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Auch in den eigenen Reihen verliert Boris Johnson an Rückhalt.
© AFP/ Jessica Taylor

„Die Party ist vorbei“: Für Boris Johnson wird es eng

Boris Johnson hat sich nach einer Gartenparty in seinem Amtssitz während der Corona-Pandemie entschuldigt. Zurücktreten will er allerdings nicht.

Boris Johnson ist ein Meister darin, Vorwürfen elegant auszuweichen, die Atmosphäre durch einen Scherz zu verändern und abzulenken. Am aber sagt der britische Premierminister im Unterhaus: „Ich möchte mich in aller Form entschuldigen. Ich bereue zutiefst, dass wir diesen Fehler gemacht haben.“ Die Spannung ist mit Händen zu greifen. Alle Abgeordneten wissen, dass es diesmal um die Karriere des 57-Jährigen geht.

Der Regierungschef entschuldigt sich nur für ein Event während des ersten Corona-Lockdowns, das seit Wochenbeginn die britische Öffentlichkeit beschäftigt. Die Einladung zur Party am 20. Mai 2020 versandte Johnsons Privatsekretär Martin Reynolds an mehr als 100 Bedienstete der Regierungszentrale: Man wolle „sozial distanziert“ im weitläufigen Garten das schöne Wetter genießen, hieß es da, gefolgt vom Hinweis: „Bringen Sie Ihre eigene Flasche mit.“ Rund 30 Menschen nahmen teil, darunter auch der Premier für rund 25 Minuten.

Dies verstieß, soviel räumt Johnson ein, gegen die damals geltenden strengen Lockdown-Bestimmungen. Die Briten durften sich höchstens mit je einem anderen Menschen treffen. Wochenlang wurde die Insel im Frühling 2020 von der Sonne beschienen. Um die Arbeit in der engen Regierungszentrale zu erleichtern, sei in dieser Zeit, so führt Johnson aus, häufig Arbeit aus den Büros in den Garten verlegt worden. Er sei auch am bewussten Tag der irrigen Meinung gewesen, es handele sich um einen Arbeitstermin.

Die Opposition fordert Johnson zum Rücktritt auf

„Albern und beleidigend“ seien die Ausführungen des Premiers, wettert Oppositionsführer Keir Starmer, „seine Entschuldigung ist wertlos“. Längst habe die Öffentlichkeit den Eindruck, von Johnson „nach Strich und Faden belogen“ worden zu sein. Der Labour-Chef erinnert an Gesundheitsminister Matthew Hancock und die frühere Regierungssprecherin Allegra Stratton, die wegen ähnlicher Vergehen zurücktraten. „Warum gelten die gleichen Regeln nicht für ihn?“

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Wie Starmer fordern auch die Fraktionschefs der schottischen Nationalpartei und der Liberaldemokraten Johnsons Rücktritt. Der Premierminister geht mit keinem Wort darauf ein. Nach seinem Auftritt aber streift er durch das Parlament und wirbt in der eigenen Fraktion um Sympathie und Unterstützung. Das hat Johnson nötig, darauf lässt das Verhalten seiner schärfsten Rivalen ums höchste Regierungsamt schließen. Finanzminister Rishi Sunak nimmt gar nicht erst an der Unterhaussitzung teil. Außenministerin Liz Truss sitzt zwar auf der Regierungsbank neben Johnson, lässt aber keinerlei Unterstützung erkennen.

Bei den Torys gibt es ernsthafte Diskussionen darüber, ob der in Partei und Fraktion keineswegs geliebte, sondern lediglich als Stimmenfänger respektierte Johnson noch der richtige Chef ist. Die Vorgänge in der Downing Street seien „unvertretbar und nicht zu entschuldigen“, sagt die prominente Schottin Ruth Davidson, die für die Torys im Oberhaus sitzt. Der Chef der schottischen Konservativen, Douglas Ross, offen Johnson zum Rückzug auf. 

Minister werden reihenweise anonym in den Medien zitiert: „So kann es nicht weitergehen.“ Johnson hat also, wenn überhaupt, lediglich ein wenig Zeit gewonnen.

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