CDU unter AKK: Führt Kramp-Karrenbauer ihre Partei zu weit nach rechts?
In der CDU geht die Angst um, die neue Parteichefin könne einen zu starken Rechtskurs steuern. Es gibt Warnungen – vor allem vor den Grünen.
Der Eindruck, betont Karin Prien, sei falsch. Aber der Eindruck besteht eben. Deshalb ärgert sich die schleswig-holsteinische Bildungsministerin ja so: der Eindruck nämlich, dass die CDU unter der neuen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach rechts gerückt sei. Prien ist Mitbegründerin der „Union der Mitte“, einer losen Gruppierung von CDU-Anhängern, die sich im Streit über Angela Merkels Flüchtlingskurs als Gegenpol zur ultrakonservativen „Werte-Union“ organisiert hatte. Kramp-Karrenbauer war ihre klare Favoritin für den Parteivorsitz. Doch aus Sicht der Liberalen läuft gerade einiges falsch.
Der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, ebenfalls Mitglied in dem Kreis, fasste das „Dilemma“ neulich twitterkurz zusammen: „Die Liberalen in der Union wählten #akk, der gegenwärtige Kurs will das erzkonservative Lager befriedigen, zieht die Union aber aus der Mitte und ... stärkt die Grünen.“ Kiesewetter schloss mit dem sehnsüchtigen Ausruf: „Der Kurs von Merkel war schon weise!“
Der „gegenwärtige Kurs“ – das meint etwa Kramp-Karrenbauers Bekenntnis zu Grenzschließungen als Ultima Ratio oder die Sache mit ihrem Karnevals-Toilettenwitz, nach dem die Saarländerin von Linken als Rechte beschimpft wurde. „Nun haben diese Kreise das Gefühl, dass sie Oberwasser haben“, warnt Prien in der „Rheinischen Post“.
Das stimmt zweifellos. Der Wirtschaftsflügel und der umtriebige Werte-Union-Chef Alexander Mitsch umarmen die Neue im Konrad-Adenauer-Haus geradezu. Der neue JU-Chef Tilman Kuban fand nichts dabei, Merkel eine „Gleichschaltung“ der Partei vorzuwerfen. Kramp-Karrenbauer steuert in jedem dieser Fälle sachte gegen. Kuban nahm sie am Rande der letzten Vorstandssitzung zur Brust. Die Werte-Union stutzte sie neulich knapp auf das zurecht, was sie ist – lautstark, aber winzig mit ihren etwa 2000 von 415.000 CDU-Mitgliedern.
Versöhnung mit sich selbst
Doch Kiesewetter hat ihr Dilemma richtig, wenn auch nicht ganz umfassend beschrieben: Nach drei Jahren Flüchtlingsstreit und ihrem knappen Sieg über den Konkurrenten Friedrich Merz ist Versöhnung der CDU mit sich selbst – und keineswegs nur mit den Ultras – nicht mit der nahtlosen Fortsetzung eines Merkel-Kurses zu haben. Das be- und entfremdet aber jene Merkel-Wähler aus einer diffusen grün-liberal-sozialdemokratischen Mitte, die die Kanzlerin wählten, obwohl sie Christdemokratin ist. Und selbst wenn ein konservativerer Grundton für die drei Ost-Landtagswahlen im Herbst für die CDU nützlich sein könnte, wie manche argumentieren, kann es danach schwer werden, wieder aus der Ecke rauszukommen.
Das gilt umso mehr, als die Grünen in gutbürgerliche Räume drängen. Dass Grünen-Chef Robert Habeck gerade die Charts als beliebtester Politiker stürmt, zeigt noch deutlicher als das konstante Umfragehoch seiner Partei, wie erfolgreich diese Vorstöße sind. Aus Umfragedaten ist zwar bisher nicht abzulesen, dass das stark auf Kosten der Union ginge. Andererseits haben sich die CDU-Werte seit dem Wechsel an der Parteispitze auch nicht verbessert.
Die Mitte-Unionisten wollen ihre Zwischenrufe allerdings ausdrücklich nicht als indirekte Bestätigung der Rechtsruck-Theorie missdeutet wissen, sondern als Versuch, ein falsches Bild zurechtzurücken. „Wie ich haben viele Christdemokraten aus dem Umfeld der Union der Mitte ja immer betont, dass es eben gerade keinen Rechtsruck in der CDU gibt“, versichert Prien. „Ich stehe voll hinter AKK, daran gibt es nichts zu rütteln.“
Gelegentliche Kritik in der Sache dürfe nicht mit Lust an einer Schwächung der Chefin verwechselt werden, „wie man es etwa von der SPD kennt“, sagt die Landesministerin. Ihr sei es nur wichtig, dass die „Fokussierung auf die Mitte der Gesellschaft“ als „der Kern bürgerlicher Politik“ und Ziel der CDU erkennbar bleibe.
Wie das besser gelingt, soll bei einem Treffen einiger Gleichgesinnter am Freitag in Berlin beredet werden. Bisher existiert die „Union der Mitte“ nur als Twitter- und Facebook- Community. Ihre Widersacher sind straffer organisiert. Die WerteUnion verschickt nicht nur am Fließband Pressemeldungen, sondern hatte beim CDU-Parteitag auch einen Stand – wenngleich nur im Foyer irgendwo zwischen VW und der Post.