Newsblog Flüchtlinge: Falsch abgebogen - Busfahrer unter Schleuserverdacht
In Berlin haben Freiwillige beim Bettenaufbau für Flüchtlinge geholfen. Die EU-Kommission verlangt die rasche Umsetzung der Balkan-Beschlüsse. Die Ereignisse im Newsblog.
Falsch abgebogen, Busfahrer unter Schleuserverdacht: Auf dem Weg zum Grenzübergang nach Passau sind zwei Busfahrer aus Österreich falsch abgebogen - und stehen nun unter Schleuserverdacht. Sie waren am Donnerstag fälschlicherweise auf der deutschen Seite gelandet. Weil beide Fahrzeuge mit Flüchtlingen voll besetzt waren, werde gegen beide Fahrer wegen des Verdachts der Schleusung ermittelt, sagte der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung, Frank Koller. Die Fahrer hatten angegeben, an einer Kreuzung, kurz vor dem ehemaligen Grenzübergang Achleiten-Passau, in eine falsche Straße eingebogen zu sein.
„Schleusung ist eine Straftat. Da müssen wir zwingend ermitteln“, sagte Koller. Ob die Fahrer in Untersuchungshaft kommen, entscheidet nun ein Passauer Staatsanwalt. „Aufgrund der besonderen Umstände ist damit aber nicht zu rechnen“, sagte der Sprecher der Bundespolizei.
Nach der Befragung und Zeugenvernehmung werden die beiden Fahrer wohl auf freien Fuß gesetzt. Eine Anzeige bekommen sie aber auf jeden Fall. Die etwa 100 Flüchtlinge wurden am Abend mit anderen Bussen in deutsche Notquartiere gebracht.
Ein Bett, fünf Helfer, 30 Minuten Aufbau: 200 Doppelstockbetten zur Unterbringung von 400 Flüchtlingen bauen freiwillige Helfer derzeit im Hangar 3 des Flughafens Tempelhof in Berlin auf. Fünf Helfer brauchen für ein Bett rund eine halbe Stunde, berichtet unser Reporter Martin Niewendick aus eigener Erfahrung. Bis Sonntagabend sollen 600 dieser Betten stehen, um 1200 Asylsuchende wetterfest unterbringen zu können. Heute seien Bundeswehr, Feuerwehr und Freiwillige voraussichtlich noch bis 20 Uhr im Einsatz. Weitere Helfer würden vor allem noch am Sonnabend und am Sonntag benötigt, heißt es seitens der Feuerwehr. Sie sollen nach derzeitiger Planung wieder ab 13 Uhr an beiden Tagen per Bus am Eingang Paradestraße abgeholt werden. Details wolle man am Nachmittag bei einer Lagebesprechung festlegen.
Regierung in Kabul sieht keine Pflicht zur Rücknahme von Flüchtlingen: Die afghanische Regierung sieht sich derzeit nicht verpflichtet, abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland zurückzunehmen. Zuvor müssten die Regierungen in Kabul und Berlin ein entsprechendes Abkommen beschließen, sagte der Sprecher des Flüchtlingsministeriums in Kabul, Islamuddin Dschurrat, am Donnerstag. „Zwar haben vorläufige Gespräche begonnen, aber es gibt noch keine Vereinbarung darüber, dass Deutschland Flüchtlinge nach Afghanistan zurückführt.“
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte die hohe Zahl von Asylbewerbern aus Afghanistan am Mittwoch als „inakzeptabel“ bezeichnet. Dschurrat sagte: „Wir sind nicht dagegen, dass afghanische Asylbewerber ihr Recht wahrnehmen, Asyl zu beantragen.“ Die Sicherheitslage und die wirtschaftliche Not zwinge Afghanen in bestimmten Provinzen zur Flucht. „Also bitten wir die Europäische Union, Afghanen in ihrer Notlage bei der Suche nach einem besseren und sichereren Leben zu unterstützen.“
De Maizière hatte gesagt, Ziel sei, gemeinsam mit der afghanischen Regierung dafür zu sorgen, dass es mehr Rückführungen nach Afghanistan gebe. „Die Menschen, die als Flüchtlinge aus Afghanistan zu uns kommen, können nicht alle erwarten, dass sie in Deutschland bleiben können - auch nicht als Geduldete.“
EU-Kommission fordert sofortige Umsetzung von Balkan-Beschlüssen: In der Flüchtlingskrise fordert die EU-Kommission die sofortige Umsetzung der Beschlüsse vom Westbalkan-Gipfel am Sonntag. "Wir dürfen keine Zeit verlieren, keinen Tag, nicht einmal eine Stunde, wenn wir eine humanitäre Tragödie auf dem Westbalkan verhindern wollen", sagte am Donnerstag der Chefsprecher der Brüsseler Behörde, Margaritis Schinas. Die EU-Kommission zähle darauf, dass die Mitgliedsländer konkrete Maßnahmen ohne Verzögerung auf den Weg brächten.
