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Die Fahnen von Deutschland und Israel wehen im Mai 2016 in Berlin am Pariser Platz im Wind.
© Jens Kalaene/dpa

Anti-Israel-Demonstrationen in Berlin: Flagge zeigen gegen Antisemitismus

Wer sich gegen den Antisemitismus der Demonstranten wendet, zeigt damit keine Sympathie für Trumps Jerusalem-Entscheidung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Wer bei Demonstrationen den Tod von Menschen und die Ausrottung einer ganzen Ethnie fordert, kann sich nicht auf die übliche Demonstrationsfolklore herausreden – jeder wisse doch, dass bei Straßenprotesten auf der ganzen Welt übertrieben werde. Nein. Wenn vor dem Brandenburger Tor aus einer großen Menschenmenge heraus immer wieder in fanatischen Sprechchören „Tod den Juden“ skandiert wird, dann hat das mit dem Zorn über die US-amerikanische Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt des Staates Israel nichts zu tun. Dann ist das blanker Hass, als Antiisraelismus getarnter Antisemitismus, vorgetragen vorwiegenden von in Deutschland lebenden Palästinensern und Türken, wie Beobachter den Vorgang schildern.

Dass sich die arabische Welt, dass sich vor allem die in Palästina lebenden Araber um die wenn auch nur noch kleine Chance einer Zweistaatenlösung im Nahen Osten durch die Entscheidung Donald Trumps betrogen fühlen, ist nachvollziehbar. Dabei ist die Diktion des amerikanischen Präsidenten von einer Unschärfe, die mehrere Deutungen zulässt: Meinte er ganz Jerusalem, als er die Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach dort ankündigte, oder ist die Rede von West-Jerusalem, was für den Ostteil der Stadt ja immer noch die Option zuließe, eines Tages die Hauptstadt eines Staates Palästina zu sein?

Überschreitungen einer roten Linie

Aber schon dieser Deutungsversuch hieße, die Debatte am falschen Ende zu beginnen. Von 136 Staaten weltweit, die 1988 einen Staat Palästina anerkannt haben, verweigern immer noch 21 dem Staat Israel diese völkerrechtliche Bestätigung. Darunter sind, bis auf Jordanien und Ägypten, die mit Israel Frieden geschlossen haben, alle bedeutenden arabischen Nationen: Saudi-Arabien, Syrien, Libanon, Libyen, die arabischen Emirate und zudem fast alle großen muslimisch geprägten Staaten der Erde, auch der Iran. Sie alle folgen der Programmatik der radikal-palästinensischen Hamas, die den Staat Israel zerstören und auslöschen will. Wer die Losung „Tod den Juden“ vor diesem Hintergrund hört, weiß, dass alles, was da geschrien wird, ernst ist.

Deutschland als das Land, von dem der Holocaust ausging und das sich deshalb in einer besonderen historischen Verantwortung für den Staat Israel sieht und versteht, kann über diese Demonstrationen nicht kommentarlos hinweggehen. Dabei spielt die Frage der strafrechtlichen Relevanz des Verbrennens der israelischen Flagge keine Rolle, wenn sie jemand zu einer Kundgebung mitbringt. Das gilt für alle Fahnen, gleich welchen Landes. Im Falle der Fahne Israels könnte man, müsste man wohl sogar, jedoch eine Volksverhetzung sehen, weil jene, die die Fahne Israels verbrennen und dabei „Tod den Juden“ rufen, durch die Kombination von beidem sehr deutlich zeigen, was sie eigentlich wollen.

Und genau das ist in Deutschland absolut intolerabel. Auf solche Überschreitungen einer roten Linie muss die Politik, muss vor allem die Öffentlichkeit reagieren. Angesichts einer aggressiven Demonstration deutliche Ablehnung zu zeigen, fällt vielen schwer. Es hat viel mit Zivilcourage zu tun, und die ist hier bitter nötig. Wer sich gegen diesen Antisemitismus wehrt, zeigt damit im Übrigen ja keine Sympathie für Trumps Jerusalem-Entscheidung. Für Judenhass jedenfalls kann, darf es in Deutschland keinen Raum geben, aus keinem Anlass.

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