Soziales Netzwerk: Zuckerberg räumt Fehler ein - doch der liegt im System Facebook
Der Internetgigant Facebook und Chef Mark Zuckerberg stehen wegen des Umgangs mit Nutzerdaten unter Druck. Der Skandal um Cambridge Analytica verrät viel über das Geschäftsmodell des Unternehmens.
1,4 Milliarden Menschen auf der Welt nutzen täglich Facebook. Sie teilen in dem sozialen Netzwerk Bilder, kommentieren, schreiben Nachrichten, verbinden sich mit ihren Freunden – und geben sehr viel von sich preis. Allein in Deutschland hat das Unternehmen 30 Millionen aktive Nutzer.
Facebook suggerierte ihnen stets: Ihr könnt uns mit euren Daten vertrauen. Das Geschäftsmodell des Internetgiganten beruht darauf. Doch der neueste Skandal könnte dieses Vertrauen schwer erschüttern – und das Unternehmen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, wirtschaftlich wie politisch.
Was ist passiert?
Die britische Datenanalysefirma Cambridge Analytica ist illegal an Informationen von bis zu 50 Millionen Facebook-Nutzern gekommen. Der russisch-amerikanische Forscher Aleksandr Kogan von der Cambridge University hatte eine Art Persönlichkeitstest aufgesetzt, den er bei Facebook als wissenschaftliche Untersuchung anmeldete, um die Schnittstellen der Firma benutzen zu dürfen. Mindestens 270.000 Nutzer nahmen daran teil.
Darüber konnten auch manche Daten ihrer Freunde ausgelesen werden. Die Daten von insgesamt 50 Millionen Nutzern sollen so gesammelt und dann widerrechtlich an Cambridge Analytica verkauft worden sein, um Werbung für verschiedene Persönlichkeitstypen auf Facebook zu entwickeln. Im US-Wahlkampf unterstützte die Firma Donald Trump, dessen Berater Stephen Bannon Vorstandsmitglied bei Cambridge Analytica wurde. Nach dem Triumph von Trump warb der gerade geschasste Chef von Cambridge Analytica, Alexander Nix, damit, seine Firma habe Trump zum Wahlsieg verholfen.
Seit Beginn der Woche hat Facebook 40 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren, die britische Datenschutzbehörde ermittelt gegen Cambridge Analytica, auch Staatsanwälte in den USA haben Ermittlungen eingeleitet. In San Francisco verklagen Aktionäre den Konzern. Facebook habe „sachlich falsche und irreführende Aussagen“ gemacht, heißt es in der Klageschrift. Das EU-Parlament lud Facebook-Chef Mark Zuckerberg ein, um sich zu erklären.
Was genau wird Facebook vorgeworfen? Und wie reagiert die Firma?
Laut Facebooks Richtlinien ist ein Weiterverkauf von Daten verboten. Der Verhaltensforscher Kogan hätte sie demnach niemals an Cambridge Analytica weitergeben dürfen. Als das Facebook-Management 2015 von dem Fall erfuhr, forderte es nach eigenen Angaben Kogan und Cambridge Analytica auf, die Nutzerdaten zu löschen. Allerdings sperrte es nicht deren Zugänge. Nach Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters von Cambridge Analytica wurden die Daten auch nie gelöscht. Facebook reagierte erst vor wenigen Tagen, sperrte die Zugänge und startete eine eigene Untersuchung im Hauptquartier von Cambridge Analytica in London.
„Es war ein Geschäftsmodell von Facebook, seine Nutzer als nicht informierte Versuchskaninchen an die Forschung zu verkaufen“, sagt die Netzaktivistin und netzpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Anke Domscheit-Berg. „Facebook hat seine Nutzer nicht ausreichend dagegen geschützt, dass ihre Daten ohne ihr Wissen weitergegeben wurden, und später die betroffenen Nutzer nicht ausreichend informiert.“ In einer Stellungnahme betont Facebook, man habe „in den letzten fünf Jahren erhebliche Verbesserungen umgesetzt“, um einen solchen Missbrauch zu verhindern. Außerdem wurden neue Möglichkeiten eingeführt, mit denen Facebook-Mitglieder einstellen können, welche ihrer persönlichen Informationen genutzt werden dürfen.
Wie funktioniert das Geschäft mit den Nutzer-Daten?
Facebook ist nach Google der größte Anbieter für Online-Werbung weltweit. Allein 2017 machte das Unternehmen knapp 40 Milliarden Dollar Umsatz mit Anzeigen auf Computern, Tablets und vor allem Smartphones – eine Steigerung von 49 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während Google jedoch am meisten Geld damit verdient, Nutzern Werbung anzuzeigen, die zu ihren Suchen im Netz passt, war Facebook von vorneherein auf personalisierte Werbung anhand sozialer Verbindungen spezialisiert.
