Jamaika-Treffen: FDP und Grüne entdecken Gemeinsamkeiten
Jamaika ausloten, Tag zwei: FDP und Grüne lassen bei Blumenkohlsuppe und Streuselkuchen die Verletzungen der Vergangenheit beiseite. Nebenbei rumort es ordentlich - vor allem im konservativen Lager.
Nach einem recht harmonischen Beginn der Jamaika-Gespräche provoziert FDP-Chef Christian Lindner die Union mit Äußerungen zur Zukunft von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Vorsitzende habe nach der Bundestagswahl „einen deutlich spürbaren Autoritätsverlust“ erlitten, sagte Lindner dem Magazin „Stern“. „Ich erwarte, dass in der CDU in den nächsten vier Jahren eine Debatte über die Nachfolge von Angela Merkel eröffnet wird.“ Ob die CDU-Chefin die volle Distanz von vier weiteren Jahren im Kanzleramt bleiben werde, sei „schwer zu sagen“.
Ob Union, FDP und Grüne zu einer Koalition zusammenfinden, sei „völlig offen“, sagte Lindner am Donnerstag in Berlin. Einen Tag nach ersten, separaten Gesprächen der Union mit FDP und den Grünen saßen erstmals Grüne und Freidemokraten offiziell zusammen, um über ein Jamaika-Bündnis zu reden. Im Anschluss betonte der Parteimanager der Grünen, Michael Kellner, ein gemeinsames Interesse der beiden Parteien: „Dass wir nicht einfach den ausgetretenen Pfaden der Union folgen wollen.“
Am Freitag wollen sich alle erstmals in großer Runde treffen. Kommende Woche wollen sich die Parteien am Dienstagabend nach der ersten Sitzung des neuen Bundestags treffen, wie aus Verhandlungskreisen bekannt wurde. Am Donnerstag kommender Woche und am Montag drauf sind demnach ganztägige Gespräche geplant.
Konzentrierte und respektvolle Atmosphäre
FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte vor dem Treffen mit dem Grünen, jetzt gehe es darum, die Stimmung aufzuhellen. „Denn gerade zwischen Grünen und uns war es ja in der Vergangenheit nicht besonders herzlich.“ Ziel sei aber nicht, die Vergangenheit aufzuarbeiten. „Ich glaube nicht, dass es jetzt um Verletzungen geht“, sagte auch Grünen-Chef Cem Özdemir. Die beiden Parteien haben sich in der Vergangenheit oft heftig angegriffen, auch im Wahlkampf vor dieser Bundestagswahl.
Kellner und FDP-Generalsekretärin Nicola Beer berichteten nach dem gut dreistündigen Treffen, es sei in konzentrierter und respektvoller Atmosphäre auch schon um Inhalte gegangen. Gemeinsamkeiten haben Liberale und Grüne etwa bei Bürgerrechten und Digitalisierung, Probleme unter anderem bei der Energiepolitik und Europa. Zu Details der Gespräche sagten die beiden aber nichts.
Nicht nur bei Lindner, auch der Union ist Merkels Zukunft seit der Bundestagswahl ein Thema. „Die Menschen haben ein Rieseninteresse, dass Angela Merkel das Land weitere vier Jahre erfolgreich führt“, sagte der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) dem „Focus“. Sie wollen aber auch Perspektiven sehen, wie es danach weitergehe. „Unser mäßiges Wahlergebnis bei der Bundestagswahl legt uns ans Herz, personell eine Erneuerung anzugehen“, sagte er.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber rief seine Partei dagegen zur Geschlossenheit auf und verteidigte sich gegen Kritik, er wolle die Ergebnisse der Bundestagswahl schönreden. „Ich stelle mich auch meinem Teil der Verantwortung“, versicherte er. „Aber ich habe auch jetzt eine Aufgabe als Generalsekretär. Dazu gehört, die Partei zusammenzuhalten.“
"Ein langer Weg und das Ergebnis ist noch völlig offen"
Die 63-jährige Merkel regiert seit zwölf Jahren. Bei der Bundestagswahl war die von ihr geführte CDU zusammen mit der CSU auf das schwächste Unionsergebnis seit der ersten Bundestagswahl 1949 abgestürzt, war aber trotzdem stärkste Kraft geworden. Da die SPD nach ihrer historischen Wahlniederlage in die Opposition will, spricht die Union nun mit FDP und Grünen über ein Regierungsbündnis.
Eine solche Jamaika-Koalition liegt etwa für den Chef der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, noch in weiter Ferne. „Die Suche nach Gemeinsamkeiten wird ein langer Weg und das Ergebnis ist noch völlig offen“, sagte Kreuzer, der zum Sondierungsteam der Christsozialen gehört, der Deutschen Presse-Agentur. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) äußerte sich verhalten optimistisch. „Mein Eindruck ist, dass alle Beteiligten den Erfolg dieses Experiments wollen“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Es sei aber auch klar geworden, dass es für Union, FDP und Grüne schwierig werde, zusammenzukommen.
Deutlichere Töne schlug Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) an. „Ich befürchte, dass Jamaika aus Sicht der inneren Sicherheit nicht gut wäre“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. So sei etwa die FDP gegen mehr Videoüberwachung und eine Vorratsdatenspeicherung, die im Anti-Terror-Kampf gebraucht werde. Und in der Asyl- und Ausländerpolitik müsse die Union gegenüber den beiden kleineren Parteien darauf beharren, den Familiennachzug von Flüchtlingen zu begrenzen und die nordafrikanischen Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. (dpa)