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Das Facebook-Logo vor dem Eingang zu Büros des Unternehmens Cambridge Analytica
© Daniel Leal-Olivas/AFP

Millionenfacher Datenmissbrauch: Facebook ist kein Opfer des Skandals – sondern selbst schuld

Auch wenn die dubiose Marketingfirma Cambridge Analytica dahinter steckt: Facebook trägt wegen des fahrlässigen Umgangs mit Daten die Verantwortung für den jüngsten Skandal. Ein Kommentar.

Die Wucht, mit der Facebook vom Datenskandal getroffen wird, ist erstaunlich. Denn die eigentliche Schurkenrolle fällt der dubiosen britischen Marketingfirma Cambridge Analytica zu. Das ist ein Unternehmen, dessen Chef potenziellen Kunden anbietet, politische Gegner mit ukrainischen Prostituierten zu diskreditieren. Die Briten waren es auch, die widerrechtlich Daten von 50 Millionen Nutzern gekauft und darauf ihre psychologischen Wahlwerbekampagnen aufgebaut haben. Diese sollen Donald Trump mit ins Amt geholfen haben, passenderweise war dessen früherer Strippenzieher Steve Bannon am Aufbau von Cambridge Analytica beteiligt.

Was soll die Aufregung um einen sog. "Skandal"? Seine Daten Facebook anzuvertrauen ist ungefähr so, wie das Hinterlassen der eigenen Telefonnummer am Schwarzen Brett im Supermarkt mit anschließendem Gejammer, dass der Falsche angerufen hat.

schreibt NutzerIn maxwell

Doch dass nun alle mit dem Finger auf Facebook-Chef Mark Zuckerberg zeigen, hat er sich selbst zuzuschreiben. Das Unternehmen wusste seit Jahren von der illegalen Datenbeschaffung – und hat Cambridge Analytica trotzdem im US-Wahlkampf agieren lassen. Dem Werbegeschäft ordnet Facebook alles unter. Nirgends lassen sich Nutzer derart genau ansprechen. So können Werber speziell gestaltete Anzeigen für verheiratete Hundefreunde aus Brandenburg schalten und genauso für Hooligans mit Interesse an Waffen und Thor-Steinar-Klamotten.

Diese Spezialisierung nutzen auch Parteistrategen aller Couleur, und dadurch sind Wahlkämpfe weltweit längst ein Millionengeschäft geworden. Facebook schickt dazu gar Marketing-Spezialisten, die den Parteien erklären, wie sie ihre Anzeigen möglichst passgenau platzieren.

Viele Nutzer spielen dabei allerdings bislang zu freizügig mit. Wer hat sich schon die Mühe gemacht, in seinen Internet-Einstellungen bestimmte Werbeanzeigen abzuschalten? Wenn irgendwo Nutzungsbedingungen oder Privatsphäre-Einstellungen aufploppen, heißt es stattdessen viel zu oft klick und weg. Daran ist Facebook mit viel zu langen AGB und umständlichen Einstellungen mit schuld. Eine aktuelle Werbekampagne soll das zwar ändern, doch die meisten Nutzer haben schon resigniert.

Zu lange nutzte das Unternehmen für seine zahlenden Anzeigenkunden sämtliche Daten, die es irgendwo kriegen konnte. Das führt dazu, dass Zuckerberg inzwischen alles zugetraut wird. Immer öfter kursieren Berichte von Nutzern, die sich über Sofas oder Südseereisen unterhalten und kurz danach passende Anzeigen sehen. Belauscht Facebook also gar unsere Gespräche über das Handymikrofon? Beweise gibt es dafür keine, und es ist auch eher unwahrscheinlich. Trotzdem musste der Konzern diesen Vorwurf gerade erst wieder dementieren.

Es ist bezeichnend für das Geschäftsgebaren von Facebook, dass es dieses eher abseitige Gerücht seit zwei Jahren nicht aus der Welt bekommt. Der Datenkrake traut man inzwischen alles zu. Deswegen schlägt der aktuelle Skandal so massiv auf Facebook zurück. Da hilft es wenig, dass die entsprechende Funktion, mit der auch die Daten von Freunden millionenfach ausgelesen werden konnten, schon seit drei Jahren gar nicht mehr verfügbar ist. Solche Details werden nun eben genauso ignoriert wie die Klauseln der Nutzungsbedingungen.

Eine immer größere Facebook-Müdigkeit macht sich breit

Für den Netzwerkriesen könnte das zum Wendepunkt werden. Denn es macht sich zusätzlich eine immer größere Facebook-Müdigkeit breit. In den USA ging die Zahl der aktiven Nutzer im letzten Quartal erstmals in der Geschichte zurück. Die nächste Generation ist ohnehin eher auf neueren Netzwerken wie Snapchat aktiv, die viel stärker auf den Schutz der Privatsphäre setzen.

Bislang konnte Zuckerberg den Aufstieg der Konkurrenz durch das Kopieren beliebter Funktionen oder das Aufkaufen von Instagram und Whatsapp bremsen. Doch noch so einen Deal dürften die Kartellbehörden kaum zulassen. Die neuen, bald europaweit geltenden Datenschutzregeln geben zudem den hiesigen Behörden schärfere Waffen in die Hand. Inzwischen ruft selbst ein Whatsapp-Gründer zum Löschen von Facebook auf.

Derzeit scheint vielen zwar ein Leben ohne Facebook kaum vorstellbar, doch das war vor ein paar Jahren noch anders - und es kann sich schnell wieder ändern.

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