Arbeit nach der Uni: Deutschland kann ausländische Studierende nicht halten
Sie sind hochqualifiziert, jung und motiviert - aber sie bleiben nach dem Studium nicht lang. Eine Studie hat ergründet, warum das so ist.
Sie sind die Lieblingsmigranten jeder Sonntagsrede: Hochqualifiziert, dazu noch Naturwissenschaftlerinnen, Technik- und Ingenieursabsolventen in den begehrten Mint-Fächern, die ihre deutschen Kommilitonen nach Meinung der Wirtschaft viel zu selten studieren. Sie sind viele – zwischen 2015 und 2020 werden schätzungsweise 240 000 ausländische Studierende in Deutschland ihren Abschluss machen – und sie würden zudem noch sehr gern bleiben, mindestens eine Zeit lang. Aber sie tun es nicht. Und das, obwohl ihnen das Ausländerrecht dazu inzwischen eine Menge Möglichkeiten gibt. Niemand wird mehr am Tag nach dem Diplom aus dem Land geworfen; 18 Monate haben junge ausländische Akademiker jetzt Zeit, sich eine Arbeit zu suchen.
Die Unis helfen zu spät
Warum dennoch nur so wenige von ihnen bleiben, hat jetzt der Forschungsbereich des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) untersucht – und dabei die Lage in Deutschland mit der in drei anderen beliebten Einwanderungsländern verglichen, mit Schweden, Kanada und den Niederlanden. Ergebnis der Studie „Zugangstor Hochschule. Internationale Studierende als Fachkräfte von morgen gewinnen“: Die jungen Hochqualifizierten brauchten viel mehr und viel früher Hilfen zum Hierbleiben. Denn neben Sprachschwierigkeiten sind es vor allem die fehlenden Netze und die geringe Vertrautheit mit dem deutschen Arbeitsmarkt, die ihnen im Wege stehen.
Hier könnte die Beratung ihrer Unis (Career Services) nützen, doch Simon Morris-Lange, Autor der Studie, sagt: „Die setzt zu spät an.“ Kanada und Schweden etwa unterstützen vom ersten Tag an ihre ausländischen Studierenden, Unis laden zu Bewerbungstrainings und Karriereberatung. In Deutschland beginne das oft erst gegen Ende des Studiums. Dahinter steht eher Systemversagen als Gleichgültigkeit – schon die Rücklaufquote der Studie, sagt Morris-Lange, zeige, dass den Unis das Thema auf den Nägeln brennt, immerhin 79 Prozent der 218 deutschen staatlichen Hochschulen antworteten dem Forscherteam. Ihnen fehlen schlicht die Mittel. „Am Service sparen deutsche Unis fleißig“, sagt Morris-Lange. „Über 50 Prozent der deutschen Career Services beraten und betreuen alle Studierenden der gesamten Hochschule mit weniger als zwei Vollzeitstellen, die zudem meist durch zeitlich befristete Projektmittel finanziert sind“, heißt es in der Studie. Betreuen die Angestellten – und das sind außerhalb deutscher Universitäten eben meist Festangestellte – in Kanada 2900 Studierende pro Stelle, so sind es in Deutschland weit mehr als doppelt so viele, nämlich 7300.
Andere Mentalität nötig - auf deutscher Seite
Abhilfe ist nach Einschätzung der SVR-Studie möglich: Neben besserer Zusammenarbeit zwischen dem Staat – hier vor allem den Heimatstädten und -gemeinden der Hochschulen –, den Unis und der Wirtschaft brauche es Geld, um dauerhafte Beratung sicherzustellen, aber auch einen Mentalitätswandel. Viele Unis sähen die Kommilitonen aus dem Ausland noch „nicht als Zielgruppe strategischer Berufseinstiegsunterstützung“. Die speziellen Hürden, die für internationale Studierende vor dem deutschen Arbeitsmarkt aufgestellt sind, müssten berücksichtigt werden.
Aber auch die Unternehmen sind noch zu wenig aktiv, ist der Studie zu entnehmen: Vor allem die kleineren planten zu sehr auf Sicht, dabei sollten sie „nach deutschen Standards ausgebildeten internationalen Absolventen ... Kernbestandteil“ ihrer Personalplanung sein.“ Dass sie dazu finanziell gar nicht in der Lage seien, lässt SVR-Geschäftsführerin Cornelia Schu nicht gelten: „Auch kleine Firmen stellen ja ohnehin Praktikumsplätze zur Verfügung.“ Sie müssten sich an der örtlichen Uni einfach nur gezielt nach ausländischen Studierenden umsehen – zum eigenen Wohl.