zum Hauptinhalt
"Ich genieße die Zeit nach meinem Bereitschaftsdienst", steht symbolisch an einem Sarg geschrieben, der von Assistenzärzten bei einem Protest für bessere Arbeitsbedingungen in Barcelona getragen wird.
© Matthias Oesterle/ZUMA Wire/dpa

Corona-Hotspot Madrid: Europa muss Spaniens Kranke versorgen – zur Not in Deutschland

Europäische Solidarität heißt: Wer das leere Corona-Krankenhaus in Berlin sieht und dann die Bilder aus Madrid, müsste wissen, was zu tun ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Die Corona-Zahlen steigen. Der bange Blick schweift nach Hamm, Würzburg, München. Informiert wird in Nachrichten, Sondersendungen und Talkshows. Wiederholt sich im September der April? Kommt eine zweite Welle? Die Perspektive ist deutsch, sehr deutsch. 

[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Dabei geht’s den Deutschen relativ gut. Weltweit wurden in der vergangenen Woche fast zwei Millionen Neuinfektionen registriert. Vor allem in Europa schnellen die Zahlen nach oben, die der Toten auf mehr als 4000 in einer Woche, das ist ein Anstieg um 27 Prozent gegenüber der Vorwoche.

Mit mehr als 680.000 Infektionen und 30.900 Toten ist Spanien das von der Pandemie am stärksten getroffene Land Westeuropas. Landesweit wurden dort zuletzt mehr als 10.000 tägliche Neuinfektionen gemeldet (in Deutschland waren es 1821). Krankenhäuser stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Ähnlich dramatisch ist die Lage in Südfrankreich und Großbritannien.

Jeder war sich selbst der Nächste

In Berlin dagegen steht das Corona-Behandlungszentrum Jafféstraße auf dem Messegelände leer. Ein Krankenhaus für alle Fälle. Überhaupt ist in der Hauptstadt nur ein winziger Teil der für Corona zur Verfügung stehenden Intensivbetten belegt.

In Spanien sind viele Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Zelte müssen errichtet werden.
In Spanien sind viele Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Zelte müssen errichtet werden.
© Nacho Doce, Reuters

Vor einem halben Jahr fiel Europa durch Covid-19 in den Nationalismus zurück. Grenzen wurden einseitig geschlossen, Mundschutzmasken anderen Ländern vor der Nase weggekauft, jeder war sich selbst der Nächste. Ist er es wieder? Unvergessen die Blamage, als chinesische, russische und kubanische Flugzeuge mit Schutzanzügen, Gesichtsmasken und Beatmungsgeräten in Italien, Frankreich und Spanien landeten. Europäische Solidarität? Fehlanzeige. Hilfe kam allein von außen.

„Die Welt braucht Europas starke Stimme“

Mitte Juni wurden die Grenzen wieder geöffnet. „Die Welt braucht Europas starke Stimme“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zwei Wochen später übernahm Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Deutschland, in der Mitte Europas gelegen und international vernetzt, komme aus dieser Krise „wirtschaftlich und auch menschlich“ nicht gut heraus, „wenn dies nicht auch in ganz Europa gelinge“, ließ Merkel den Regierungssprecher sagen.

[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Wiederholt sich im September der April? Muss aus Spanien erst ein Hilferuf kommen, damit Europa hilft? Deutschland nimmt, aufgerüttelt durch die Ereignisse auf Lesbos, 1500 Schutzsuchende aus Griechenland auf. Das ist richtig. Doch Solidarität nach Innen ist ebenso elementar. Andernfalls könnten Populisten von der Krise profitieren.

Deutschlands Verantwortung für die Europäische Union beginnt und endet nicht mit der Ratspräsidentschaft. Wer das leere Corona-Krankenhaus in Berlin sieht und dann die Bilder aus Madrid, weiß unmittelbar, was zu tun ist.

Zur Startseite