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Brennende Wut. Ein Polizist versucht das Feuer zu löschen, das Protestierende in einem Polizeiauto in Ferguson gelegt haben.
© dpa

Proteste gegen Polizeigewalt in den USA: Ferguson ist überall

Von Ferguson in Missouri greifen die Proteste gegen Polizeigewalt auf immer mehr Städte in den USA über – selbst Präsident Obama sieht ein „amerikanisches Problem“.

Als die neun Weißen und drei Afroamerikaner der Grand Jury in Ferguson ihre Entscheidung trafen, müssen sie gewusst haben, welchen Sturm sie in dem schwarzen Vorort von St. Louis auslösen würden. Trotzdem haben sie beschlossen, den weißen Polizisten Darren Wilson juristisch nicht für seine Schüsse auf den schwarzen Teenager Michael Brown zu belangen. Jedoch nicht nur in Ferguson, in allen großen Städten der USA protestieren jetzt Schwarze, aber auch Weiße wütend gegen den ungesühnten Tod eines unbewaffneten schwarzen Jungen.

„Das ist nicht nur einfach ein Ferguson-Problem“, hat US-Präsident Barack Obama am Dienstagabend (Ortszeit) bei einem Besuch in Chicago gesagt, „es ist ein amerikanisches Problem.“ Und Amerika erlebt jetzt einen Aufstand gegen rassistische Polizeigewalt.

Proteste auch in Barack Obamas Heimatstadt Chicago

In Chicago, Obamas Heimatstadt, blockierten 200 Leute das Büro von Bürgermeister Rahm Emanuel, einem Vertrauten des Präsidenten. Wie der Sender CNN berichtet, dauerte das Sit-in des „Black Youth Project“ 28 Stunden – weil alle 28 Stunden ein Schwarzer von einem Polizisten oder einer anderen staatlich legitimierten Person erschossen werde.

In New York City haben Tausende in der Nacht zu Mittwoch den Verkehr teilweise lahmgelegt. Auf großen schwarzen Plakaten, die die Menschen trugen, waren in weißer Schrift Namen wie „Michael Brown“ und „Oscar Grant“ geschrieben – auch Letzterer ein Schwarzer, der von weißen Polizisten erschossen wurde.

In Washington legten sich junge Leute wie tot vor das Polizeihauptquartier. Durch 170 Orte zogen die Demonstranten. Nach Boston, Minneapolis und St. Paul, nach Seattle, Oakland, Los Angeles, Denver, Dallas und Atlanta brachten sie den Sturm aus Ferguson. In Atlanta, dem Geburtsort des Bürgerrechtlers Martin Luther King, blockierten Demonstranten eine Schnellstraße. „Es ist ein Hohn“, sagte die Demonstrantin ShaCzar Brown. „Vor 70 Jahren war es erlaubt, Schwarze umzubringen“, sagte sie mit Hinweis auf Lynchmorde in den US-Südstaaten. „Im Prinzip ist es das immer noch.“

„Don’t shoot“, den Ruf, der zuerst im August vor dem Polizeirevier in Ferguson zu hören war, skandiert die neue Protestgeneration jetzt überall.

Auch in Ferguson wird weiter demonstriert

In Ferguson selbst gehen die Demonstrationen weiter. Aber nach der ersten Feuernacht ist es seitdem bis auf kleinere Zwischenfälle weitgehend friedlich geblieben. Allein die Präsenz der 2000 Leute starken Nationalgarde soll das garantieren.

Der von der Justiz entlastete Polizeibeamte Darren Wilson hat sich inzwischen selbst zu Wort gemeldet. Seine Botschaft ist klar: Zwar bedaure er den Tod des Jungen. Er würde aber wieder genauso handeln. „Mein Job ist es nicht, sitzen zu bleiben und zu warten“, antwortete er in seinem ersten Interview beim Fernsehsender ABC auf die Frage, warum er dem weglaufenden Michael Brown denn gefolgt sei. „Das ist ist meine Pflicht, das ist es, worauf wir trainiert sind.“ Nicht nur der Staatsanwalt des St. Louis County, viele Juristen stimmen dem Officer dabei entschieden zu. Wilson sei dem Protokoll korrekt gefolgt.

Umfragen zu den Ereignissen in Ferguson zeigen denn auch eine klare Spaltung zwischen Weiß und Schwarz. Eine Mehrzahl weißer Amerikaner ist der Meinung, Wilson müsse nicht belangt werden. Eine klare Mehrheit der Afroamerikaner sagt, Wilson müsse sich auf jeden Fall juristisch verantworten, sei es wegen Mordes, sei es wegen fahrlässiger Tötung. Durch den Tod Michael Browns und den Freispruch Darran Wilsons wird deshalb in den USA eigentlich nur eines wieder einmal sichtbar: die noch immer vorhandene Spaltung der Gesellschaft anhand der Hautfarbe.

Entsprechend interpretieren auch die führenden Medien die Ereignisse. „Ein Land mit einem afroamerikanischen Präsidenten und einer beträchtlichen schwarzen Mittelschicht bleibt, was das Justizsystem betrifft, genauso gespalten wie noch vor Jahrzehnten“, kommentiert die „New York Times“. „Ferguson hat das Land von der Fantasievorstellung weggezwungen, dass Amerika in eine ,post-ethnische‘ Ära eingetreten ist“, schreibt die „Washington Post“. Doch weder habe eine nationale Debatte eingesetzt noch werde das tiefgreifende Gefühl von Ungleichheit und Ungerechtigkeit thematisiert, das bei vielen Menschen im Land herrsche.

Viele Bürger habe der Beschluss von Ferguson wütend gemacht, sagte Barack Obama in Chicago. Und die Frustrationen, die jetzt sichtbar würden, hätten tiefe Wurzeln in den Gemeinden der Afroamerikaner, „die das Gefühl haben, dass das Gesetz nicht immer gerecht ausgeübt wird“. Und das rühre, sagte der Präsident weiter, „von den Realitäten, die in unserem Land schon seit langer Zeit existieren“. mit AFP/dpa

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