Militärische Großprojekte der Bundeswehr: Experten stellen Ministerium schlechtes Zeugnis aus
Drei Monate lang durchforsteten Experten im Auftrag von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen das Rüstungswesen der Bundeswehr. In ihrem Bericht werden zahlreiche Mängel aufgelistet.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist erst kurze Zeit im Amt. Zumindest erscheint die knapp zehnmonatige Amtszeit der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden im Bendlerblock in dem Moment wie ein Wimpernschlag, wenn man die Dauer langjähriger Rüstungsprojekte der Bundeswehr zum Maßstab nimmt. Das Paradebeispiel langwieriger Beschaffungsvorhaben ist das Transportflugzeug Airbus A400M. Die Bundesregierung hat den Vertrag über die Lieferung des Großraumflugzeugs zwar schon 2003 unterschrieben, aber ausgeliefert ist die Maschine an die Bundeswehr bis heute nicht. Das Transportflugzeug A400M ist nicht das einzige Rüstungsprojekt der Bundeswehr, das anders als geplant gelaufen ist.
Von der Leyen hat schon kurz nach ihrer Ernennung zur Verteidigungsministerin erkannt, dass die Dauer ihrer Amtszeit möglicherweise von problematischen Rüstungsprojekten abhängen könnte – neben dem Airbus A400 M beispielsweise der teure Schützenpanzer „Puma“ aus den Rüstungsschmieden von Rheinmetall und KMW oder der seit 1984 zunächst von Deutschland und Frankreich entwickelte Kampfhubschrauber „Tiger“, der nach dem Ende des Kalten Krieges in weit geringerer Stückzahl ausgeliefert wurde als geplant. Diese Rüstungsprojekte gehören zu den neun größten Beschaffungen der Bundeswehr, die Analysten der Unternehmensberatung KPMG, der Ingenieurgesellschaft P3 und der Kanzlei Taylor Wessing drei Monate lang unter die Lupe genommen haben.
140 Probleme und Risiken listet das Gutachten auf
Einer 50-seitigen Zusammenfassung der Studie der Wirtschafts- und Rechtsexperten zufolge, aus der die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte, weist das Rüstungswesen des Verteidigungsministeriums gravierende Mängel auf. Insgesamt listet das gesamte Gutachten demnach rund 140 „Probleme und Risiken“ bei den neun durchleuchteten Projekten auf.
Dem Bericht zufolge wird von der Leyen in der von ihr in Auftrag gegebenen Studie, die am Montag vorgestellt werden soll, einige Mängel nachlesen können, die von Verteidigungsexperten immer wieder moniert worden waren. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, es sei nicht überraschend, dass die externen Prüfer die Gestaltung der Verträge bei den Rüstungsprojekten kritisiert hätten. In der Gestaltung der jeweiligen Verträge lägen die „Wurzeln des Konfliktpotenzials“ zwischen dem Bund und der Industrie.
Die externen Prüfer kommen zu dem Ergebnis, dass es derzeit dem Bund nicht gelinge, „seine Kosten-, Termin- und Leistungsziele“ gegenüber der Industrie durchzusetzen. Nach dem Urteil der mit der Kontrolle des Rüstungswesens beauftragten Experten würden selbst hoch komplexe Projekte nicht durch „erfahrene Juristen“ begleitet, sondern über Musterverträge zum Abschluss gebracht. Dies führe zu „unpräzise formulierten Gewährleistungs- und Haftungsklauseln“. SPD-Verteidigungsexperte Arnold hält es hingegen jetzt an der Zeit, in den fraglichen Rüstungsprojekten, die entweder bei den Kosten oder im Zeitplan aus dem Ruder gelaufen sind, Regressansprüche seitens des Bundes durchzufechten. Ähnlich sehen das auch die externen Prüfer: Im Fall des Transportflugzeuges A400M wird die „Einforderung von Kompensationsleistungen“ empfohlen.
Die Verteilung der Zuständigkeiten ist ein Problem
Einen weiteren wunden Punkt im Beschaffungswesen des Verteidigungsministeriums stellt aus der Sicht der Experten die Verteilung der Zuständigkeiten auf mehrere Standorte dar – unter anderem das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz, das Planungsamt der Bundeswehr in Köpenick, das Amt für Heeresentwicklung in Köln und die Wehrtechnische Dienststelle 41 in Trier. Während die externen Prüfer vorschlagen, diese räumliche Trennung zum Teil aufzuheben, machte der SPD-Verteidigungspolitiker Arnold noch einen anderen Vorschlag: Er sprach sich dafür aus, künftig die Projektleiter der wichtigsten Rüstungsprojekte zu stärken. Wegen ihres technischen Sachverstandes sollten diese Projektleiter direkten Zugang zur neuen Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder erhalten, die Verteidigungsministerin Leyen im vergangenen August berufen hatte.
Unterdessen forderte CSU-Chef Horst Seehofer wegen der Technik- und Ausrüstungsprobleme bei der Bundeswehr, die von der Leyen in den vergangenen Wochen zahlreiche Negativ-Schlagzeilen eingebracht hatten, mehr Geld für die Truppe. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, sie selbst sei „die Letzte, die Probleme – auch die der Bundeswehr und ihrer Ausrüstung – nicht beim Namen nennt“. Jetzt, da die Problem-Analyse auf dem Tisch liegt, muss sich von der Leyen an deren Umsetzung machen.