Dazu zähle auch die vereinbarte Bereitstellung von 50.000 Plätzen entlang der Balkanroute, um die Flüchtlinge vorübergehend unterzubringen. Bei dem Treffen am Sonntag in Brüssel war auch vereinbart worden, dass das unangekündigte Weiterleiten von Flüchtlingen entlang der Route beendet wird. Trotzdem kommen weiterhin Tausende Migranten an der bayerisch-österreichischen Grenze an. Bundesinnenminister Thomas de Maizière wie auch die bayerische Landesregierung hatten Österreich für sein Verhalten in der Flüchtlingskrise scharf kritisiert. Die Alpenrepublik selbst sieht sich einem Ansturm von Flüchtlingen aus Slowenien ausgesetzt und weist die Kritik aus Deutschland zurück.
Österreich bringt erneut Tausende Flüchtlinge an deutsche Grenze: Ungeachtet überfüllter Notquartiere strömen unaufhörlich Flüchtlinge über die deutsch-österreichische Grenze nach Bayern. Allein bis Donnerstagmittag kamen etwa 1200 Migranten an den Grenzübergängen Passau und Wegscheid an, wie die Bundespolizei mitteilte.
Insgesamt hätten die österreichischen Behörden etwa 50 Busse mit bis zu 3000 Flüchtlingen für den Raum Passau angekündigt, sagte der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung, Thomas Schweikl. „Ich hoffe nur, dass die Busse nicht so spät wie sonst kommen, weil inzwischen Sprühregen eingesetzt hat und die Wetterverhältnisse schlechter werden.“ Zuletzt waren meist mehr Busse als vorangemeldet von österreichischer Seite zur Grenze gefahren.
Am Donnerstagvormittag waren die Notquartiere für Flüchtlinge im Raum Passau noch komplett überfüllt. Erst gegen 3 Uhr in der Nacht waren die letzten wartenden Flüchtlinge von den Grenzorten in die Unterkünfte gebracht worden. „Die Menschen mussten länger in der Kälte ausharren, als uns lieb war“, sagte Heinrich Onstein von der Bundespolizei. Insgesamt waren am Mittwoch mehr als 6500 Flüchtlinge im Raum Passau angekommen.
Helfer in Tempelhof müssen erst mal zur Registrierung anstehen: Wie unser Reporter Martin Niewendick vom Flughafen Tempelhof berichtet, sind gleich um 13 Uhr ein gutes Dutzend freiwilliger Helfer dem Aufruf gefolgt, Betten für Flüchtlinge im Hangar 3 aufzubauen. Gemeinsam mit Feuerwehrleuten und Soldaten werkeln Bürger vom Studenten- bis zum Rentenalter an Betten eines schwedischen Möbelhauses. Einige haben sogar eigenes Werkzeug mitgebracht. Ein Bundeswehr-Bus bringt die Helfer vom Tempelhofer Damm zum Flughafengebäude. Dort müssen sie erst einmal Schlange stehen, um sich registrieren zu lassen - aus versicherungstechnischen Gründen, wie es heißt. Voraussichtlich Am Wochenende sollen im Hangar 3 Flüchtlinge einziehen.
Berliner Feuerwehr braucht Freiwillige zum Bettenaufbau: Die Berliner Feuerwehr braucht Hilfe beim Bettenaufbau am Flughafen Tempelhof. Über Twitter werden noch freiwillige Helfer gesucht, wer mit anpacken möchte kann sich ab 13 Uhr am Eingang Paradestraße bei der Feuerwehr melden.
