Corona löst historische Krise am US-Arbeitsmarkt aus: Fast 10 Millionen Amerikaner beantragen binnen zwei Wochen Arbeitslosenhilfe
Der Anstieg der US-Arbeitslosenzahlen übertrifft die schlimmsten Erwartungen der Ökonomen. Auch in anderen Ländern implodiert der Arbeitsmarkt. Ein Überblick.
Die Corona-Krise setzt den USA wirtschaftlich immer mehr zu. Wegen der Zuspitzung der Pandemie stieg die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe erneut dramatisch an: Die Zahl verdoppelte sich in der Woche bis zum 28. März von 3,3 Millionen auf nunmehr 6,65 Millionen, wie das US-Arbeitsministerium am Donnerstag mitteilte. Die Zahl der Erstanträge in der Vorwoche war bereits die höchste seit Beginn der Erfassung der Daten gewesen, nun gibt es einen neuen Rekord.
Laut den Zahlen des US-Arbeitsministeriums verloren im März landesweit mehr als zehn Millionen Menschen ihre Jobs. Das ist schwindelerregend. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe gelten als Indikator für die kurzfristige Entwicklung des Arbeitsmarkts in der größten Volkswirtschaft der Welt. Sie deuten inzwischen auf einen dramatischen Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Krise hin.
Bis vor wenigen Wochen hatte die Zahl der Erstanträge noch regelmäßig unter 100.000 pro Woche gelegen. Das gesamte Ausmaß der wirtschaftlichen Verwerfungen der Pandemie in den USA ist noch nicht absehbar. Viele Analysten befürchten inzwischen aber einen dramatischen Einbruch im zweiten Quartal und eine Rezession aufs ganze Jahr betrachtet.
"Was normalerweise in einer Rezession Monate oder zumindest einige Quartale braucht, passiert innerhalb von wenigen Wochen", sagt Michelle Meyer, Chefökonomin der Bank of America Merrill Lynch.
Viele Ökonomen gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote von zuletzt 3,5 Prozent im Zuge der durch die Virus-Pandemie ausgelösten Entlassungswelle in die Höhe schießen wird: Führende Währungshüter der Notenbank Fed rechnen mit einem Anstieg auf zweistellige Werte.
Eine Folge davon sei auch kräftiger Jobabbau. „Dies bedeutet, dass die Arbeitslosenquote von zuletzt 3,5 Prozent um acht Prozentpunkte auf 11,5 Prozent steigen würde und damit höher wäre als der bisherige Nachkriegsrekord von 10,8 Prozent Ende 1982.“ Damit wären laut Commerzbank 19 Millionen Menschen arbeitslos – ein Anstieg um etwa zwölf Millionen. Diese Zahl könnte sich angesichts der aktuellen Zahlen als untertrieben erweisen.
Der US-Großinvestor Bill Ackman sagte jüngst im Finanzsender CNBC, Firmen sollten sofort ihre Kreditlinien ausschöpfen. „Hotels und Restaurants werden zuerst pleitegehen, Boeing wird nicht ohne staatliche Rettung überleben“, sagte Ackman. Ohne entschiedenes Handeln der Regierung werde Amerika – „wie wir es kennen“ – nicht fortbestehen.
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Angesichts solch düsterer Aussichten hat die Politik ein zwei Billionen Dollar schweres Hilfspaket geschnürt – das größte in der Geschichte der USA. Es soll am Freitag in Kraft treten. Es dient dazu, Familien, Arbeitslosen und Firmen in der Krise unter die Arme zu greifen und sieht überdies Milliarden-Hilfen für das Gesundheitssystem vor.
300.000 neue Arbeitslose in Spanien
Die Zahl der Arbeitslosen in Spanien ist wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise im März unerwartet stark gestiegen. Mit einem Anstieg um 302.265 Anträge wurde die größte monatliche Steigerung überhaupt erreicht, teilte das Arbeitsministerium am Donnerstag in Madrid mit. Prognostiziert wurde im Schnitt eine Steigerung um nur 30.000 Neuanträge. Im Vormonat Februar war die Zahl zuletzt noch um 7800 zurückgegangen.
Dies entspricht einem Anstieg um 9,3 Prozent. Laut Arbeitsministerin Yolanda Diaz ist dies ein Rekordwert. Damit sind nun offiziell 3,5 Millionen Spanier arbeitslos gemeldet - der höchste Wert seit April 2017. Aus aktuellen Daten der Sozialversicherung vom Donnerstag geht hervor, dass fast 900.000 Arbeitnehmer seit dem 12. März ihren Job verloren haben – weit über die Hälfte Zeitarbeitskräfte.
Die Arbeitslosenquote in Spanien, das nach Italien in Europa am schlimmsten von der Corona-Pandemie betroffen ist, liegt bereits bei 13,8 Prozent. In der Euro-Schuldenkrise war sie zeitweise bis auf knapp 27 Prozent gestiegen und hatte sich seitdem erholt. Von den aktuellen Kündigungen besonders betroffen war laut Arbeitsministerium der Dienstleistungssektor.
Die seit Mitte März geltenden, weitreichenden Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie hatten besonders den Tourismus lahm gelegt. Dieser macht 10 Prozent der spanischen Wirtschaftsleistung aus. Normalerweise sinke die Arbeitslosenquote zwischen März und Juni saisonal stark ab, kommentierten Ökonomen des Thinktanks Fedea. Laut Ökonom Florentino Felgueroso sei die Corona-Krise daher zum für den Arbeitsmarkt ungünstigsten Zeitpunkt des Jahres eskaliert.
Österreich erreicht historischen Hochstand
In Österreich waren seit 1946 noch nie so viele Menschen arbeitslos wie aktuell. Wie der Arbeitsmarktservice (AMS) am Mittwoch in Wien mitteilte, sind in der Alpenrepublik derzeit etwas mehr als 504.000 Menschen ohne Job – ein Anstieg um 52,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Hinzu kommen etwas mehr als 58 000 Menschen, die beim AMS derzeit eine Schulung machen. Allein zwischen dem 15. und dem 31. März stieg die Zahl der Arbeitslosen um fast 200 000.
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Die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition lag Ende März bei geschätzten 12,2 Prozent. Gegenüber März 2019 entspricht das einem Anstieg um 4,7 Prozentpunkte. Nach Angaben von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hätten etwa 40 Prozent der Menschen, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie arbeitslos geworden sind, eine Rückkehr-Vereinbarung mit ihren bisherigen Arbeitgebern für die Zeit nach der Krise geschlossen. Zudem teilte sie mit, dass fast 12 600 Kurzarbeitsanträge für rund 250 000 Jobs eingegangen seien. „Es werden stündlich weitere Anträge bewilligt und es kommen neue hinein“, sagte Aschbacher.
Besonders drastisch waren die Anstiege bei den Arbeitslosenzahlen in den Bereichen Beherbergung und Gastronomie sowie am Bau - also in Branchen, die durch die Einschränkungen im Zuge Corona-Krise besonders hart getroffen werden. Auch im Bereich Verkehr und Lagerwesen schnellten die Arbeitslosenzahlen in Österreich nach oben. (dpa, Reuters)