Zugeständnisse am Brexit-Deal: Für britischen Rechtsberater ist rechtliche Situation unverändert
Werden die Zugeständnisse der EU die Brexiteers umstimmen? Wichtig ist die Einschätzung des Generalstaatsanwalts – der sieht weiterhin ein rechtliches Risiko.
Die von Großbritanniens Premierministerin Theresa May erreichten Änderungen am Brexit-Abkommen räumen die Bedenken des britischen Generalstaatsanwalts, Geoffrey Cox, nicht aus. Das geht aus einem Gutachten hervor, das am Dienstag in London veröffentlicht wurde.
Der Rechtsberater der britischen Regierung erklärte am Dienstag, die von der EU zuletzt erteilten Zusicherungen zum Austrittsabkommen würde der britischen Regierung keine grundlegend geänderte Lage schaffen: Zwar werde das Risiko, dass Großbritannien durch den sogenannten Backstop in der Nordirland-Frage "unbegrenzt und gegen seinen Willen" in einer Zollunion an die EU gebunden bleibe, durch die Zusicherungen "verringert". Das "rechtliche Risiko", dass Großbritannien nicht ohne Zustimmung der EU daraus aussteigen könne, bleibe aber "unverändert" bestehen. Großbritannien habe weiterhin keine rechtlichen Mittel, um die als Backstop bezeichnete Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu kündigen.
DUP hält Abkommen noch immer für unzureichend
Cox' rechtlicher Bewertung der EU-Zusicherungen wurde kurz vor der entscheidenden Abstimmung im britischen Parlament über das Austrittsabkommen höchste Bedeutung beigemessen. Für May sind das keine guten Nachrichten. Sie hofft, die am Montag erreichten Zugeständnisse der EU könnten ihr am Abend im Parlament eine Mehrheit für ihr Abkommen bringen.
Nachdem Cox seine Einschätzung abgegeben hat, hat die nordirische DUP allerdings bereits in einer Stellungnahme erklärt, dass sie den nachverhandelten Deal noch immer als unzureichend ansieht. Gleichzeitig zeigte sich die Partei überzeugt: "Es ist möglich, einen sinnvollen Deal zu erreichen, der sowohl für Großbritannien als auch für die EU funktioniert, aber dazu müssten alle Seiten vernünftig und in Verhandlungsstimmung sein."
Planmäßig will sich Großbritannien am 29. März von der EU trennen. Die Abgeordneten im Unterhaus sollen voraussichtlich ab 20 Uhr (MEZ) ein zweites Mal über das mit Brüssel ausgehandelte Vertragspaket zum EU-Austritt des Landes stimmen. Die Debatte hat bereits begonnen. Im Januar hatten die Unterhaus-Abgeordneten mit großer Mehrheit gegen das Austrittsabkommen gestimmt und Premierministerin Theresa May damit eine historische Niederlage beschert.
Um eine erneute Abstimmungsniederlage nur zweieinhalb Wochen vor dem geplanten Brexit zu verhindern, war May am Montagabend nach Straßburg gereist und hatte sich von der EU in letzter Minute Zusicherungen zum Austrittsvertrag und zu einer politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen geben lassen.
Zudem wollte sie mit einer einseitigen Erklärung gegenüber den Brexit-Hardlinern in ihrer Partei klarstellen, dass Großbritannien auch im schlimmsten Fall nicht dauerhaft an die EU gebunden bliebe.
Juncker wirbt erneut für Zustimmung
Bei den Zusicherungen geht es vor allem um die umstrittene Auffanglösung zur Verhinderung von Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Demnach würde das Vereinigte Königreich bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleiben, falls nach Ablauf einer Übergangsphase keine andere Vereinbarung getroffen wird.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker appellierte am Dienstag abermals an das britische Unterhaus, dem nachgebesserten Brexit-Deal nun zuzustimmen. „Ich habe es gestern Nacht schon gesagt: Das war eine zweite Chance, aber es wird keine dritte Chance geben“, sagte Juncker in einer Debatte des Europaparlaments.
Der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth appellierte an das Unterhaus, den Kompromiss nun mitzutragen. „Es muss jetzt auch mal Schluss sein mit den Spielchen“, sagte der SPD-Politiker bei einem EU-Treffen in Bukarest. Roth bezeichnete die neue Vereinbarung als „sehr weitreichende Verdeutlichung dessen, was wir schon längst verhandelt haben“. Die für die EU zentralen Punkte blieben erhalten. „Der Scheidungsvertrag ist der Scheidungsvertrag.“
Die Brexit-Hardliner in Großbritannien lehnen den sogenannten Backstop strikt ab. Sie fürchten, damit langfristig an die EU gebunden zu bleiben.
Nach der skeptischen Einschätzung von Generalstaatsanwalt Cox ist nun fraglich, ob die Zugeständnisse der EU die Brexit-Hardliner in Mays konservativer Partei und die Abgeordneten der nordirischen DUP überzeugen können. Beide hatten im Januar gegen den Brexit-Vertrag gestimmt. Das Pfund, das nach Mays Einigung mit der EU zugelegt hatte, rutschte nach der Veröffentlichung des Rechtsgutachtens wieder ab. (Reuters, AFP, dpa)