Im Hangar 1 des ehemaligen Flughafen Tempelhofs sind seit Anfang der Woche Flüchtlinge untergebracht. Insgesamt leben in dem früheren Flughafengebäude inzwischen hunderte Menschen in festen Zelten. Um die Männer und Frauen zu registrieren, fahren von dort eigens Shuttle-Busse in die neue Dependance des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) in der Bundesallee.
Städtetag rechnet 2016 mit bis zu 16 Milliarden Euro Kosten: Länder und Kommunen kostet die Bewältigung der Flüchtlingskrise im kommenden Jahr nach Einschätzung des Deutschen Städtetages bis zu 16 Milliarden Euro. Trotz der angekündigten Hilfen des Bundes bliebe unterm Strich ein Finanzloch in Milliardenhöhe, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Gemeindefinanzbericht 2015. Je nachdem ob 500.000 oder 1,2 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kämen, stünden Ländern und Kommunen im nächsten Jahr Ausgaben zwischen rund sieben Milliarden Euro und 16 Milliarden Euro bevor. Auch wenn man die vom Bund zugesagten Mittel samt Betreuungsgeld berücksichtige, "verbliebe ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf zwischen drei Milliarden Euro und 5,5 Milliarden Euro", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. "Die enormen Aufgaben sind nur im gemeinsamen Handeln aller Beteiligten in Bund, Ländern und Kommunen zu bewältigen." Dafür bräuchten die Städte nachhaltige Unterstützung.
CDU-Vize Julia Klöckner: Koalition zerbricht nicht an Flüchtlingspolitik: Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner befürchtet kein Auseinanderbrechen der großen Koalition wegen der Differenzen in der Flüchtlingspolitik. "Ich glaube, da gab es schon andere Herausforderungen in unserem Land", sagte sie am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin". "Gehen Sie davon aus, dass Sie auch am Montag weiterhin über die große Koalition berichten dürfen." Am Wochenende wollen die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) über die Flüchtlingskrise beraten. Seehofer drängt auf eine schnelle Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen und droht mit politischen und juristischen Konsequenzen, falls das nicht geschehen sollte. Darauf reagierte Klöckner betont gelassen: "Na ja, ich liege jetzt nicht nachts schlaflos in den Kissen deshalb", sagte die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende im ZDF.
Seehofer (CSU) sagte "Bild" mit Blick auf den Koalitionsgipfel zum Flüchtlingsstreit vieldeutig: "Wir sind auf alles vorbereitet, juristisch, politisch, prüfen dieses und jenes ...". Sein Finanzminister Markus Söder hatte zuvor von einer "echten Koalitionskrise" gesprochen.
Mindestens zehn Tote in Ägäis: Bei mehreren Bootsunglücken in der Ägäis sind innerhalb eines Tages mindestens zehn Flüchtlinge auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland ums Leben gekommen. Am Mittwochabend wurden die Leichen von zwei Kindern und einer Frau vor der Insel Aghatonisi in der Südlichen Ägäis geborgen, wie die Behörden mitteilten.
Vor der Insel Lesbos setzten Rettungskräfte derweil die Suche nach Überlebenden eines Schiffsunglücks fort. Etwa 240 Menschen konnten bislang gerettet werden, ein Mann und zwei Kinder wurden tot geborgen. An der Suchaktion beteiligten sich auch zahlreiche Fischer und Einwohner der Insel.
An einem Strand auf Lesbos sah ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP zuvor, wie Helfer versuchten, sechs Kinder zu reanimieren. Ein siebenjähriger Junge, der nach dem Untergang eines weiteren Flüchtlingsschiffs bewusstlos geborgen worden war, starb später in der Krankenstation von Mithymna auf Lesbos.
Weiter südlich vor der Insel Samos ertranken zwei Kinder und ein Mann, als ihr Boot am frühen Nachmittag sank. Ein Kind und zwei Männer wurden in der Region noch vermisst.
Damit stieg die Zahl der seit 1. Oktober bei der Flucht in griechischen Gewässern ums Leben gekommenen Menschen auf mindestens 39, wie eine AFP-Zählung ergab. Die Einsätze der griechischen Hafenpolizei würden leider immer mehr ein "beängstigendes Einsammeln von ertrunkenen Flüchtlingen", erklärte Marineminister Theodoros Dritsas.
Seit Jahresbeginn gelangten rund 560.000 Migranten und Flüchtlinge nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) über das Mittelmeer nach Griechenland. Insgesamt erreichten mehr als 700.000 Menschen auf diesem Weg Europa. Mehr als 3200 Menschen kamen demnach bei ihrer gefährlichen Reise ums Leben, die meisten von ihnen Kinder.
