Prozess in der Türkei: Familie hofft auf Entlassung von Mesale Tolu
Seit sieben Monaten sitzt die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu in türkischer Haft. Nun gibt es Anzeichen, dass sie bald entlassen werden könnte.
Vor der Fortsetzung des Prozesses gegen die deutsche Übersetzerin Mesale Tolu in der Türkei an diesem Montag wächst die Hoffnung auf Freilassung der Angeklagten rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest. „Ich habe ein gutes Gefühl, dass sie freikommt“, sagte Tolus Vater Ali Riza Tolu dem Tagesspiegel in Istanbul. Auch bei Prozessbeobachtern in der türkischen Metropole war von Anhaltspunkten für eine positive Entscheidung die Rede.
Die Hoffnung stützt sich besonders auf die Tatsache, dass Tolus Ehemann bereits auf freiem Fuß ist. Eine Freilassung Tolus wäre nach der Haftentlassung des Berliner Menschenrechtlers Peter Steudtner Ende Oktober ein weiteres Signal der Türkei, dass sie neue Eskalationen in den Beziehungen zu Deutschland vermeiden will. Auch im Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel könnte es bald Bewegung geben.
Die Familie nennt Tolu eine "Geisel"
Die aus Ulm stammende Tolu, Übersetzerin bei der linken Nachrichtenagentur Etha, war am 30. April von einer Antiterror-Einheit der Istanbuler Polizei festgenommen worden; Mitte Mai kam sie in Untersuchungshaft. Seitdem sitzt sie im Frauengefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy. Die Bundesregierung kritisiert, Mesale Tolu und andere Deutsche seien in der Türkei aus politischen Gründen in Haft. Tolus Familie nennt die 33-jährige türkischstämmige Bundesbürgerin eine „Geisel“.
Ende November konnte Tolus Ehemann Suat Corlu das Gefängnis verlassen. Tolus Vater wies nun darauf hin, dass sein Schwiegersohn wegen ähnlicher Vorwürfe in Haft gesessen habe wie seine Tochter. Ali Riza Tolu, der in den 70er Jahren aus der Türkei nach Deutschland ging und dort eine Familie gründete, hält sich seit Monaten in der Türkei auf, um sich für seine Tochter einzusetzen.
Die Staatsanwaltschaft wirft Tolu und 17 mitangeklagten Türken die Mitgliedschaft in der linksextremen Gruppe MLKP vor und fordert bis zu 15 Jahre Haft für die Beschuldigten. Tolu war am Vorabend des Maifeiertages festgenommen worden, an dem die Linksradikalen bewaffnete Gewaltaktionen in Istanbul geplant hätten, heißt es in der Anklageschrift. Beim Prozessauftakt im Oktober hatten die Angeklagten die Vorwürfe zurückgewiesen.
Zeichen der Entspannung
An eine rasche Rückkehr nach Deutschland denkt Mesale Tolu im Fall einer Freilassung offenbar nicht. Wenn es keinen Abschiebebeschluss gebe, werde seine Tochter voraussichtlich in der Türkei bleiben, sagte Vater Ali Riza Tolu. In Ulm sei am kommenden Freitag eine Solidaritätsveranstaltung für seine Tochter geplant. „Wenn sie freikommt, wird es eine Freudenkundgebung“, sagte Tolu.
Die Inhaftierung von Bundesbürgern in der Türkei hatte in den vergangenen Monaten zu erheblichen Spannungen zwischen Berlin und Ankara geführt. Nach Steudtners Freilassung deutete sich eine gewisse Entspannung an; so wurde die Einzelhaft für Yücel beendet. Allerdings liegt bei dem seit Februar inhaftierten Journalisten bisher nicht einmal eine Anklageschrift vor.
Hoffnungen auf eine baldige Lösung dieses Falles gründen sich vor allem auf eine anstehende Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg. Als Mitglied des Europarates ist die Türkei an Urteile aus Straßburg gebunden.
Steudtners Freilassung nur ein Anfang?
Mit Interesse registrierten türkische Medien in den vergangenen Tagen eine Äußerung von Kanzleramtsminister Peter Altmaier während eines Besuches der türkischen Botschaft in Berlin. Der CDU-Politiker und Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte dabei die seit Langem bestehenden engen Verflechtungen zwischen Deutschland und der Türkei und sagte, Steudtners Freilassung sei nicht das Ende einer Entwicklung gewesen, sondern der Anfang.