Dabei sammelt das Unternehmen Informationen wie Alter, Geschlecht, Religion, Beruf, Arbeitgeber und kombiniert diese mit Verhaltensdaten: Auf Beiträge zu welchem Thema klicke ich besonders oft? Welche Marken habe ich auf Facebook gelikt? Mit wem bin ich befreundet, und welche Berufe haben diese Menschen? Habe ich ein iPhone? Auf welche Werbeanzeigen klicke ich? Daraus lassen sich weitreichende Schlüsse ziehen, die für Werbekunden Gold wert sind. Entgegen der landläufigen Aussage, dass Facebook die Daten seiner Nutzer verkauft, versucht das Unternehmen hier genau das Gegenteil: Es behält die Daten der Nutzer für sich und verkauft stattdessen Werbetreibenden indirekt seine Analyseergebnisse. Werbekunden können auf Facebook dann beispielsweise eine Anzeige schalten mit der Bedingung, dass sie nur männlichen Nutzern zwischen 35 und 44 gezeigt wird, die frisch verheiratet sind, in der Verwaltung arbeiten, eine höhere Schulbildung haben, in Brandenburg leben und ein Automagazin gelikt haben. Jede Autofirma weiß nun, dass solche Männer, die regelmäßig verdienen und vielleicht bald Kinder bekommen, zu erhöhter Wahrscheinlichkeit bald ein Auto kaufen werden, das mehr Platz hat. Weil sie nun nur genau diesen Personen die Anzeige für Kombis zeigen kann, spart die Autofirma Werbeausgaben.
Wie wird Facebook in Wahlkämpfen genutzt?
Das Modell von Cambridge Analytica soll noch weiter gegangen sein, indem auch psychologische Eigenschaften der Facebook-Nutzer aus ihren Daten abgeleitet und diese mit politischen Präferenzen zusammengeführt wurden. „Impulsiven Konservativen, die Hunde mögen“ konnte dann Trump-Werbung angezeigt werden, auf der dieser sich beim Jagen mit Hund über Ausländer aufregt. Weil solche Werbung einen unbewusst direkter anspricht, so das Argument, kann sie Wahlentscheidungen beeinflussen. Bis heute gilt das psychologische Modell, das dem zugrunde liegt, als höchst umstritten. Es ist außerdem schwer zu beweisen, ob jemand sein Wahlverhalten wegen solcher Anzeigen wirklich ändert. Laut eigenen Aussagen haben die Parteien in Deutschland bei ihren Wahlkämpfen bisher keinen Gebrauch von diesen Methoden gemacht. Sicher ist aber, dass die zielgerichtete Werbung, die Facebook selbst anbietet, auch von hiesigen Politikern genutzt wurde. Die Firma bot vor dem Bundestagswahlkampf entsprechende Beratung für Kandidaten an.
Was ändert sich durch die neuen Datenschutzregeln?
Ab 25. Mai gelten europaweit einheitliche Datenschutzregeln. Diese stärken die Aufsichtsbehörden, so kann auch die Berliner Datenschutzbeauftragte gegen Facebook aktiv werden. Zudem können bei Verstößen Bußgelder von bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Jahresumsatzes verhängt werden. Sensible Daten sollen stärker geschützt werden. Zudem bekommen Nutzer das Recht, ihre Daten zu übertragen. Das könnte Chancen für neue mögliche Facebook-Konkurrenten eröffnen.
Was können die Nutzer tun?
„Im Prinzip müssten die Nutzer so schnell wie möglich ihre Privatsphäreeinstellungen auf Facebook ändern“, sagt der Hamburger Beauftragte für Datenschutz, Johannes Casper. „Noch jetzt haben viele Apps standardmäßig erst einmal Zugriff auf Daten von Freunden“, warnt er. Wer sichergehen will, sollte vorsichtshalber lieber alle Berechtigungen entfernen. Domscheit-Berg warnt davor, auf Facebook Persönlichkeitstests zu machen – und seien sie noch so banal. „Das ist nichts anderes als das Auslesen der eigenen Existenz – mit all den Sorgen, Ängsten und Leidenschaften, die einen ausmachen.“
Doch auch wer auf Facebook gar nichts postet oder nie auf „Gefällt mir“ drückt, hinterlässt Daten. Viele Webseiten haben Facebook-Elemente eingebaut. Wenn man diese besucht und bei Facebook eingeloggt ist, erfährt Facebook davon und kann ein Bewegungsprofil im Netz erstellen. Eindämmen lässt sich das durch Browser-Erweiterungen wie etwa den „Privacy Badger“ der US-Bürgerrechtsorganisation EFF. Oder ganz abmelden.
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