Streit um Haushalt 2017 in der Koalition: Fünf Milliarden - oder zwei?
Die SPD reklamiert für sich einen Sieg im Streit um den Etat für 2017: deutliche Mehrausgaben für Integration und Soziales. Doch ein Teil davon war wohl ohnehin schon vorgesehen.
Sind es nur fünf Milliarden Euro mehr? Und ist es ein großer Verhandlungserfolg der SPD und ihres Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel? Oder geht es um ein Plus von zwei Milliarden Euro, wie der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg sagt, oder um zweieinhalb Milliarden Euro, wie das Bundesfinanzministerium durchblicken lässt? Der über Wochen aufgeführte Koalitionsstreit um die Aufstellung des Etats 2017, angesiedelt zwischen dem heldenhaften Durchdrücken zusätzlicher SPD-Forderungen (Gabriels „Solidarpaket“) und dem tapferen Verteidigen der schwarzen Null durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wirkt drei Tage nach der Einigung der beiden Minister eher wie das abgesprochene Treffen in der Mitte. Die SPD hat jedoch im Wahlkampf eine etwas größere Trommel gerührt. Andererseits ist die Herausforderung für die Schuldenpolitik – die Koalition hat vereinbart, 2017 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen - nicht ganz so groß.
Mehr für Arbeitsmarkt und Wohnungsbau
Das hatte sich freilich abgezeichnet. Denn ein Teil der SPD-Forderungen gehörte offenbar bereits im Februar zu dem Paket an Zusatzausgaben, über das die Bundesministerien mit Schäubles Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer verhandelten. In einer Auflistung des Finanzministeriums über zusätzliche „Belastungen“ des Etats 2017 sind bereits alle Bereiche, in denen die SPD Zusatzforderungen geltend machte, enthalten. So ist unter Sozialausgaben ein Plus von 4,8 Milliarden Euro festgehalten für Zusatzausgaben bei der Arbeitsmarktförderung, der Rente, für Integration und „Aktive Leistungen Asyl“. Diese Ausgaben sollen in den Folgejahren weiter wachsen auf sechs Milliarden (2018) und 7,7 Milliarden Euro (2019), um dann 2020 mit 9,6 Milliarden das doppelte Volumen zu erreichen. Für soziale Wohnraumförderung und die Sonderabschreibung Mietwohnungsbau ist ein Ausgabeplus von 500 Millionen Euro vorgesehen. Für die Asylkostend er Länder wurden 2,6 Milliarden Euro mehr veranschlagt, für Integration und innere Sicherheit um Zusammenhang mit den Flüchtlingen eine Milliarde Euro im Etat des Innenministeriums.
Die Addition der SPD
Wie es dann aus Regierungskreisen hieß, verständigten sich Gabriel und Schäuble am Freitag (nach einem Treffen mit der Kanzlerin am Mittwoch davor) auf Zusatzausgaben, welche die SPD (unter der Überschrift „Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt“) auf fünf Milliarden Euro addierte. Darunter sind 2,2 Milliarden Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik (nicht zuletzt Qualifizierung und Ausbildung) für Flüchtlinge wie auch Langzeitarbeitslose. Die Ausgaben für Wohnungs- und Städtebau steigen nach der Einigung auf 1,8 Milliarden Euro, wobei hier ein Plus schon in den Verhandlungen zwischen den Ressorts absehbar war. Eine halbe Milliarde mehr gibt es nun auch für Kita-Ausbau und Initiativen gegen Rechtsextremismus. Die Mindestrente soll mit 180 Millionen Euro zu Buche schlagen – ein Einstieg. Die Union hatte selbst einmal Ähnliches mit der Lebensleistungsrente geplant. Ein Teil der Kosten dieser Rente für Arme, ungefähr ein Drittel nach groben Berechnungen, würde über Einsparungen beider Grundsicherung im Alter finanziert. Ob das Bundesteilhabegesetz, das Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) demnächst vorstellt und das die Standards der Leistungen für Behinderte bundesweit vereinheitlichen soll, auch Zahlungen des Bundes schon 2017 nach sich zieht, ist unklar.
Schwarze Null hält wohl
Wie weit die Zusatzausgaben, welche die SPD jetzt für sich reklamiert, schon in den Etatgesprächen eine Rolle spielten oder einfach nur Fortschreibungen von Ausgaben aus dem Etat 2016, oder echte Verhandlungserfolge Gabriels sind, ist nicht ganz leicht auseinanderzuhalten. Rehberg jedenfalls will die SPD-Erfolgsmeldung so nicht stehen lassen. Die SPD tue nur so, als ob sie fünf Milliarden Euro mehr durchgesetzt hätte, sagt er. Tatsächlich stiegen die Ausgaben gegenüber den zunächst geplanten Eckwerten Schäubles nur um zwei Milliarden Euro. Schäuble selbst will die wichtigsten Daten zum Haushaltsentwurf am Mittwoch vorstellen. Bis zuletzt hat sein Ressort daran festgehalten, dass die schwarze Null auch im Etat 2017 stehen wird. Eine Rolle dabei dürfte spielen, dass eine interne Steuerschätzung für das laufende Jahr und die nächsten Jahre offenbar ermutigende Zahlen geliefert hat. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres lag das Steuerplus mit fünf Prozent jedenfalls schon mal deutlich über den Prognosen aus dem vergangenen Jahr. Rehberg sagte dem Tagesspiegel dazu: "Ich gehe davon aus, dass wir keine neuen Schulden machen." Damit wäre das haushaltspolitische Hauptziel der Union gesichert.
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