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Bei Frankreichs Präsidentschaftswahl 2022 wird ein erneutes Duell zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen, hier beide bei der Wahl 2017, wahrscheinlicher.
© Eric FEFERBERG und ALAIN JOCARD/AFP

Macron oder Le Pen? Das wird 2022 erneut die Frage: Favoriten stürzen bei Frankreichs Konservativen

Drei Folgen der Urwahl bei „Les Républicains“: Barnier und Bertrand sind raus. Illegale Migration wird Topthema. Und Macron darf auf eine neue Amtszeit hoffen.

Faustdicke Überraschung im französischen Präsidentschaftswahlkampf, aus deutscher wie aus französischer Perspektive. In der internen Vorauswahl der konservativen Partei „Les Républicains“ ist Michel Barnier, auf den sich hierzulande manche Hoffnungen richteten, ausgeschieden. Ein entscheidendes Thema im Wahlkampf war die Abwehr illegaler Migration.

Das gleiche Schicksal erlitt Xavier Bertrand, Präsident der Regionalverwaltung von Hauts-de-France. In Frankreich galt der 56-jährige Ex-Arbeitsminister als der Favorit im bürgerlichen Lager, der eine zweite Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron verhindern kann. Ihm traute man auch zu, die Chefin des rechtsextremen Rassemblement Nationale, Marine Le Pen, hinter sich zu lassen.

Barnier ist in Deutschland bekannter als Bertrand, weil er als Chefunterhändler der EU-Kommission die Brexit-Verhandlungen leitete. Zuvor war der 70-Jährige EU-Kommissar für den Binnenmarkt und französischer Außenminister.

In der ersten Runde der Urwahl bei „Les Républicains“ setzten sich jedoch die liberalkonservative Valérie Pécresse und überraschend der Abgeordnete Éric Ciotti durch. Er hatte härtere Maßnahmen gegen illegale Migranten gefordert.

Liberale Pécresse ist neue Favoritin in der Partei

Die 54-jährige Pécresse ist Präsidentin des Regionalrats von Ile de France, des Ballungsraums um die Hauptstadt Paris. Dort leben zwölf Millionen Menschen, ein Fünftel der Bevölkerung Frankreichs.

Favoritensturz bei Les Republicains: Valérie Pecresse und Éric Ciotti (rechts) gehen in die Stichwahl. Michel Barnier ist raus.
Favoritensturz bei Les Republicains: Valérie Pecresse und Éric Ciotti (rechts) gehen in die Stichwahl. Michel Barnier ist raus.
© JULIEN DE ROSA/AFP

Für den 56 Jahre alten Ciotti stimmten bei dem digitalen Votum 25,6 Prozent, für Pécresse 25 Prozent. Die Entscheidung war knapp. Barnier (24 Prozent) fehlten gut tausend Stimmen zum Erfolg, Bertrand (22,4 Prozent) rund dreitausend. 80 Prozent der 140.000 stimmberechtigten Mitglieder hatten sich an der ersten Runde beteiligt.

An diesem Sonnabend entscheidet sich in der Stichwahl, ob Ciotti oder Pécresse die Partei in die Präsidentschaftswahl führen. Dies geschieht erneut auf elektronischem Weg. Pécresse gilt als Favoritin, da Bertrand und Barnier nach ihrem Ausscheiden dazu aufriefen, Pécresse zu wählen. Auch sie hat Regierungserfahrung auf nationaler Ebene, war Finanzministerin und Ministerin für Hochschulen und Forschung.

In nationalen Umfragen konnte sich Pécresse bisher nicht hervortun. Ihr politisches Profil unterscheidet sich nicht sonderlich von dem Macrons.

