Umweltschützer protestieren: Europaparlament legt sich bei umstrittener Agrarreform fest
Die EU-Mittel sollen mehr denn je an Umweltauflagen geknüpft werden. Umweltverbände kritisieren ein „Weiter so für Europas Landwirtschaft“.
Nach mühsamem Ringen hat das Europaparlament seine Position zur Reform der milliardenschweren EU-Landwirtschaftspolitik festgelegt. Die Abgeordneten nahmen am Freitag mehrheitlich einen Vorschlag für die ansehenden Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über die Agrarpolitik nach dem Jahr 2022 an. Sie forderten dabei unter anderem einen höheren Mindestanteil der EU-Agrarhilfen, die für Umweltprogramme reserviert werden soll. Von Umweltverbänden hagelte es jedoch massive Kritik.
Das EU-Parlament hatte die Woche durch über über hunderte Änderungsanträge zu der umstrittenen Agrarreform abgestimmt. Grüne, Linke und die deutsche SPD hatten im Vorfeld angekündigt, nicht für das Vorhaben zu stimmen. 425 Abgeordnete votierten schließlich für den zentralen Vorschlag, 212 dagegen und 51 enthielten sich.
Wie die EU-Agrarminister sprach sich das Parlament grundsätzlich für eine Beibehaltung des gegenwärtigen Systems aus, das vor allem auf flächenabhängigen Direktzahlungen für landwirtschaftliche Betriebe beruht. Die Mittel sollen aber mehr denn je an Umweltauflagen geknüpft werden.
So sollen etwa 30 Prozent der Direktzahlungen nur ausgezahlt werden, wenn die Landwirte sich an Umweltprogrammen beteiligen. Die Einigung der Agrarminister sieht hier 20 Prozent vor. Außerdem sollen nach dem Parlamentsbeschluss mindestens 35 Prozent der für die ländliche Entwicklung veranschlagten Gelder in den Klima- und Umweltschutz fließen.
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Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) macht mehr als ein Drittel des EU-Haushaltes aus. Im Budgetvorschlag für 2021 bis 2027 sind 387 Milliarden von 1074 Milliarden Euro dafür vorgesehen. Deutschland stehen rund 42 Milliarden Euro zu.
Ursprünglich sollte die neue GAP bereits ab nächstem Jahr gelten. Verzögerungen bei den Haushaltsverhandlungen brachten den Zeitplan aber durcheinander. Anvisiertes Startdatum ist nun Anfang 2023.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) begrüßte den Parlamentsbeschluss. "Wir verfolgen das gleiche Ziel", erklärte sie. "Ernährungssicherung wollen wir zusammenbringen mit mehr Umwelt-, Arten- und Klimaschutz." Der Deutsche Bauernverband unterstützte die grundsätzliche Stoßrichtung, kritisierte aber "fachlich nicht funderte" Vorgaben für nichtproduktive Flächen und den Fruchtwechsel.
"Natur und Klima sind große Verlierer der Abstimmung zur EU-Agrarpolitik", warnte der Naturschutzbund Nabu. "Die Entscheidung aus Brüssel führt dazu, dass ein Großteil der Steuergelder weiterhin Natur und Klima schädigt."
Greenpeace sprach von einem "Todesurteil für kleine Bauernhöfe"
Der WWF Deutschland kritisierte ein "Weiter so für Europas Landwirtschaft". Damit drohe der EU-Klimaschutzstrategie Green Deal der EU-Kommission "die Bankrotterklärung". Greenpeace sprach von einem "Todesurteil für kleine Bauernhöfe und die Natur". Die Organisation forderte die EU-Kommission auf, ihren Vorschlag zurückzuziehen und den Prozess damit von vorne zu beginnen.
Gegen die Reform lief seit Tagen eine massive Kampagne von Umweltschützern. Aktivistinnen wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer forderten Europaabgeordnete über soziale Netzwerke auf, die Reform abzulehnen.
Die deutsche SPD im Europaparlament entschied sich kurzfristig, gegen die Reformpläne zu stimmen. "Unsere roten Linien wurden fast alle gerissen", erklärte die stellvertretende Parlamentspräsidentin Katarina Barley vor der Abstimmung. Ein beträchtlicher Teil der Sozialdemokraten aus anderen Ländern stimmte aber für die Reform.
"Bei der Agrarreform ist das letzte Wort noch nicht gesprochen", erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Sie verwies auf Beschlüsse der EU-Umweltminister vom selben Tag, die teils weitergehende Ziele im Bereich Landschaftsschutz umfassten. (AFP)