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FDP-Chef Philipp Rösler sorgt mit seinen Einlassungen zu einer möglichen Insolvenz Griechenlands für Ärger in der Koalition.
© dpa

Koalitionskrach: FDP rebelliert gegen Merkel

Die FDP setzt jetzt alles auf eine Karte. Und die heißt: Populismus. Fünf Tage vor der Wahl in Berlin versuchen sich die Liberalen von Merkel abzusetzen. In der Union löst das große Sorge aus - und großen Ärger.

In Berlin kämpfen die Liberalen ums Überleben, aber am Abschneiden in Berlin hängt auch die weitere Stimmungslage in der Partei. Spitzenkandidat Christoph Meyer sagt: "Die Berliner FDP begrüßt und unterstützt die deutliche Position der FDP-Bundesspitze zur europäischen Verschuldungskrise und die Auffassung des Bundesvorsitzenden Philipp Rösler. Die Folgen von jahrelanger Misswirtschaft in einigen europäischen Ländern müssen ohne Kanzlerinmaulkorb offen diskutiert werden."

Und Meyer greift die Politik der Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers weiter an: "Angela Merkel und Wolfgang Schäuble haben es als Ressortverantwortliche in den letzten 18 Monaten nicht vermocht, eine klare Strategie und Grenzlinie zur Bewältigung der europäischen Verschuldungskrise zu finden – geschweige denn, es der Koalition oder der Bevölkerung zu erklären."

Es ist der verzweifelte Versuch, mit einer harten Haltung Ressentiments, die es in der Bevölkerung gegen die Hilfen für Griechenland gibt, noch kurz vor der Berlin-Wahl am 18. September zu bedienen. Viel brauchen die Liberalen ja nicht. Es langt, ein bis zwei Prozentpunkte durch die rauen Töne hinzuzugewinnen, um wieder ins Abgeordnetenhaus einzuziehen.

Aber die Probleme sind ungleich größer. Denn es riecht nach einer konzertierten Aktion, bei der die Liberalen allesamt zum Siegen verdammt sind. Meyer sowieso, aber auch Parteichef Philipp Rösler und Generalsekretär Christian Lindner. Erst hat Rösler von der Insolvenz Griechenlands gesprochen, dann hat Lindner ihn darin bestärkt und der „Financial Times Deutschland“ gesagt, dass die Menschen in Deutschland, die Finanzmärkte und die Griechen langfristig Klarheit bräuchten. „Das geht nicht dadurch, dass man ein Schweigegelübde ablegt“, sagte Lindner dem Blatt. Außerdem wollen die Euro-Skeptiker in der FDP per Mitgliederentscheid die Einführung des permanenten europäischen Rettungsschirms ESM ab Mitte 2013 verhindern. Sie können mit der für einen Entscheid erforderlichen Mehrheit rechnen.

Scheitert aber die Insolvenz-Kampagne der Parteiführung, ist ihre Autorität schwer angekratzt. Lachender Dritter könnte Rainer Brüderle sein. Der FDP-Fraktionschef hält sich vornehm zurück, fällt den Jungen aber auch nicht in den Rücken.

Doch die Lage ist noch komplexer und die FDP dabei sogar die kleinste Münze. Denn vor allem auf die Union wirkt sich das Verhalten der FDP aus.

Was führende Unionspolitiker vom Kurs der FDP halten, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

In zwei Richtungen wirken sich die anti-europäischen Tendenzen der Liberalen aus. Sie befeuern beispielsweise jene in der Union, die die Milliarden-Hilfen für Griechenland genauso skeptisch sehen. Karl-Georg Wellmann, Berliner CDU-Bundestagsabgeordneter, ist so einer. Er stemmt sich gegen den Euro-Kurs seiner Kanzlerin und hat offen sein Nein zum neuen EFSF angekündigt. Am 29. September wird im Deutschen Bundestag darüber abgestimmt, und die Kanzlerin muss um ihre Mehrheit bangen.

Wellmann sagt: "Es ist interessant, was Rösler sagt. Ich halte es zwar nicht für sonderlich klug, dass der Wirtschaftsminister als Mitglied der Bundesregierung öffentlich von einer griechischen Insolvenz spricht. Aber es ist absolut notwendig darüber nachzudenken, wie ein Plan B aussehen kann." Er gehe davon aus, dass sich "nun auch die Kritiker des Griechenland-Kurses in der Unionsfraktion bestärkt sehen. Denn wenn schon der Wirtschaftsminister, die CSU und auch der Bundesbank-Präsident Zweifel äußern am derzeitigen Kurs, dann kann die eigene Skepsis nicht falsch sein." Und tatsächlich trägt man auch bei der CSU das Wort "Insolvenz" und "Euro-Austritt Griechenlands" immer leichter auf der Zunge. Neuester Christsozialer ist Verkehrsminister Peter Ramsauer, der der "Zeit" gesagt hat: Ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro sei „kein Weltuntergang“. Dies ist seit Montag auch offizielle Position der CSU-Spitze.

