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Die EU-Abgeordneten entscheiden am Ende über den künftigen Finanzrahmen der EU auch mit.
© Frederick Florin/AFP

Streit um Haushaltsrahmen der EU: Europaabgeordnete rüsten sich für Kampf mit den EU-Staaten

Das EU-Parlament zeigt sich beim Streit über den künftigen Haushaltsrahmen kampfeslustig. Das machen Abgeordnete unterschiedlicher Couleur deutlich.

Wann es zu einer Einigung über den künftigen EU-Haushaltsrahmen für die Zeit zwischen 2021 und 2027 kommt, ist unklar. Einige Beobachter tippen auf einen Durchbruch im kommenden Frühjahr, andere gehen erst von einer Lösung während der deutschen EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 aus. Fest steht allerdings bereits jetzt: Das Europaparlament stellt sich auf eine Auseinandersetzung mit den EU-Staaten ein. Das machten die parlamentarischen Ko-Berichterstatter Jan Olbrycht und Margarida Marques im Gespräch mit EurActiv deutlich.

Erst vergangene Woche hatten das EU-Parlament und die nationalen Vertreter der EU-Staaten eine Einigung über den Haushalt für das Jahr 2020 erzielt. Diese „Schlacht“ lieferte bereits einen Vorgeschmack auf die Auseinandersetzung um den siebenjährigen Finanzrahmen für die Zeit von 2021 bis 2027.

Die beiden EU-Parlamentarier zeigten sich im Gespräch misstrauisch gegenüber der Verhandlungstaktik der Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat: „Wir haben seit Beginn der Verhandlungen den Eindruck, dass sie eines Tages plötzlich mit einem Kompromissvorschlag daher kommen. Sie werden ihn auf den Tisch knallen und sagen: ‚Friss oder stirb‘“, erklärte der polnische Konservative Olbrycht, der für die EVP-Fraktion im EU-Parlament sitzt. Dabei würden die EU-Staaten aber scheinbar vergessen, dass das Parlament das Recht hat, einen solchen Vorschlag zu blockieren.

Die Staats- und Regierungschefs könnten es sich einfach nicht leisten, nur interne Verhandlungen über den künftigen Finanzrahmen zu führen und die Europaabgeordneten anschließend vor vollendete Tatsachen zu stellen, fügte auch die aus Portugal stammende Sozialdemokratin Marques hinzu. Sollten die nationalen Regierungen einen Vorschlag vorlegen, der für die EU-Abgeordneten nicht akzeptabel sei, „wird das Parlament durchaus bereit sein, seine Zustimmung zu verweigern“, warnte auch Olbrycht.

Zu den Prioritäten gehören Klimawandel und Digitalisierung

Aus Marques‘ Sicht ist der Inhalt des Kompromisses entscheidend. Man dürfe nicht „die Inhalte aufgeben, um irgendwelche Zeitpläne einzuhalten“. Die portugiesische Abgeordnete erklärte weiter: „Wir sind uns der Dringlichkeit einer politischen Einigung bewusst, aber wir brauchen auch gute Inhalte.“

Olbrycht erklärte ebenfalls, beim mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) gehe es um mehr als „nur“ um Geld: „Beim MFR steht die Zukunft der Europäischen Union auf dem Spiel: Der Populismus wächst, die Menschen verlieren das Vertrauen. Wir müssen sehr deutlich sein und klar sagen, was wir leisten können und was nicht.“

Marques betonte in dieser Hinsicht auch die wichtige Rolle des EU-Parlaments für die Bevölkerung der EU: „Wir wollen auf die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger eingehen, die während des Wahlkampfes in allen Mitgliedstaaten angesprochen wurden: Klimawandel, Digitalisierung, Angleichung, soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, Demokratie. Das Parlament muss eine Antwort geben. Wir sind hier, weil die Bürgerinnen und Bürger für uns gestimmt haben.“

In ihrem Vorschlag vom März 2018 für den neuen MFR hatte die Kommission neben den Dauerbrennern Agrar- und Kohäsionspolitik neue Prioritäten aufgestellt. Dazu gehören der Kampf gegen den Klimawandel, die Handhabung der Migration sowie eine Erhöhung der Mittel für Forschung und Innovation.

[Erschienen bei EurActiv. Der Tagesspiegel und das europapolitische Onlinemagazin EurActiv kooperieren miteinander. Übersetzung: Tim Steins. Bearbeitet von Frédéric Simon und Tim Steins.]

Aus Sicht des EU-Parlaments erfordert die Aufrechterhaltung einer angemessenen Finanzierung „traditioneller“ Politiken sowie zeitgleich höhere Investitionen in neue Bereiche, dass die Mitgliedstaaten ihren nationalen Beitrag auf insgesamt 1,3 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung erhöhen. Damit „übertrifft“ das Parlament den Vorschlag der Kommission von gut 1,1 Prozent, während einige Mitgliedstaaten wie die Niederlande und Deutschland nicht bereit sind, über ein Prozent hinauszugehen.

EU-Abgeordneter Olbrycht fordert großzügige Beiträge oder Eigenmittel

Olbrycht rief die Mitgliedstaaten daher auf, Verantwortung zu übernehmen und für ihre Versprechen und Verpflichtungen einzustehen: „Wir können nicht zustimmen, etwas zu tun und dann das Geld nicht bereitstellen. Das ist nicht verantwortungsbewusst. Wenn wir uns entscheiden, etwas zu tun, müssen wir auch das notwendige Geld dafür finden, entweder durch die Beiträge oder durch Eigenmittel.“ Das Parlament wolle daher sowohl die EU-Staaten als auch die Kommission erneut auffordern, Vorschläge zu machen, wie die neuen Mittel generiert werden können, wenn die Staaten nicht bereit sind, ihre nationalen Beiträge entsprechend anzupassen, erklärte er.

Von der Leyens Vorschläge sind kostspielig

Sowohl Olbrycht als auch Marques wiesen darauf hin, dass die ehrgeizigen Pläne der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kostspielig sind. „Für diese Initiativen werden neue Mittel benötigt,“ sagte Marques. Schon beim Bekanntwerden ihrer Vorschläge sei klar geworden, dass sie nicht innerhalb des Haushaltsrahmens realisierbar seien, welchen die Kommission im Frühjahr 2018 vorgeschlagen hat, betonte auch Olbrycht. Bisher haben allerdings weder von der Leyen noch ihr designierter Haushaltskommissar Johannes Hahn erklärt, wie die ambitionierten Pläne der neuen Kommission finanziert werden sollen.

Beatriz Rios

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