Bei den Rechtsexteremen liegt Zemmour weiter hinter Le Pen

Die parteiinterne Abstimmung bei „Les Républicains“ ist eine Änderung gegenüber der Präsidentschaftswahl 2017. Damals hatten mehrere konservative Parteien eine offene Vorwahl organisiert. Teilnehmen durften alle, die sich zu Sympathisanten der Konservativen erklärten und zwei Euro bezahlten. Vier Millionen Wähler machten davon Gebrauch.
Durch die Vorentscheidung bei den Konservativen wird es nach aktuellen Umfragen nun wahrscheinlicher, dass sich bei der Präsidentschaftswahl im April 2022 die Konstellation von 2017 wiederholt: Emmanuel Macron (43 Jahre) und Marine Le Pen (53) ziehen nach der ersten Runde in die Stichwahl ein – und die gewinnt Macron.

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Offiziell hat Macron seine erneute Kandidatur noch nicht erklärt. Sie gilt aber als sicher. Vier Monate vor der Wahl führt er die Umfragen für die erste Runde mit 25 Prozent an. Es folgen Le Pen mit 19 bis 20 Prozent und an dritter Stelle ihr rechtsextremer Konkurrent Éric Zemmour mit 14 bis 15 Prozent, sein Rückstand war zuletzt stabil. An vierter Stelle lag bisher Xavier Bertrand von Les Républicains, der nun ausgeschieden ist, mit 13 Prozent. Im linken Spektrum hat Jean-Luc Mélenchon die besten Werte mit neun Prozent.

Die Linke schwächelt, Macrons Vorsprung vor Le Pen ist kleiner als 2017

2017 hatte Macron die erste Runde mit 24 Prozent gewonnen. Damals kam Le Pen mit 21,3 Prozent in die Stichwahl. Der konservative Kandidat Francois Fillon, ein Ex-Premier, lag mit 20 Prozent nicht weit zurück. Ebenso der linke Kandidat Mélenchon mit 19,6 Prozent.

Frankreich praktiziert absolutes Mehrheitswahlrecht. Gewählt ist, wer die absolute Mehrheit der Stimmen erringt. Gelingt das niemandem in der ersten Runde, kommen die zwei Bestplatzierten in die Stichwahl. Traditionell war das meist eine Entscheidung zwischen Konservativen wie Valérie Giscard d’Estaing, Jacques Chirac oder Nicolas Sarkozy und Sozialisten wie Francois Mitterrand, Lionel Jospin, Ségolène Royal oder Francois Hollande.

Seit dem Erstarken einer relativ geschlossenen Bewegung der Rechtsextremen wie heute das Rassemblement National unter Marine Le Pen und zuvor der Front National ihres Vaters Jean-Marie Le Pen steigen deren Chancen, in die Stichwahl gegen den verbleibenden Kandidaten aus dem sozialdemokratischen oder konservativen Lager zu kommen – oder nun gegen einen liberalen Kandidaten wie Emmanuel Macron 2017.

In dieser Konstellation hat ein rechtsextremer Bewerber bisher mit deutlichem Abstand verloren. 2017 hatte Macron Le Pen mit 66 zu 34 Prozent besiegt. In den Umfragen für die gleiche Stichwahl 2022 führt er nur mit 55 zu 45 Prozent.

Das politische Spektrum verschiebt sich nach rechts

Verändert hat sich Zweierlei: Zwei rechtsextreme Kandidaten konkurrieren um die Kandidatur, Marine Le Pen und der Journalist Éric Zemmour; er ist algerisch-jüdischer Abstammung. Sie versuchen sich bei den Forderungen zur Abwehr illegaler Migration zu überbieten.

Diese Frage schält sich zunehmend als das emotional mobilisierende Thema des Wahlkampfs heraus. Ex-EU-Kommissar Barnier forderte im Ringen um die Kandidatur bei den Konservativen eine nationale Zuständigkeit für Migration und nicht europäische Lösungen. Auch Präsident Macrons setzt im Konflikt um die Migranten, die von Frankreich über den Ärmelkanal nach Großbritannien wollen, rhetorisch auf Nationalstolz statt auf eine möglichst geräuschlose pragmatische Kooperation mit Boris Johnson.

Europaweit geht die Dynamik in Richtung einer härteren Migrationspolitik. Dies wird zu einer Herausforderung für die Ampelparteien in ihrer EU-Politik.

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