Notsituation an der Grenze zu Litauen: Die EU verschärft vorübergehend ihr Asylrecht
Ausnahmeregeln für Polen, Litauen und Lettland: Sie dürfen Migranten bis zu 16 Wochen in Aufnahmelagern in Grenznähe unterbringen und leichter abschieben.
Wegen der angespannten Lage an der EU-Außengrenze mit Belarus will die EU-Kommission Polen, Litauen und Lettland für eine Dauer von sechs Monaten einen restriktiveren Umgang mit Asylbewerbern erlauben. Die Regierungen der drei EU-Staaten, die an Belarus grenzen, hatten mehr Flexibilität bei ihrer Abwehr von illegaler Migration gefordert.
Die Frist, in der die drei Staaten Asylbewerber registrieren müssen, wird von derzeit drei bis zehn Tagen auf vier Wochen ausgedehnt. Sie dürfen Asylbewerber künftig bis zu 16 Wochen in Aufnahmezentren nahe der Grenze unterbringen, die diese nicht verlassen dürfen. Und die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber wird vereinfacht.
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Diese Änderungen treten in Kraft, sobald der Rat der 27 Mitgliedstaaten sie genehmigt hat. Das Europäische Parlament wird lediglich konsultiert.
Menschenrechtsorganisationen warnen vor einer faktischen Einschränkung des Asylrechts. Wenn Asylbewerber die Aufnahmelager nicht verlassen dürfen und diese zudem entfernt von regulären Siedlungen direkt an der Grenze liegen, gleiche das einer Haft.
Laut EU-Kommission werden Grundrechte gewahrt
Die Kommission betont hingegen, der neue Rechtsrahmen verstoße weder gegen Grundrechte noch internationale Verpflichtungen. Es gehe um eine befristete Ausnahme von den geltenden Regeln.
Der neue Kurs ist in der EU-Kommission umstritten und hatte bei internen Beratungen zu Kontroversen geführt. Es ist zugleich ein Kompromiss zwischen Deutschland und weiteren Ländern im Nordwesten der EU, die ein liberales Asylrecht vorziehen, und Mitgliedern im Osten und Süden, die eine konsequentere Abschreckung von Migranten fordern, da diese in der großen Mehrheit kein Anrecht auf Asyl haben.
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Manche Kommissionsmitglieder haben die Hoffnung, dass sich die faktische Behandlung von Migranten in Polen verbessert. Die nationalpopulistische PiS-Regierung hat ihre Verpflichtung bekräftigt, Neuankömmlinge von Tag 1 an mit Nahrung, Unterkunft und medizinischer Betreuung zu versorgen und mit internationalen Organisationen wie dem Flüchtlingshilfswerk der UN (UNHCR) zusammenzuarbeiten. Bisher war das nicht der Fall.
Polen spricht von illegalen Migranten
Die Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, hatte Polens Regierung kürzlich bei einem Besuch in Warschau ermahnt, die Grundrechte von Migranten einzuhalten. Die PiS-Regierung argumentiert, sie habe es mit illegalen Grenzverletzern zu tun, die ihr Grundrecht auf Asyl gar nicht wahrnehmen, sondern nach Deutschland weiterreisen wollten.
Der Staatschef von Belarus, Alexander Lukaschenko, habe die Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten einfliegen lassen, um Druck auf die EU auszuüben, damit sie die Sanktionen gegen sein Regime lockert. In ihren Pässen seien belarussische Touristenvisa. Und sie sagten, man habe ihnen versprochen, dies sie ihr Weg ins reiche Europa.
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Da Polen seit der Eskalation des Konflikts im September den Ausnahmezustand über die Grenzregion verhängt hat, haben internationale Medien keinen Zugang. Es gibt kaum unabhängige Berichte über die Lage und den Umgang mit den Migranten. Der Ausnahmezustand ist Ende November ausgelaufen.
Doch die PiS hat mit ihrer Mehrheit im Parlament rechtzeitig ein neues Gesetz verabschiedet, das den Ausschluss der Medien weiter ermöglicht. Danach darf der Innenminister in Rücksprache mit dem Oberbefehlshaber des Grenzschutzes den Zugang zur Grenze aus Sicherheitsgründen einschränken. Innenminister Mariusz Kaminski sagte am Dienstag, er werde diese Möglichkeit nutzen.
Die liberale Opposition und Polens Ombudsmann für Grundrechte, Marcin Wiacek, fordern einen unbehinderten Zugang für Medien und Hilfsorganisationen zur Grenzregion. Sie konnten sich damit aber nicht durchsetzen.