Asylpolitik: Flüchtlinge können leichter Praktika aufnehmen
Die Bundesregierung erleichtert jungen Asylbewerbern und Geduldeten die Aufnahme von Praktika. Zudem ist die erste Online-Jobbörse für Flüchtlinge gestartet.
Die Bundesregierung will jungen Flüchtlingen den Zugang zu Berufspraktika erleichtern. Am Mittwoch stimmte das Kabinett einer entsprechenden Neuregelung von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zu. Dabei ging es um eine Änderung der Beschäftigungsordnung, mit dem Ziel, "junge Asylsuchende und Geduldete bei der beruflichen Orientierung und der späteren Aufnahme einer Ausbildung zu unterstützen".
Asylbewerber und Geduldete konnten bisher schon Praktika absolvieren. Allerdings prüfte die Bundesagentur für Arbeit in den ersten 15 Monaten zunächst, ob niemand aus Deutschland oder einem EU-Land den Platz haben wollte. Diese Vorrangprüfung für Praktika entfällt künftig.
Die Erleichterung gilt für Pflichtpraktika, Orientierungspraktika, die oft eine Voraussetzung dafür sind, ein Studium oder eine Ausbildung zu beginnen, für ausbildungs- oder studienbegleitende Praktika mit einer Dauer von jeweils bis zu drei Monaten. Außerdem wird die Teilnahme an einer Einstiegsqualifizierung oder Berufsausbildungsvorbereitung erleichtert. Keines der Praktika unterliegt dem Mindestlohn.
Nahles: Ein kleiner, aber wichtiger Schritt
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erklärte, es sei "humanitäre Pflicht" und gemeinsames Interesse, den Flüchtlingen Anschluss an die Gesellschaft zu ermöglichen. "Arbeit ist dabei einer der zentralen Schlüssel, und deshalb gibt es auch und gerade in der Arbeitsmarktpolitik dringenden Handlungsbedarf." Für Flüchtlinge gibt es nur eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten. Seit vergangenem Jahr wird allerdings versucht, ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Ein Grund ist der Fachkräftemangel.
Die Maßnahme sei ein kleiner, aber wichtiger Schritt, sagte Nahles. Praktika seien oft der Einstieg in eine Berufsausbildung oder einen Job. Folgen soll: Ein schnellerer Zugang zu Berufsausbildungsbeihilfe und Assistierter Ausbildung für Geduldete. Die Öffnung ausbildungsbegleitender Hilfen für Geduldete, um Ausbildungsabbrüche zu verhindern. Jugendliche Flüchtlinge sollen ein Aufenthaltsrecht für die Dauer ihrer Ausbildung erhalten. Mehr Mittel für die aktive Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen sind angekündigt. Und eine gesonderte Förderung berufsbezogener Deutschkurse.
Bemühungen ja, aber Probleme bleiben
Kommunen und Arbeitgeber fordern schon länger, dass Flüchtlingen der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert wird. In den vergangenen Jahren sind zwar einige der Hürden gefallen, die Flüchtlinge jahrzehntelang vom Arbeitsmarkt aussperren sollten, doch große Probleme bleiben. Im vorigen Jahr war zum Beispiel die Wartezeit für den Zugang zum Arbeitsmarkt von neun Monaten für Asylbewerber und einem Jahr für geduldete Flüchtlinge auf drei Monate verkürzt worden. Im Gegensatz zu Praktika gilt die Vorrangprüfung bei Jobs aber weiterhin für 15 Monate.
Mehrheit der Asylbewerber unter 25 Jahre alt
Asylsuchende sind im Schnitt deutlich jünger als die Bevölkerung mit deutscher Staatsangehörigkeit. Mehr als die Hälfte der Antragsteller ist unter 25 Jahre alt, in der deutschen Bevölkerung beträgt dieser Altersanteil nur knapp ein Viertel. Das geht aus einer Untersuchung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration hervor.
Demnach liegt der Anteil der unter 25-jährigen Asylbewerber konstant bei etwa 60 Prozent. In absoluten Zahlen stieg die Zahl von 2005 bis 2014 von 27.301 auf 115.900. Auch die Zahl der Kleinkinder (drei bis fünf Jahre) war mit mehr als 10.000 sehr hoch. Der Sachverständigenrat betonte vor diesem Hintergrund die Bedeutung von Bildungsmöglichkeiten und Betreuungsangeboten für junge Flüchtlinge. Der Schulbesuch sollte spätestens drei Monate nach dem Stellen des Asylantrags gewährleistet sein. Dafür brauche es mehr Lehrer mit einer Zusatzqualifikation „Deutsch als Zweitsprache“. Für die alternde Gesellschaft in Deutschland seien so viele junge Flüchtlinge eine Chance.
Erste Online-Jobbörse für Flüchtlinge
Am Montagabend ist die erste Online-Jobbörse gestartet, die sich speziell an Flüchtlinge richtet. Unter www.workeer.de können deutsche Arbeitgeber Jobs anbieten und sich die Bewerbungen von Flüchtlingen ansehen. Flüchtlinge können wiederum nach geeigneten Arbeitsstellen suchen. Die Jobbörse haben die Kommunikationsdesigner Philipp Kühn (25) und David Jacob (24) als Bachelorarbeit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin eingereicht. „Wir haben uns gefragt, was wir für Flüchtlinge machen können und sind auf diese Idee gekommen“, sagte Jacob. „Ein großes Problem für Flüchtlinge ist, dass sie den ganzen Tag rumsitzen und nichts zu tun haben."
Auf ihrer Internetseite haben die beiden Studenten außerdem Gründe aufgelistet, warum Arbeitgeber Flüchtlingen einen Job geben sollten. Erstens: Geflüchtete sind motivierte und engagierte Arbeitskräfte. Zweitens: Eine gelungene Integration in den Arbeitsmarkt fördert auch die weitere erfolgreiche Integration von Menschen in Deutschland. Drittens: Geflüchtete haben oft eine besondere Lebensgeschichte und bereichern dadurch Unternehmen mit ihrem Wissen, ihren Erfahrungen und ihren unterschiedlichen kulturellen Prägungen. Viertens: Geflüchteten wird es durch einen Arbeitsplatz ermöglicht, ein eigenständiges Leben zu führen ohne von Sozialleistungen abhängig zu sein. Das hat für sie positive psychische Effekte und entlastet außerdem das deutsche Sozialsystem. Fünftens: Viele von ihnen verfügen über Ausbildungen oder Studienabschlüsse in Branchen, in denen es in Deutschland an Fachkräften mangelt.
Innerhalb eines halben Tages hätten sich sieben Bewerber registriert, die einen Job suchen - darunter ein Zahnarzt aus Syrien, der gerade als Pizzafahrer in Köln arbeitet. „Und wir haben 30 bis 40 weitere in der Warteschleife, die sich angemeldet haben, aber noch nicht frei geschaltet sind“, sagte Kühn. Zudem hätten sich fünf Arbeitgeber registriert, die verschiedene Jobs anbieten. Zum Beispiel als Florist oder Programmierer. Vorerst sei die Plattform nur auf Twitter beworben worden. Der erste Tweet sei "durch die Decke gegangen". Darüber hinaus wollen Kühn und Jacob mit Flüchtlingsinitiativen kooperieren.