Krankheitsstand in Deutschland: Fehlzeiten-Rekord wegen psychischer Leiden
Depressionen und andere psychische Erkrankungen machen den Beschäftigten immer stärker zu schaffen. Niemals vorher fehlten sie deshalb so lange am Arbeitsplatz wie im vergangenen Jahr.
Niemals zuvor haben Arbeitnehmer so lange wegen psychischer Erkrankungen im Job gefehlt wie im vergangenen Jahr: Mit rund 246 Ausfalltagen je 100 Versicherte wurde 2016 in Deutschland ein neuer Höchststand erreicht.
Zahl der Fehltage wegen der Psyche in 20 Jahren mehr als verdreifacht
Das belegt eine aktuelle Analyse der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Demnach hat sich die Zahl der Fehltage aufgrund von seelischen Leiden in 20 Jahren mehr als verdreifacht. Und von der Länge der Krankschreibung her toppt diese Diagnose bei den Frauen inzwischen selbst die weit verbreiteten Rückenleiden. Es gibt hierzulande keine andere Erkrankungsart, wegen der sie ihrem Arbeitsplatz länger fernbleiben.
Insgesamt hatten psychische Erkrankungen 2016 einen Anteil von 17 Prozent am Gesamtkrankenstand. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein neuerliche Steigerung um ein Prozent. Allerdings ging der Anteil der Betroffenen leicht zurück. Will heißen: Es fehlten zwar weniger Menschen aufgrund von psychischen Erkrankungen im Job, die Betroffenen fehlten aber länger. Im Schnitt waren sie für 38 Tage krankgeschrieben, im Jahr 2015 lag der Durchschnittswert noch bei 35 Tagen.
Die meisten Fehltage entfielen auf Depressionen, gefolgt von Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen. Die Pauschladiagnose „Burnout“ ist deutlich seltener geworden.
Betroffen sind weit mehr Frauen als Männer
Betroffen sind von solchen Diagnosen vor allem Frauen. Sie kamen im Vergleich zu den Männern auf rund 60 Prozent mehr Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen. Bei ihnen waren es 311 auf 100 Versicherte, beim anderen Geschlecht lediglich 191. Damit lagen seelische Leiden bei den Krankschreibungen von Frauen erstmals an vorderster Stelle. Muskel-Skelett-Erkrankungen schlugen bei ihnen nur mit 308 Fehltagen zu Buche.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betonte, dass psychische Erkrankungen von Beschäftigten nicht zunähmen, sie würden nur häufiger diagnostiziert. "Psychische Erkrankungen addieren sich nicht zum Sockel anderer Krankheitsarten hinzu", sagte ein BDA-Sprecher dem Tagesspiegel. Der Anteil der psychischen Störungen sei vielmehr "auf Kosten anderer Diagnosen überproportional gewachsen". Im übrigen seien Belastungen aus der Arbeitswelt "niemals alleinige Ursache für eine psychische Störung".
Drei Krankheitsarten verursachen mehr als die Hälfte aller Ausfallzeiten
In der Gesamtschau waren mehr als die Hälfte aller Fehltage auf gerade mal drei Krankheitsarten zurückführen: An erster Stelle standen Rückenleiden und andere Muskel-Skelett-Erkrankungen. Sie verursachten 22 Prozent aller Absenzen – bei Männern mit 329 Fehltagen je 100 Versicherte immer noch die Diagnose mit den längsten Fehlzeiten. Psychische Erkrankungen verursachten 17 Prozent der Ausfalltage.
15 Prozent der Fehlzeiten waren auf Erkältungen und andere Krankheiten des Atmungssystems zurückzuführen. Hier gab es im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um fast zwei Prozentpunkte. Die Ausfalltage sanken sogar um 15 Prozent.
Insgesamt ist der Krankenstand gesunken
Auch insgesamt fehlten Deutschlands Arbeitnehmer im vergangenen Jahr seltener am Arbeitsplatz. Der Gesamtkrankenstand sank von 4,1 auf 3,9 Prozent. Und der Anteil der Beschäftigten mit mindestens einer Krankmeldung war mit 45 Prozent so niedrig wie zuletzt vor zehn Jahren. Allerdings waren die Betroffenen 0,8 Tage länger krankgeschrieben als im Vorjahreszeitraum. Allerdings waren die Betroffenen 0,8 Tage länger krankgeschrieben als im Vorjahreszeitraum. Im Schnitt dauerte eine Krankschreibung 12,9 Tage.
Regional besehen war der Krankenstand in den östlichen Bundesländern wie schon im Vorjahr deutlich höher als im Westen. Er lag bei 4,9 Prozent, in den alten Ländern betrug er nur 3,8 Prozent. Insgesamt kamen die Arbeitnehmer im Osten auf 28 Prozent mehr Ausfalltage.
Für die Krankenstands-Analyse hat das Berliner Iges-Institut die Daten von 2,6 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten ausgewertet.