Neuköllns Bürgermeisterin Giffey warnt vor Wiederholung alter Fehler: Die Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, Franziska Giffey, hat davor gewarnt, bei der Integration von Flüchtlingen alte Fehler zu wiederholen. Flüchtlinge sollten nicht wie früher die Gastarbeiter in bestimmten Wohnblöcken und Stadtvierteln konzentriert werden, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Die Gastarbeiter seien unter sich geblieben und hätten gar keine Notwendigkeit gehabt, Deutsch zu lernen.
"Das ist die große Gefahr, wenn man jetzt riesige Flüchtlingsunterkünfte einrichtet, mit über 1000 Leuten. Reine Flüchtlingsschulen, reine Flüchtlingskurse, Flüchtlingsprojekte. Das ist nicht gut", erklärte die Nachfolgerin des langjährigen Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky.
Es könne in Brennpunktvierteln wieder die Gefahr von Parallelgesellschaften und Integrationsproblemen geben. "Wofür wir streiten müssen, sind integrative Projekte. Beispielsweise beim Wohnungsbau: keine reinen Flüchtlingssiedlungen, sondern bezahlbarer Wohnraum für eine gemischte Bevölkerung", forderte sie.
Zum Thema Integration und Islam, ein Dauerthema im multikulturell geprägten Neukölln, sagte Giffey: "Wir haben in unserem Land klare Regeln. Ich sehe nicht ein, warum sie für bestimmte Leute nicht gelten sollen. Wenn etwa der Schwimmunterricht Teil der Schulpflicht ist oder das Fach Sachkunde den Besuch einer Kirche vorsieht, dann ist das durchzusetzen."
Pro Asyl sieht falsche Schwerpunkte in Flüchtlingspolitik: Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl wirft Deutschland und den meisten anderen Ländern vor, "völlig falsche Schwerpunkte" in der Flüchtlingspolitik zu setzen. "Momentan wird die Abwehr der Flüchtlinge in den Vordergrund gestellt, dabei müsste viel mehr für Integration getan werden", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Donnerstag im "ZDF-Morgenmagazin".
Deutschland müsse sich auf mehr Flüchtlinge einstellen, so Burkhardt weiter, denn es "gibt keine Alternative". Die Länder dürften nicht länger nach dem Motto "Grenzen zu - Augen zu" handeln. Auch große Staaten wie die USA, Frankreich und Großbritannien müssten sich sehr viel stärker engagieren als bisher.
Nach Ansicht von Pro Asyl dürften abgelehnte Asylbewerber derzeit auf keinen Fall nach Afghanistan abgeschoben werden. Denn die Menschen vor Ort "erleben ein Land, das kollabiert; sie erleben die Folgen einer verfehlten Kriegspolitik. Das Land zerfällt, die Taliban sind auf dem Vormarsch."
GEW: Kinder ohne Ausweispapiere haben Recht auf Schule: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert, dass Kinder ohne Ausweis- und Aufenthaltspapiere in Deutschland grundsätzlich nicht vom Unterricht ausgeschlossen werden dürfen. Hinweise auf Probleme liefert nach GEW-Angaben eine bundesweite Studie der Universität Bremen zur Frage, ob solche Mädchen und Jungen an öffentlichen Schulen tatsächlich angemeldet werden können - und weshalb das möglicherweise verhindert wird.
Die Zahl dieser Kinder wird bundesweit auf mehrere Tausend bis einige Zehntausend geschätzt. "Die GEW wird entsprechende Initiativen in den Bundesländern starten", sagte GEW-Chefin Marlis Tepe am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. "Denn der Besuch der Schule darf nicht an Papieren scheitern." Bei 100 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Grundschulen in 22 Groß- und Landeshauptstädten wurde für die Bremer Studie telefonisch nach Dokumenten gefragt, die Eltern im Fall eines Umzugs für die Schulanmeldung benötigen. (AFP/dpa/KNA/rtr)
Die Ereignisse vom Mittwoch können Sie hier nachlesen.
Den Leitartikel von Claudia Keller zum Verhältnis von Angela Merkel und Horst Seehofer in der Flüchtlingskrise finden Sie unter diesem Link.