Wellmann rät zwar davon ab, "jetzt den Stammtisch zu befragen". Auch liege der Verdacht nahe, dass sich die FDP jetzt als harte Skeptiker des Euro-Rettungskurses präsentieren wolle, "um in Berlin noch die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken." An seiner Position aber hält Wellmann fest. "Es zeichnet sich ganz klar ab, dass Griechenland nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft aus der Krise herauszukommen. Das Land muss raus aus dem Euro, eine eigene Währung einführen und diese dann abwerten. Nur so kann Griechenland die Wirtschaft wieder ankurbeln, Investitionen generieren und wettbewerbsfähig werden. Die Türkei hat vor zehn Jahren gezeigt, wie das gehen kann." Das bedeute nicht, dass Griechenland aus der EU austreten müsse. Im Gegenteil. Das Land könne über Fonds-Lösungen Hilfe von der EU bekommen, aber "heute ist der Euro eine Belastung für die Griechen." Das Verhalten der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zeige, dass "eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands nicht ausgeschlossen ist und die Bundesregierung muss darlegen, wie sie mit einem solchen Fall umgehen will."

Durch das Aufbegehren der Liberalen läuft die Fraktionsführung der CDU damit Gefahr, dass die mühsam eingesammelten Kritiker jetzt wieder mit neuem Mut loslaufen. Deshalb beobachtet man dort das Verhalten des Koalitionspartners auch mit großer Sorge - und Verärgerung. "Es wäre dem Ernst der Lage absolut unangemessen, wenn die FDP die Berlin-Wahl zum Test machen wollte, ob sie mit populistischem Gerede überlebensfähig ist", heißt es in der Fraktionsführung. Die Erwartung ist, dass die Liberalen ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden. "Solange der Bericht der Troika zu Griechenland nicht vorliegt, darf die angespannte Lage an den Finanzmärkten und in Griechenland nicht weiter verbal verschärft werden", heißt es bei der Fraktionsführung. Die „Neue Westfälische“ aus Bielefeld berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, dass in der CDU sogar schon über eine Neuauflage der großen Koalition konkret nachgedacht werde. Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt wies solche Spekulationen zurück. „Ich habe dafür keine Anzeichen“, sagte sie in Fürstenfeldbruck. Sie sehe keine Gefahr für die jetzige Koalition.

Aber der Unmut in der Union ist groß. Die Unsicherheit über den Koalitionspartner auch. "Es ist offensichtlich, dass es in der FDP gewisse anti-europäische Tendenzen gibt. Sollte sich das fortsetzen, muss die CDU Konsequenzen ziehen und sich davon deutlich abgrenzen", fordert der Vorsitzende der CDU Baden-Württemberg, Thomas Strobl. Die CDU habe einen ganz klaren pro-europäischen Kurs, "der eher mehr Europa beinhaltet als weniger Europa, und den müssen wir ohne Rücksicht auf die Debatte in der FDP verfolgen", sagt Strobl. Der Kurs der FDP sei für das Erscheinungsbild der schwarz-gelben Bundesregierung "natürlich verheerend". Es gebe Liberale, "die eine anti-europäische Politik verfolgen, und das würde Deutschland, aber auch die FDP, ins ökonomische und politische Verderben führen." Strobl appelliert an die europäische Verantwortung. "Europa steckt in einer schwierigen Situation und da kommt es auf Deutschland jetzt in ganz besonderem Maße an. Dieser Verantwortung muss man gerecht werden, wenn man ein Regierungsamt inne hat."

Wie die Opposition reagiert, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Angesichts des kritischen Kurses bei der Rettung Griechenlands hält die SPD die FDP "reif für eine geordnete politische Insolvenz". "Jeder kann sehen, wie sich die FDP mit einem europopulistischen Kurs auf den Ausstieg aus der Koalition und Neuwahlen vorbereitet", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, am Mittwoch in Berlin. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, sieht in dem von FDP-Mitgliedern angestrebten Mitgliederentscheid gegen einen permanenten Euro-Rettungsschirm eine Abstimmung über das Ende der Koalition. Trittin forderte in der „Passauer Neuen Presse“ zugleich die Kanzlerin auf, Rösler zu entlassen. „Wenn die Kanzlerin ihre Dissidenten nicht auf Kurs bringt, muss sie Neuwahlen anstreben“, sagte der Grünen-Politiker.

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