Zwei Anschläge innerhalb von 24 Stunden: Experten warnen vor Wiederaufstieg Al-Kaidas
US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, die US-Soldaten aus Afghanistan abziehen zu wollen. Terror-Experten sehen das kritisch.
Zehn Jahre ist es her, dass der Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden getötet wurde. Eine US-Spezialeinheit hatte Osama bin Laden an diesem Sonntag vor zehn Jahren im pakistanischen Abbottabad getötet. Der Al-Kaida-Chef war der meistgesuchte Terrorist weltweit. So galt er als Kopf unter anderem der Anschläge in New York und Washington am 11. September 2001. Dschihadisten verehrten ihn als charismatischen Anführer.
Der islamistische Terror in Afghanistan hielt auch nach dem Tod Bin Ladens weiter an, zehn Jahre nach seinem Tod befürchten Experten sogar ein Erstarken der Terrororganisation Al-Kaida. So waren erst am Freitag bei einem Anschlag mit einer Autobombe in der zentralafghanischen Provinz Logar 24 Menschen getötet worden.
Weitere 110 Menschen, darunter Frauen und Kinder, seien bei dem Angriff bei einem Gästehaus in der Provinzhauptstadt Pul-i Alam verletzt worden, hieß es weiter. Acht Menschen würden sich noch in kritischem Zustand befinden. Der Anschlag ereignete sich in einem Wohnviertel der Stadt und in der Nähe eines Krankenhauses, das ebenfalls zerstört wurde.
Alle Opfer seien Zivilisten, der Großteil von ihnen Schüler, die für ein Eintrittsexamen für die Universität in die Provinzhauptstadt gekommen waren, sagten lokale Behördenvertreter. Warum der Ort Ziel des Anschlags war, blieb weiter unklar. Bisher bekannte sich niemand zu dem Angriff.
Der afghanische Präsident Aschraf Ghani machte die militant-islamistischen Taliban dafür verantwortlich. Bei einem zweiten Anschlag innerhalb von 24 Stunden waren in der Nacht auf Samstag am Luftwaffenstützpunkt Bagram bei der Explosion einer Bombe in einer Moschee mindestens zwei Soldaten getötet worden. 18 weitere Soldaten seien verletzt worden, teilte der stellvertretende Polizeichef der Provinz Parwan am Samstag mit.
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Demnach war eine Bombe in der Decke einer Moschee platziert worden und in der Nacht zu Samstag detoniert, als die Soldaten beteten. Die Militärbasis, auf der die Explosion stattfand, bewache das Gefängnis von Bagram und sei Teil des Luftwaffenstützpunkts Bagrams, sagte der Bezirksgouverneur von Bagram, Abdul Schukur Kudosi. Dem Vizepolizeichef zufolge sei die Basis durch eine „Wand“ von internationalen Soldaten getrennt, die in Bagram stationiert sind. Die beiden Seiten seien rund 500 Meter voneinander entfernt.
„Das könnte zu einem Weckruf für Dschihadisten weltweit werden.“
US- und Nato-Soldaten in Afghanistan sind schon lange in schwer bewachten separaten Camps von den afghanischen Kräften abgeschottet. Ein derartiger Angriff innerhalb des Luftwaffenstützpunkts Bagram ist allerdings selten. Sicherheitskreise vermuteten die Beteiligung von Insidern.
Terrorexperte Guido Steinberg hält einen Wiederaufstieg der Dschihadisten für möglich. Nach dem geplanten US-Abzug aus Afghanistan werde es schwer, die Extremisten dort zu bekämpfen, sagte der Mitarbeiter der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) der Deutschen Presse-Agentur. Zudem hätten die militant-islamistischen Taliban keinen Grund, ihr Bündnis mit Al-Kaida aufzugeben.
Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich die Taliban in Afghanistan durchsetzten. „Das könnte zu einem Weckruf für Dschihadisten weltweit werden.“ Viele junge Dschihadisten seien heute orientierungslos, erklärte Steinberg. Wenn die Taliban sich in Afghanistan nach dem US-Abzug durchsetzen und das „klug“ spielten, könnten sie in der Lage sein, Dschihadisten aus der ganzen Welt in das Land zu holen.
Die Bundeswehr konzentriert sich nach fast 20 Jahren Einsatz am Hindukusch künftig nur noch auf den Abzug aus dem Land. Dies bestätigte das Verteidigungsministerium in Berlin. Auch US-Präsident Joe Biden hatte Mitte April angekündigt, die amerikanischen Soldaten bis spätestens zum 20. Jahrestag der Anschläge am 11. September 2001 heimholen zu wollen. Da die übrigen Nato-Truppen in Afghanistan von der Militärmaschinerie der USA abhängig sind, bedeutet dies auch das Ende ihres Einsatzes.
Zuletzt waren noch rund 10.000 ausländische Soldaten am Hindukusch stationiert. Deutschland stellt mit etwa 1100 Soldaten das zweitgrößte Kontingent nach den USA. In den vergangenen fast zwei Jahrzehnten waren über 100.000 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan im Einsatz, viele von ihnen mehrfach. 59 deutsche Soldaten kamen in dem Land ums Leben, 35 von ihnen wurden im Gefecht oder durch Anschläge getötet. Für Deutschland ist es damit der tödlichste Militäreinsatz seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
In den kommenden Monaten muss die Bundeswehr nun Material wie Fahrzeuge, Hubschrauber, Waffen und Munition per Flugzeug zurück nach Deutschland verlegen, das im Volumen rund 800 Container-Ladungen entspricht.
Das multinationale Feldlager in Masar-i-Scharif, das die Bundeswehr führt, war zuletzt mit Mörsern verstärkt worden, um Angriffe der radikal-islamischen Taliban während der Abzugsphase abzuwehren.
Die Taliban hatten Afghanistan von 1996 bis zu ihrem Sturz durch die US-geführte Truppen 2001 beherrscht und die Menschenrechte, vor allem aber die Rechte der Frauen im Land massiv beschnitten. Seit ihrer Vertreibung von der Macht kämpften sie gegen die ausländischen Truppen und die Regierung in Kabul. (tsp/Reuters/dpa)