Nürnbergs Oberbürgermeister Maly: "Wohin die Leute gehen, ist in der Masse nicht steuerbar"
Am Dienstag berät Bayerns Städtetag über die Flüchtlingspolitik. Ihr Präsident ist Ulrich Maly, Oberbürgermeister von Nürnberg, das mit den höchsten Migrantenanteil deutscher Großstädte hat, knapp vierzig Prozent
Was kann der Städtetag denn heute anderes tun, als mehr Geld zu fordern?
Wir haben da durchaus ein Anliegen, das nicht monetär ist. Wir wünschen uns einen „Aufmerksamkeitstransfer“. Derzeit geht es in der öffentlichen Debatte praktisch nur um Asylverfahren und die Erstunterbringung. Das sind aber nur 6,7 Monate, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die, die danach bleiben, brauchen auf viele Jahre Wohnungen, Arbeit, sie müssen Deutsch lernen und ihre Kinder in Kindergärten und Schulen unterbringen. Das schaffen wir, wir haben in den Jahrzehnten der Gastarbeiteranwerbung viele Millionen integriert, ein Vielfaches der heutigen Einwanderung. Aber wir müssen uns über das Wie unterhalten.
Und worauf wollen Sie die Aufmerksamkeit konkret transferieren?
Das tun wir tatsächlich nicht ganz zweckfrei. Nehmen wir einmal an, im Herbst wird auf dem Gipfel in Berlin eine „Kopfpauschale“ beschlossen…
… also die feste Finanzierung der Kosten für die Flüchtlinge nach deren Zahl…
… dann könnte es durchaus Länder geben, die das Geld vom Bund für die Erstunterbringung verwenden und den Kommunen nichts übriglassen. Das wollen wir verhindern. Denn über Gelingen oder Scheitern der Integration entscheidet diese Phase.
Unterscheiden sich Bayerns Kommunen in der Flüchtlingsfrage von denen in andern Bundesländern?
Nein. Was wir brauchen, brauchen und wollen alle. Mit einer Ausnahme: In Bayern ist die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchltinge besonders hoch, weil deren Hauptroute nach Bayern führt. In Rosenheim, Deggendorf, Passau und München landen praktisch alle Jugendlichen, die allein kommen, und nach der aktuellen Rechtslage ist das Jugendamt des „Erstaufgriffs“ zuständig. Es ist gut, dass Familienministerin Schwesig das jetzt ändern will und die Verteilung der Jugendlichen damit gerechter werden kann.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat kürzlich vorgeschlagen, mehr Flüchtlinge als vom bisher gültigen Schlüssel vorgesehen in die östlichen Bundesländer zu schicken. Was halten Sie davon?
Das ist eine sehr theoretische Überlegung unseres Staatsphilosophen Kretschmann. Sobald Flüchtlinge ihre Duldung oder die Anerkennung als Asylbewerber haben, beginnt ihre Abstimmung mit den Füßen. Und die führt sie in die Ballungsräume und dahin, wo sie Arbeit finden – also im Wesentlichen nach Westen. Wenn einzelne Kommunen über eine bessere Willkommenskultur ihre Demografie aufbessern wollen, ist das sehr begrüßenswert. Wohin die Leute gehen, ist aber in der Masse nicht steuerbar.
Sie haben am Montag mit Bayerns Innenminister Herrmann über die angespannte Wohnungssituation im Land gesprochen.
Wir sind uns da einig mit der Staatsregierung: Es braucht mehr Wohnungsförderung, aber die darf nicht in Sonderbauten und Sonderförderung für Flüchtlinge gehen. Wir wollen keine Notwohnheime nach Art der Nachkriegszeit, das wäre sozialpolitisch fatal, auch für die Flüchtlinge. Der neue Wohnraum muss z.B. hier lebenden Alleinerziehenden und kinderreichen Familien ebenso zur Verfügung stehen wie Flüchtlingen.
Womit wir wieder beim Geld wären.
Stimmt, und da ist die Lage nicht ganz aussichtslos: Wir haben Hoffnung, dass die derzeit 518 Millionen Euro Wohnungsbauförderung in ganz Deutschland aufgestockt werden. Unser Ziel wären 2 Milliarden. Derzeit fließen 1,5 Milliarden in den geförderten Wohnungsbau, davon kommt eine Milliarde von den Ländern. Wenn der Bund jetzt drauflegt, hätten wir eine Verdoppelung. Damit könnte man schon eine Menge bewegen.