tragen.
Unionsnachwuchs klar gegen Grundrentenkompromiss
Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, hat seine Ablehnung des Grundrenten-Kompromisses mit einer drohenden Belastung der jungen Generation begründet. Die JU lehne den Kompromiss ab, „nicht, weil wir den älteren Menschen das nicht gönnen, dass sie auch in Zukunft vielleicht ein bisschen mehr Geld im Alter haben“, sagte Kuban am Montag nach einer Vorstandssitzung seiner Partei in Berlin. Der Kompromiss sei so nicht finanzierbar und eine zusätzliche Rentenleistung, die zu Lasten der jungen Generation gehe.
Kuban ist eines von insgesamt drei CDU-Vorstandsmitgliedern, die am Montag gegen den Kompromiss gestimmt hatten.
Mit Blick auf die mit Spannung erwartete Sitzung der Unionsfraktion an diesem Dienstag sagte Kuban, er sei mit vielen jungen Abgeordneten im Gespräch. Man werde die Ablehnung des Kompromisses auch in der Fraktion deutlich machen. „Ich werbe dafür, dass gerade die jungen Abgeordneten dann auch klarmachen, dass wir für Generationengerechtigkeit stehen. Und für Generationengerechtigkeit steht dieser Kompromiss leider nicht.“
Zugleich räumte der JU-Chef ein, es seien auch viele gute Punkte in dem Kompromiss enthalten wie etwa der Zukunftsfonds in Höhe von bis zu 10 Milliarden Euro. Der große Pferdefuß sei aber die Grundrente ohne wirkliche Bedarfs- und nur mit einer Einkommensprüfung. Aber: „Das eine, das falsch ist, wird dadurch nicht richtiger, dass man andere Punkte hinzufügt.“ Die JU sei hier nicht käuflich, sondern habe eine klare Haltung.
Grünen-Chefin Baerbock: "Viele offene Fragen"
Die Grünen haben die Einigung von Union und SPD zur Grundrente begrüßt, wünschen sich aber Änderungen. Rentner sollten schon nach 30 Jahren, die sie in die Rentenkasse eingezahlt haben, Anspruch auf eine Grundrente haben, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock am Montag in Berlin. Insbesondere Frauen in Westdeutschland kämen nicht auf die von der großen Koalition vereinbarten 35 Jahre. „Frauen sind aber eine große Gruppe mit Blick auf die Altersarmut.“
Es sei grundsätzlich gut, dass ein Kompromiss gelungen sei, sagte Baerbock. Wenn man ins Detail gehe, werde aber deutlich, dass es noch viele offene Fragen gebe. „Deswegen muss dringend geklärt werden, wie diese Grundrente dann auch automatisch und unbürokratisch an Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt werden kann“, forderte sie. Derzeit beantragten viele Rentner keine Grundsicherung, obwohl sie darauf Anspruch hätten.
Auch bei der Linkspartei stößt der Vorstoß auf Skepsis. „Die Richtung stimmt, aber damit wird das Grundübel nicht an der Wurzel gepackt“, teilte die Linksfraktionschefin in Brandenburg, Kathrin Dannenberg mit. Die Altersarmut als gesellschaftliches Problem bleibe bestehen. „Denn viele Brandenburgerinnen und Brandenburger kommen auf Grund ihrer gebrochenen Erwerbsbiografien gar nicht auf 35 Beitragsjahre.“ (AFP,dpa)