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Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, Iran und Irak beim Deutschlernen in Halle/Saale.
© Hendrik Schmidt/dpa

Integration durch Sprache: Experten: Deutschkurssystem muss besser werden

Die Kosten für Deutschkurse werden rasant steigen. Aber das System sollte auch dringend besser werden, meint die Bosch-Stiftung.

Für die Sprachkurse für Flüchtlinge und andere Neuankömmlinge in Deutschland wird mindestens doppelt so viel Geld nötig sein wie bisher veranschlagt. Wie eine Expertenkommission der Robert-Bosch-Stiftung unter Leitung des früheren nordrhein-westfälischen Integrationsministers und CDU-Landeschefs Armin Laschet errechnet hat, werden die Mittel allein für die Flüchtlinge dieses Jahres und für Einwanderer aus EU-Ländern von 244 auf mindestens 455 Millionen Euro steigen müssen.

Auch Lehrkräfte müssen besser bezahlt werden

Dabei seien die Kosten für nachziehende Familienmitglieder noch nicht kalkuliert, ebenso wie die von der EU geplante Neuverteilung von Menschen aus dem überlasteten EU-Süden, Griechenland und Italien. Wenn, wie im Koalitionsvertrag beschlossen, die aktuell oft unterbezahlten Lehrkräfte angemessen entlohnt würden, wären weiter 110 Millionen fällig, rechnet die Kommission. Deren Honorare könnten aber auch schon dadurch steigen, dass die Kurse besser abgestimmt und ausgelastet würden als bisher.

 Angebot außerhalb der Großstädte mager

Hier sehen die Fachleute vor allem in Flächenländern Lücken, die zuerst die Neuankömmlinge selbst träfen: So sei zwar in den Kursen „der Anteil der meist jungen EU-Bürger mit guten Bildungsvoraussetzungen in den letzten Jahre von einem Zehntel auf die Hälfte gestiegen, dennoch würden vor allem außerhalb von Großstädten mit einem stärker maßgeschneiderten Angebot oft nur allgemeine Sprachkurse angeboten. Die unterforderten viele der jungen oder vorgebildeten Klientel; für Menschen mit weniger Kenntnissen oder schlechteren Voraussetzungen bedeuteten sie aber immer noch eine Überforderung. Hier schlägt die Kommission ein Gutscheinsystem vor, das „eine stärkeren Wettbewerb zwischen den Sprachkursanbietern und Wahlmöglichkeiten für Flüchtlinge nach sich zöge“. Die Anbieter wären dadurch gezwungen, Sprachkurse nach Nachfrage anzubieten und womöglich mit lokaler Konkurrenz zusammenzuarbeiten („du den Allgemeinen Integrationskurs, ich den Jugendkurs“). Grundsätzlich fordert die Kommission, Sprachfertigkeit, Vor- und Berufsbildung von Flüchtlingen schon bald nach der Ankunft in Deutschland festzustellen, um gezielt helfen zu können.

 Ehrenamt braucht Hilfe

Kritik formuliert das Bosch-Papier auch an der Abstimmung zwischen Spracherwerb und Berufsausbildung, die nach Meinung der Experten oft missglückt. Die Kurse, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds anbiete, gingen über die Köpfe von Flüchtlingen hinweg, die noch sehr wenig Deutsch könnten. Hier brauche es „Vorschaltkurse“, die sie auf das am Arbeitsplatz nötige Mindestniveau brächten, andernfalls gehe ihr Potenzial verloren. Solche Kurse wurden in diesem Jahr aus Kostengründen eingestellt.

Nötig sei außerdem, dass ehrenamtlich Engagierten geholfen werde. Sie müssten in die reguläre Flüchtlingspolitik eingebunden, aber auch geschult oder weitergebildet werden, um Hilfen beim Spracherwerb zu geben. „Hier fehlt es an Strukturen, finanziellen Mitteln und zum Teil auch an Wertschätzung ehrenamtlichen Engagements“, bemerkt das Papier. Insbesondere, wenn es um die Sprachvermittlung an syrische Geflüchtete gehe, sollten „Community-Organisationen wie Kulturvereine und geeignete religiöse Einrichtungen systematisch einbezogen und mit öffentlichen Mitteln gefördert werden“. Auch die Patenschaften von Universitäten müssten ausgeweitet und Deutschdozentinnen und –lehrer im Ruhestand reaktiviert werden.

Kommission will neue Flüchtlingspolitik

Die „Robert-Bosch-Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik“ tagt sei diesem Frühjahr und will im Frühjahr nächsten Jahres ihren Abschlussbericht vorlegen. Bis dahin soll es noch weitere Dossiers zu einzelnen Themen der Flüchtlingspolitik geben. Das aktuelle zum Spracherwerb war das erste der geplanten Reihe. Mitglieder der Kommission sind neben dem Vorsitzenden Laschet Vertreter der Bundesagentur für Arbeit und von Arbeitgeberverbänden, zwei Wissenschaftlerinnen des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration und der Geschäftsführer des Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt.

Bund und Länder sind durch die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney und Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly vertreten.

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