Öffentliche Anhörungen in der Ukraine-Affäre: Ein historisches Spektakel gegen Donald Trump beginnt
Mit der Live-Übertragung der Zeugenaussagen wollen die US-Demokraten die Öffentlichkeit von einem Impeachment überzeugen. Doch diese Strategie birgt Risiken.
Einen Fehler wollen die US-Demokraten dieses Mal nicht machen: Anders als bei den Untersuchungen von Russland-Sonderermittler Robert Mueller soll der Impeachment-Prozess einfach zu verstehen sein.
Tausende Seiten an Zeugenaussagen und anderen Beweismitteln gibt es bereits. Dass der Durchschnittsamerikaner diese lesen wird, ist jedoch noch unwahrscheinlicher, als es bei Mueller mehr als 400-seitigem Abschlussbericht der Fall war. Darum setzen die Demokraten jetzt auf die Macht der Live-Übertragung, darauf, dass die Fernsehnation Amerika ab diesem Mittwoch gebannt verfolgen wird, was die Zeugen in der Ukraine-Affäre zu sagen haben. Ob im TV oder im Internet – ob mit Popcorn oder ohne.
Da man allerdings davon ausgehen kann, dass die Aufmerksamkeit mit der Zeit nachlassen wird, beginnen die öffentlichen Anhörungen im Repräsentantenhaus mit einigen der stärksten Zeugen, die die Opposition aufzubieten hat.
In der ersten Woche werden gleich drei Regierungsvertreter auftreten, die unmittelbar mit der amerikanischen Ukraine-Politik befasst waren. Hinter verschlossenen Türen haben sie bereits die Beschwerde des anonymen Geheimdienstmitarbeiters gestützt, die die Impeachment-Untersuchung auslöste. Was sie berichtet haben, ist zwar inzwischen veröffentlicht und im Internet nachlesebar. Aber wenn sie ihre Aussagen vor laufenden Kameras wiederholen, könnte das eine ganz neue Dynamik entwickeln, so das Kalkül der Demokraten.
Die ersten Zeugen sind hoch angesehene Diplomaten
Denn alle drei sind langjährige Karrierediplomaten, genießen einen tadellosen Ruf – und haben US-Präsident Donald Trump beziehungsweise dessen Umfeld schwer belastet.
William Taylor, der geschäftsführende Botschafter in Kiew, und George Kent, Staatssekretär im Außenministerium, die bereits am Mittwoch (ab 10 Uhr Ortszeit) aussagen werden, bestätigen ein „Quid pro quo“: dass es tatsächlich eine direkte Verbindung zwischen der Freigabe von US-Militärhilfe und dem Wunsch von Trump gab, dass die Ukraine nach belastendem Material gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden suchen sollte.
Durch ihre Aussage wurde zudem das Ausmaß der Schatten-Außenpolitik deutlich, die Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani und andere wie der EU-Botschafter Gordon Sondland in der Ukraine betrieben haben.
Am Freitag (ab 9 Uhr) folgt dann Marie Yovanovitch, die offenbar als Folge einer Kampagne Giulianis im Mai von ihrem Botschafterposten in der Ukraine abberufen wurde. In ihrer nicht-öffentlichen Anhörung hatte sie davon berichtet, dass sie von ukrainischer Seite vor Giuliani und dessen Geschäftspartnern gewarnt worden sei, die sie als Hindernis für ihre Wirtschaftsinteressen angesehen hätten.
Mit diesen drei Zeugen wollen die Demokraten der amerikanischen Öffentlichkeit darlegen, warum ein Impeachment des Präsidenten notwendig geworden sei. Sie verweisen dabei auf Umfragen, in denen eine Mehrheit dieses Vorgehen schon jetzt unterstützt.
Die Republikaner werden aggressiv vorgehen
Die Republikaner wiederum, die fast geschlossen hinter ihrem Präsidenten stehen, werden versuchen, die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu erschüttern und den Prozess als rein parteipolitisch motiviert darzustellen.
Sie werden versuchen, von den eigentlichen Vorwürfen abzulenken und Zweifel an der Unschuld des ehemaligen Vizepräsidenten und heutigen Präsidentschaftsbewerbers Joe Biden zu wecken. Sie werden das lautstark und aggressiv tun, darauf weist schon die Berufung des Abgeordneten Jim Jordan in den in der Impeachment-Frage federführenden Geheimdienstausschuss hin. Jordan, in seiner College-Zeit ein erfolgreicher Ringer, hat sich einen zweifelhaften Ruf als konservativer Einpeitscher erarbeitet.
Ein historisches Spektakel
Die Amerikaner erwartet ein historisches Spektakel. Trump ist erst der vierte Präsident der US-Geschichte, gegen den eine formelle Amtsenthebungsuntersuchung geführt wird. Beschließt das demokratisch geführte Repräsentantenhaus ein Impeachment, müsste darüber als nächstes der Senat entscheiden, in dem die Republikaner eine Mehrheit haben. Noch nie ist ein US-Präsident auf diesem Weg seines Amtes enthoben worden.
Dass es dieses Mal so kommt, ist Stand jetzt eher ausgeschlossen.
Aber im November 2020 wird das nächste Mal gewählt. Daher setzen die Demokraten auf die öffentliche Meinung. Diese Strategie ist allerdings nicht ohne Risiken. Die amerikanische Gesellschaft ist tief gespalten – in Trump-Befürworter und Trump-Gegner. Das Misstrauen auf beiden Seiten ist enorm, verstärkend kommt hinzu, dass beide Lager zunehmend unterschiedliche Medien konsumieren und damit unterschiedliche „Wahrheiten“ vermittelt bekommen. Dass sich die überzeugten Unterstützer des Präsidenten von den Argumenten seiner Kritiker überzeugen lassen, ist unwahrscheinlich.
Dagegen besteht die Gefahr, dass nicht parteigebundene Wähler von dem Spektakel in Washington abgeschreckt werden. Dass sie am Ende der Opposition vorwerfen werden, die Regierung davon abgehalten zu haben, sich um die wahren Probleme der Menschen im Land zu kümmern. Denn davon gibt es mehr als genug.