Verteilung von Flüchtlingen: Europas Mut in der Asylpolitik bleibt klein
Nicht nur in Ungarn und Polen behindern nationale Egoismen die Verteilung der Geflüchteten innerhalb der EU. Ein Kommentar.
Wie gut, dass es Polen und Ungarn gibt, die die Rolle der Buhmänner Europas eisern durchhalten. Natürlich ist es skandalös, dass sich die beiden rechtsnationalistischen Regierungen in Warschau und Budapest erneut weigern, an einer besseren Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten mitzuarbeiten. Doch dahinter verschwindet beinahe die eigentliche Nachricht: So großartig ist auch die Bilanz der Allianz der angeblich Willigen nicht.
Gerade einmal ein Zehntel der vereinbarten Zahl von 160 000 Menschen, die im europäischen Süden festsitzen, in Italien und Griechenland, ist bisher auf die übrigen EU-Länder verteilt worden. Und das sind ohne Polen und Ungarn, immerhin - noch - 26 Staaten. Dabei ist der Beschluss der EU, den beiden stark belasteten Mittelmeeranrainer zu helfen, so frisch nicht mehr; er fiel schon 2015. Dass die EU sich gleichzeitig rühmt, fast zwei Drittel der vereinbarten Zahl von Menschen aus der weit stärker belasteten europäischen Nachbarschaft untergebracht zu haben, aus der Türkei, Jordanien und dem Libanon, ist mehr PR als Nachricht. Schließlich sollen von dort auch nur alles in allem 22500 Personen kommen.
Europa braucht den solidarischen Kraftakt
So bietet Europa das alte traurige Bild nationaler Egoismen – weit über die offen nationalistischen Regierungen hinaus. Bisher schrieben die sogenannten Dublin- Regeln fest, dass das Land asylrechtlich zuständig ist, in dem Flüchtlinge zum ersten Mal europäischen Boden betreten. Weil das mangels legaler Fluchtmöglichkeiten zu Lande und per Flugzeug ihrer geografischen Lage wegen Länder Osthälfte des Mittelmeers waren, kam diese Regel einem kühlen Schulterzucken gleich: euer Pech, dass ihr ein paar tausend Kilometer Küste habt, seht zu, wie ihr klarkommt. Jetzt setzt die schleppende Umsetzung längst vereinbarter Verteilung diese Politik praktisch fort.
Das lässt einerseits nichts Gutes für die laufenden Verhandlungen zu einem neuen „gemeinsamen europäischen Asylsystem“ erwarten. Schon dessen letzte, mit Getöse gefeierte Auflage 2013 war eine Mogelpackung. Die Herausforderungen sind seither viel größer geworden, der Mut bleibt klein. Dabei könnte Europa, das in einer Flüchtlingskrise zu stecken meint, in Wirklichkeit aber tief in der Identitätskrise ist, einen solidarischen Kraftakt dringender brauchen denn je.