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Gedenken. Protest mit einem Bild des getöteten Journalisten Javier Valdez. 
© Henry Romero/Reuters

Kriminalität in Mexiko: Friedhof für Journalisten

Wer in Mexiko als Journalist arbeitet und über Drogenkartelle recherchiert, lebt gefährlich. Nur in Syrien und Afghanistan werden mehr Medienschaffende getötet.

Es war 19 Uhr, als die Mörder das Feuer auf das Auto eröffneten, in dem Jonathan Rodriguez und seine Mutter Sonia Cordova am Montag unterwegs waren. Der 26-jährige Reporter aus dem Bundesstaat Jalisco starb sofort. Seine Mutter, Vizechefin der Zeitung „El Costeno de Autlan“, wurde schwer verletzt in eine Klinik eingeliefert.

Rodriguez hatte Morddrohungen erhalten, zweimal war er schon entführt worden. Sieben Stunden zuvor starb Javier Valdez im nordmexikanischen Culiacan, vor dem Redaktionsgebäude der Zeitschrift „Riodoce“, wo der 50-Jährige auf Drogenkriminalität spezialisierte Autor arbeitete.

Zwei Journalistenmorde an einem Tag, sieben seit Anfang des Jahres, 18 in den vergangenen zwei Jahren: Mexiko ist ein lebensgefährliches Pflaster für Medienschaffende. Nur in Kriegsgebieten wie Afghanistan und Syrien werden mehr Journalisten ermordet als in dem OECD-Mitgliedsland, stellt die Organisation Reporter ohne Grenzen fest. „Journalist in Mexiko ist eher ein Todesurteil als ein Beruf“, sagt die Vertreterin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Mexiko, Tania Reneaum.

Präsident bekennt sich zur Pressefreiheit

Besonders der Tod von Valdez, der auch für die Nachrichtenagentur AFP arbeitete, zahlreiche Preise gewonnen und Bücher verfasst hatte, löste Empörung aus. Die Nationale Menschenrechtskommission, die EU und Journalistenorganisationen wie „Artikel 19“ verurteilten die Tat und forderten die Behörden auf, den Fall zügig aufzuklären. Sogar Präsident Enrique Pena, der das Thema sonst gerne unter den Teppich kehrt, verfasste drei Twitter-Nachrichten, prangerte die Tat an und bekannte sich zur Pressefreiheit.

Staatsanwalt Juan Jose Rios sagte in einem Interview, er verfolge zwei Hypothesen: Zum einen, dass der Mord mit Valdez journalistischer Arbeit in Zusammenhang stehe – oder dass man sein Auto stehlen wollte. Für die Kollegen von „Riodoce“ klingt die zweite Version wie Hohn: „Sie taten so, als wollten sie Valdez’ Auto stehlen, aber zwölf zielgerichtete Schüsse aus zwei Waffen lassen keinen Zweifel, dass er das Ziel war. Die Ermittlungsbehörden bemühen als Erklärungsmuster für Journalistenmorde gern Alltagskriminalität wie Raub.

Schon bei der Ermordung der Journalistin Regina Martinez im Jahr 2012 in Veracruz hatten die Ermittler verbreitet, sie habe sich mit drogenabhängigen Obdachlosen eingelassen. Ganz ähnlich lautete die Hypothese bei der Ermordung des Fotojournalisten Ruben Espinosa 2015 in Mexiko-Stadt, der zusammen mit vier Bekannten in deren Wohnung ermordet wurde – angeblich, weil eine der Anwesenden mit Drogen dealte und dem Kartell Geld schuldete. Espinosa war nach Morddrohungen aus Veracruz geflohen.

Auf der schwarzen Liste

„In Culiacan Journalismus zu machen, ist ein Balanceakt auf einer dünnen, unsichtbaren Linie, die von denjenigen definiert wird, die im Drogengeschäft sind oder die Kartelle politisch schützen“, sagte Valdez, als er 2011 den Preis der Pressefreiheit des Komitees zum Schutz der Journalisten (CPJ) erhielt. „Als Journalist steht man auf einer schwarzen Liste. Und wenn sie den Daumen senken, bringen sie dich um, selbst wenn du ein gepanzertes Auto und Bodyguards hast.“

Praktisch keiner der Morde werde aufgeklärt und geahndet, beklagt CPJ in einem kürzlich veröffentlichten Bericht. „Journalisten sind gefangen im Spinnennetz aus Korruption und Straffreiheit, aus korrupten Regierungsfunktionären und ihren Alliierten im Organisierten Verbrechen, denn beide haben kein Interesse an der Wahrheit“, schrieb die Chefin des Magazins „Zeta“, Adela Navarro, im Vorwort zu dem Bericht.

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