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Französische Feuerwehrmänner demonstrieren in Paris.
© Bertrand Guay/AFP

Urlaub zwischen Demonstranten: Frankreich ist, wenn gestreikt wird

Der Arbeitskampf in Frankreich wird von Touristen belächelt. Dabei verrät er mehr über das Land, als es die Mona Lisa je könnte. Eine Kolumne.

Aus dem Französischen übersetzt von Odile Kennel.

Wäre Greta Thunberg auf dem Heimweg von Spanien nach Schweden über Frankreich gefahren, hätte sie sich nicht in einem ICE inmitten ihrer Koffer auf den Boden setzen müssen. Sie hätte sich nicht kurz vor Weihnachten von der Deutschen Bahn auf ihren (Sitz-)Platz verweisen lassen müssen. In Frankreich hätte sich Greta Thunberg andere, auf ihre Art dramatischere Kulissen für ein Foto aussuchen können: entweder allein auf einem menschenleeren Bahnsteig oder inmitten einer Menschenmenge, die eine Metrostation stürmt, oder auch im Zickzack auf dem Fahrrad unterwegs durch die vom Stau komplett verstopften Straßen von Paris. Und niemand, weder die SNCF (Züge) noch die RATP (Metro), hätte die Chuzpe besessen, den Ruf der Madonna für den Kampf gegen den Klimawandel anzukratzen.

Frankreich streikt und streikt auch während der Feiertage. Dieses Mal gibt es keine „trêve des confiseurs“, also keine „Süßigkeitenherstellerpause“, keine Waffenruhe am Jahresende, in der Parlamentarier und Streikende ihren Zwist vorrübergehend beilegen, um dem Weihnachtsgeschäft nicht zu schaden. Dieses Jahr gibt es keine Züge (außer für die, die bereits im Besitz eines Tickets sind, zumindest verspricht das die SNCF), keine Metros, keine Busse – für die Benutzer des öffentlichen Verkehrs nervenaufreibend, für den Handel eine Katastrophe.

Ich schlage vor, französische Streiks in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufzunehmen. Der Streik ist in meinem Land eine Institution, die von Ausländern belächelt wird (sofern sie nicht davon betroffen sind) – oder der sie ratlos gegenüberstehen. Die Geschichte des Arbeitskampfes hat eine lange Tradition. Während die Deutschen ein System von Konflikteindämmung und Verhandlungen entwickelt haben, haben die Franzosen schon immer den offenen Kampf und seine oft brutale Repression vorgezogen. In unserem stark zentralisierten Land spielt der Staat, der die Sozialgesetze erlässt, eine Schlüsselrolle. Ist man unzufrieden, braucht man nicht lange zu suchen: Man wendet sich gegen die politische Macht.

Eine zutiefst französische Erfahrung

In dem kleinen Flugzeug, das mich vergangenen Dienstag (der Tag des Generalstreiks gegen die Rentenreform in Frankreich) von Detroit nach Indianapolis brachte (Air France hatte mir im letzten Augenblick geraten, meinen Flug über Amsterdam und Detroit umzubuchen, also den Flughafen Charles de Gaulle großräumig zu meiden), erzählte mir eine ebenfalls gestrandete Amerikanerin, wie frustriert sie sei. Eine Woche Ferien in Paris, und sie hatte wegen des Streiks weder den Louvre von innen gesehen, noch war sie auf den Eiffelturm geklettert.

Aber vor allem, und das bedauerte sie am allermeisten, hatte sie nicht nach Marne-la-Vallée fahren und einen Tag in Disneyland verbringen können. Stattdessen hatte sie Demonstrationszüge in den Straßen beobachtet, Banner, Bereitschaftspolizei und sogar einige Bataillone der Gelbwesten. So habe sie von Frankreich gar nichts mitbekommen, befand sie.

Aber ist so ein alles lahmlegender Streik nicht auch eine zutiefst französische Erfahrung? Das jedenfalls versuchte ich meiner fassungslosen Sitznachbarin zu erklären. All diese rebellischen Gallier hatten ihr mehr über die Seele meines Landes verraten, als es die Mona Lisa könnte, und erst recht Mickey Mouse in Marne-la-Vallée. Joyeux Noël!

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