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Die deutsch-russische Anna Sorokin besaß keinen Cent, täuschte jedoch talentiert vor, eine Prinzessin zu sein.
© dpa/ Richard Drew/AP

Ibiza-Video: Ewig lockt die reiche Russin

Geld von Oligarchen steht für einen Kosmos jenseits demokratischer Regeln. Wenn Frauen damit locken, ist das für manche Männer elektrisierend. Ein Kommentar,

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Allerhand Zutaten für den Cocktail des Zeitgeists offenbaren sich auch in der Affäre Strache. Auf Verheißungen durch eine reiche Erbin zum Beispiel, waren im Fall der neulich verurteilten Anna Sorokin Dutzende aus New Yorks Elite hereingefallen. Die junge Deutschrussin besaß keinen Cent, täuschte jedoch talentiert vor, eine Prinzessin zu sein aus dem Königreich Kapital. Auf denselben Effekt, auf das Blenden durch Machtgeld und Geldmacht, bauten die Fallensteller auf Ibiza.

Wo das Parfum der Oligarchin, der russischen zumal, zu riechen ist, da verwandelt sich die Welt. Demokratische Regeln? Vergiss es! Die Macht lockt rein und pur, wo Gold und Geld das Sagen haben. Das wittern, das wissen Rechtspopulisten, die durchaus oft russische Rückendeckung erhalten. Marine Le Pens Front National erhielt Millionenkredite von einer russischen Privatbank, diverse Moskaureisen der AfD wurden von wohlwollenden Russen finanziert. Dass russische Hacker ihre Hände im Spiel hatten, als Donald Trump die US-Wahlen gewann, lässt sich offenbar nachweisen.  

Die swarowski-funkelnde Influencerin

All das treibt die Fantasie vom rechten Sieg an, vom postdemokratischen Fantasieg, dem Sieg von Fantasy über Fakten. Mehr als alle anderen Figuren in diesem Kosmos elektrisiert Männer die „junge reiche Russin“, der rubelrollenden Influencerin mit Swarowski-Glitzer. Sie ist der Inbegriff der Imagination rechter Demokratiesaboteure. In der schönen, jungen, vermögenden Verwandten eines Oligarchen ist gewissermaßen Wladimir Putins Tochter oder Nichte verkörpert. Verlässt man, wie Putin selbst, skrupellos genug den Boden der biederen Bindung an Rechtsstaat und Demokratie, tun sich gewaltige Tore auf zu neuen Dimensionen, da wird alles möglich - hat man nur das Geld.     

Mit dieser Devise und auf solche Devisen rechnen Strache und sein FPÖ-Parteikollege in dem versteckt gefilmten Kammerspiel. Das Staatsschiff kapern! Kapitän werden! Und dann, begünstigt von der begüterten Schönheit, lästiges Personal über die Reling werfen, Spezis an Bord holen, Privilegien vergeben, kurz: herrschen. Betrunken hört sich das auf der Tonspur des Ibiza-Videos keineswegs an, eher berauscht vom russisch inspirierten Traum der antidemokratischen Sabotage. 

Das Video ist Werbung für Europas Demokratien

Diesen politischen Traum buchstabiert Strache schnörkellos aus. Im Umkehrschluss jedoch wird aus dem bühnenreifen Kammerspiel, das Österreichs populistischer  Platzhirsch liefert, eine wunderbare Werbung für Europas Demokratien. Mit ihrem Fantasieg-Gerede hinter verschlossenen Türen haben die Männer, die dem Glamour der „Oligarchen-Nichte“ verfielen, perfekt demonstriert, wie medioker, wie unseriös sind. Wie  hochstapelnd, intransparent und die Bevölkerung verachtend sie bereit sind vorzugehen. Klarer hätten sie ihre Skrupellosigkeit, ihre Bereitschaft zur Allianz aus Geldgier, Machtmissbrauch und Manipulation kaum darlegen können. 

1932 warnte Thomas Mann, als Zeitgenosse laufe man Gefahr, diskreditiert zu werden, „wenn man sich zu so rationalen Ideen wie dem Frieden und der Einheit Europas bekennt“. Doch auf genau das Bekenntnis, beharrte er, komme es an. Heute geht es bei der Europawahl am Sonntag darum, das  irrationale, völkische Brodeln kaltzustellen, den völkischen Topf vom Herd zu nehmen. Jede Stimme für genuin demokratische Parteien festigt das Fundament der Europäischen Union, einer Supermacht des Friedens, entstanden durch Verstand.

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