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Bundesfamilienministerin Lambrecht lehnt Gendersternchen in offiziellen Behördenschreiben ab.
© Bernd von Jutrczenka/dpa
Update

Schreiben zu Sprache in offizieller Kommunikation: Frauenministerin Lambrecht will keine Gendersternchen in Ministerien

Geschlechtergerecht, aber ohne Sonderzeichen: Die Frauenministerin wirbt für eine pragmatische Wortwahl. Eine Linguistin stimmt zu.

Kürzlich brachte ein rein im Femininum gehaltener Gesetzentwurf aus ihrem Haus halb Deutschland auf. Jetzt scheint Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, die seit dem Rücktritt von Franziska Giffey auch das Frauenministerium führt, einen großen Schritt zurück zu tun.

Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ zufolge hat die SPD-Politikerin die obersten Bundesbehörden aufgefordert, weibliche Formen jedenfalls nicht über Gendersternchen oder großes Binnen-I in amtliche Schreiben oder Dokumenten durchzusetzen. Solche „Sonderzeichen als Wortbestandteile in der offiziellen Kommunikation“ seien „nicht zu verwenden”, zitiert die Zeitung aus einem Schreiben des Ministeriums an die anderen Ministerien, das Kanzleramt und alle obersten Bundesbehörden.

Das Maskulinum für alle will Lambrecht ebenfalls nicht

Verschwinden sollen demnach auch der Doppelpunkt in Worten wie „Minister:innen“, oder der Unterstrich an derselben Stelle. Die Ministerin bezieht sich in ihrem Schreiben auf den Deutschen Rechtschreibrat, der erklärt hat, es sei nicht sicher, ob solche Schreibweisen „allgemein verständlich sind“.

In einer Stellungnahme vom März dieses Jahres empfiehlt der Rat zwar, dass „allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen“. Dies sei aber „eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann“.

Die Zeichen, die das lange übliche generische Maskulinum – also die männliche Form als allgemeingültige, in der Personen anderen Geschlechts mitgemeint sind – ersetzen sollen, könnten „zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen“ werden, hieß es. Vor vier Jahren vertagte der Rechtschreibrat, also die offizielle Institution der deutschsprachigen Länder für die gemeinsame Orthografie, das heikle Thema noch.

Auf der Linie der Fachleute im Rat argumentiert auch die Ministerin. Sie empfiehlt ausdrücklich, das generische Maskulinum zu vermeiden, wo dies möglich ist, also von Kunden und Kundinnen zu sprechen, wenn beide Geschlechter gemeint sind.

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Vor einem Jahr hatte Lambrecht ihren Kollegen im Innenressort von Horst Seehofer (CSU) mit einem Entwurf zum „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz“ aufgebracht, das Unternehmenspleiten und den Schutz von Gläubiger:innen regelt. Alle vor allem juristischen Personen waren darin weiblich, es war von „Anteilsinhaberinnen“ und „Gläubigerinnen“ die Rede.

Germanistin: Es gibt viele Methoden, nicht nur das Sternchen

Seehofer urteilte, der Gesetzesentwurf sei „höchstwahrscheinlich verfassungswidrig“, Unionsfraktionsvize Thorsten Frei bemühte ein Wort aus dem Vokabular der politischen Rechten und sprach von „Genderwahnsinn“. Versuche, das „Deutsche als Männersprache“ zu reformieren – so der Titel eines grundlegenden Buchs der Linguistin Luise F. Pusch von 1984 – gibt es schon lange. Seit geschlechtergerechte Sprache auch in Behörden benutzt wird, ist der Streit darum heftiger geworden.

Die Freiburger Professorin für germanistische Linguistik und Fachfrau auf dem Gebiet der geschlechtergerechten Sprache Helga Kotthoff begrüßte auf Anfrage des Tagesspiegels Lambrechts pragmatischen Zugang. Immer neue Vorschläge zur Rechtschreibung überforderten viele. Dass Lambrecht zum Beispiel auf Neutralformen setze wie „Teilnahmeliste“ oder „Pflegekraft“, sei „im Prinzip richtig“.

Vor allem mit Blick auf die Schule "müssen geschlechtersensible Schreibungen im Rahmen von Machbarkeit bleiben", meint Kotthoff. Es werde zunehmend schwierig, Jugendlichen Rechtschreibung beizubringen.

.„Wir dürfen geschlechtersensible Schreibung nicht mit dem Sternchen gleichsetzen. Es gibt tatsächlich eine Vielfalt an Methoden.“

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