Neue Zweckgesellschaft gegründet: Europäer wollen trotz US-Sanktionen Handel mit Iran ermöglichen
Die Regierungen in Berlin, Paris und London etablieren ein vom Dollar unabhängiges Zahlungssystem. Ein Deutscher übernimmt die Leitung.
Im transatlantischen Verhältnis könnte es bald neuen Ärger geben. Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen gemeinsam die US-Sanktionen gegen den Iran umgehen. Eine sogenannte Zweckgesellschaft soll es künftig europäischen Firmen ermöglichen, weiter Geschäfte mit Teheran zu machen, ohne dass sie deshalb Konsequenzen in den USA fürchten müssen. Die Gesellschaft werde "den legitimen europäischen Handel mit dem Iran unterstützen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Außenminister Heiko Maas (SPD) und seinen Amtskollegen aus Paris und London.
Die Gesellschaft mit dem Namen "Instex" ("Instrument for Supporting Trade Exchanges") wurde in Paris gegründet, die Leitung übernimmt der deutsche Ex-Banker Per Fischer. Mit diplomatisch schwierigen Themen kennt sich Fischer aus, der sich bisher im Ukraine-Konflikt um Wirtschaftsfragen gekümmert hat. Im Aufsichtsrat sitzen der Leiter der Wirtschaftsabteilung im Auswärtigen Amt, Miguel Berger, sowie jeweils ein Vertreter Frankreichs und Großbritanniens. Zuvor hatten die USA die Europäer vor der Gründung einer solchen Gesellschaft gewarnt.
US-Präsident Donald Trump hatte im Mai vergangenen Jahres den Ausstieg seines Landes aus dem Atomabkommen mit dem Iran angekündigt. Dagegen wollen die anderen Beteiligten, also die drei EU-Staaten sowie Russland und China, an der Vereinbarung festhalten. Die Amerikaner setzten nach ihrem Rückzug aus dem Abkommen allerdings auch „extraterritoriale Sanktionen“ wieder in Kraft. Diese zielen auf Firmen außerhalb der USA, die weiterhin Geschäfte mit dem Iran machen.
Für deutsche Unternehmen geht es dabei nicht nur um die Frage, ob sie auf dem amerikanischen Markt weiter tätig sein können. Theoretisch drohen ihnen in den Vereinigten Staaten hohe Geldbußen oder gar strafrechtliche Ermittlungen. In einem Aufsehen erregenden Verfahren wurde die französische Bank BNP Paribas 2015 in New York zur Zahlung von 8,9 Milliarden Dollar verurteilt, weil sie US-Sanktionen gegen den Iran, Kuba und den Sudan gebrochen haben soll.
"Übererfüllung" der Sanktionen als Problem
Doch die meisten deutsche Firmen, die bisher im Handel mit dem Iran aktiv waren, müssten derartige Strafen selbst dann nicht fürchten, wenn sie gleichzeitig in den USA Geschäfte machen. Denn der größte Teil des bisherigen Iran-Geschäfts der deutschen Wirtschaft fällt gar nicht unter die US-Sanktionen, beispielsweise der Handel mit Konsumgütern oder Bauprojekte. Allerdings finden diese Unternehmen kaum noch europäische Banken, die derzeit überhaupt noch Geschäfte mit dem Iran abwickeln. Die Banken wollen sicher gehen, dass ihnen dadurch keine negativen Folgen in den USA drohen - Experten sprechen von einer "Übererfüllung" der Sanktionen. An dieser Stelle soll künftig die neue Gesellschaft Instex übernehmen.
Die neue Zweckgesellschaft soll nun Forderungen iranischer und europäischer Firmen gegeneinander verrechnen. So könnten beispielsweise Einnahmen aus dem Ölgeschäft in Euro gutgeschrieben werden, was es dem Land ermöglichen würde, Waren bei europäischen Firmen zu kaufen. Die US-Behörden könnten die beteiligten europäischen Firmen nicht sanktionieren, weil die Geschäfte nur über diesen Kanal abgewickelt würden und damit für Außenstehende nicht transparent wären, so die Grundüberlegung. Allerdings dürften sich Großaufträge europäischer Firmen im Iran kaum geheim halten lassen.
Doch die Bedeutung der neuen Gesellschaft reicht weit über die konkrete Abwicklung des europäischen Handels mit dem Iran hinaus – schließlich etablieren die drei EU-Staaten damit ein vom US-Dollar unabhängiges Zahlungssystem. Derzeit wird der größte Teil aller weltweiten Handelsgeschäfte in Dollar abgerechnet.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sprach sich bereits vergangenes Jahr dafür aus, die internationale Rolle des Euro zu stärken. In seiner Rede zur Lage der Europäischen Union kritisierte er, dass Europa 80 Prozent der Energieimporte in Dollar bezahle, und forderte indirekt, die Abhängigkeit von den USA in diesem Bereich zu verringern: „Der Euro muss das Gesicht und das Instrument eines neuen, souveräneren Europas werden“, sagte Juncker damals.
Auch Außenminister Heiko Maas hatte im vergangenen Jahr „von den Vereinigten Staaten unabhängige Zahlungskanäle“ gefordert. Außerdem sprach sich der SPD-Politiker für einen Europäischen Währungsfonds sowie ein „unabhängiges Swift-System“ aus. Über die Organisation Swift werden Transaktionen zwischen Banken über Ländergrenzen abgewickelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte wenig später, der Verstoß gebe die persönliche Meinung ihres Außenministers wieder.
Russland und China suchen schon lange Alternativen zum Dollar
Doch mit der Zweckgesellschaft machen die Bundesregierung und ihre europäischen Partner nun einen ersten Schritt in die von Maas und Juncker beschriebene Richtung. Zugleich gibt es in Berlin offenbar erste Überlegungen, ob auch Gaslieferungen aus Russland künftig nicht in Dollar, sondern in Euro abgerechnet werden könnten.
Ein großes Interesse daran, Alternativen zum Dollar als weltweite Handelswährung zu finden, haben Russland und China. Beide Länder unterstützten im vergangenen Jahr in einer gemeinsamen Erklärung mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien ausdrücklich die Initiative, zur Umgehung der amerikanischen Iran-Sanktionen nach anderen Zahlungskanälen zu suchen.