zum Hauptinhalt
Das frühere NS-Konzentrationslager Stutthof bei Danzig.
© Piotr Wittmann / dpa

Neuer NS-Prozess in Deutschland: Früherer SS-Wachmann muss ab November vor Gericht

In Münster muss sich ein 94-jähriger früherer SS-Wachmann vor Gericht verantworten. Ihm wird Beihilfe zum Mord im Lager Stutthof vorgeworfen.

In Deutschland soll es doch noch einen NS-Prozess geben. Vor dem Landgericht Münster muss sich ab November ein 94-jähriger früherer SS-Wachmann verantworten. Die Staatsanwaltschaft Dortmund wirft ihm Beihilfe zum Mord an mehreren Hundert Menschen im nationalsozialistischen Konzentrationslager Stutthof bei Danzig vor. Wegen des Alters des Angeklagten zum Tatzeitpunkt wird das Verfahren vor der großen Jugendkammer des Landgerichts Münster beim Amtsgericht Bocholt geführt, wie ein Sprecher des Landgerichts mitteilte.

Der Angeklagte, der im Landkreis Borken lebt, gehörte von 1942 bis 1944 zum SS-Wachpersonal in Stutthof. Er soll sowohl das Lager bewacht als auch Arbeitskommandos außerhalb des Geländes begleitet haben.

ureDiese Prozesse kommen Jahrzehnte zu spät. Die meisten Täter, Offiziere wie Kommandeure, die in der jungen Adenauer-Bundesrepublik oft noch Karriere gemacht haben, sind ungeschoren davon gekommen.

schreibt NutzerIn MikeNixeda2014

Am 21. und 22. Juni 1944 wurden in Stutthof mehr als 100 polnische Häftlinge in der Gaskammer ermordet. Mindestens 77 verwundete sowjetische Kriegsgefangene sowie eine unbekannte Zahl jüdischer Häftlinge seien später auf dieselbe Weise getötet worden, wie es in einer Mitteilung des Gerichts heißt. Außerdem seien die Lebensverhältnisse im Lager „gezielt so schlecht“ gewesen, dass mehrere hundert Gefangene durch Krankheiten und fehlende medizinische Versorgung ums Leben kamen. Häftlinge, die als nicht mehr „arbeitsfähig“ galten, wurden durch Genickschüsse ermordet.

Angeklagter bestreitet Beteiligung an Morden

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, mit seinem Wachdienst die Tötungen „willentlich gefördert“ zu haben. Im Laufe der Ermittlungen gab er zu, Wachmann in Stutthof gewesen zu sein, bestritt aber, sich an der Ermordung von Häftlingen beteiligt zu haben.

Der 94-Jährige gilt als eingeschränkt verhandlungsfähig. Ein Gutachter hatte empfohlen, an maximal zwei Tagen pro Woche zwei Stunden zu verhandeln. Das Verfahren gegen einen zweiten Angeklagten aus Wuppertal wurde abgetrennt, da noch nicht beurteilt werden könne, ob er verhandlungsfähig sei, teilte das Landgericht mit.

Zwölf Angehörige von Opfern sind Nebenkläger

Für den Prozess in Münster wurden bereits zwölf Nebenkläger zugelassen, also direkte Angehörige von Menschen, die im Tatzeitraum in Stutthof ermordet worden waren. Sie leben in den USA, Kanada, Israel und Polen.

Seit dem Urteil gegen den früheren SS-Mann John Demjanjuk in München 2011 werteten Ermittler gezielt Listen von Wachpersonal aus. Dabei tauchte auch der Name des nun angeklagten Mannes auf.

Im Jahr 2015 musste sich der frühere "Buchhalter von Auschwitz", Oskar Gröning, in Lüneburg vor Gericht verantworten. Er wurde wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 300000 Menschen zu vier Jahren Haft verurteilt, das Urteil ist rechtskräftig. Die Haft musste Gröning nicht mehr antreten, weil er vorher starb. Im Jahr 2016 wurde der frühere Auschwitz-Wachmann August Hanning in Detmold zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Zur Startseite