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Zwei in einem Bild. Bundekanzlerin Merkel und US-Vizepräsident Mike Pence hören von der ersten Reihe aus Wolfgang Ischinger zu.
© imago/argum

Münchner Sicherheitskonferenz: Europa lenkt sich mit Trump von sich selbst ab

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz ging es viel um Donald Trump - und viel zu wenig um Europas eigene Probleme. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Im Englischen gibt es das Bild vom „Elefanten im Raum“: eine Person von solchem Gewicht, dass niemand sie ignorieren kann, auch wenn sie nicht physisch anwesend ist. Bei der Sicherheitskonferenz in München waren zwei Elefanten im Raum: Donald Trump und Europa.

Über Trump wurde ausgiebig gesprochen. Stellt er die gewohnte Weltordnung infrage, darunter Europas Sicherheitsgarantie durch die Nato? Da sieht man klarer. Die USA werfen ihre geostrategischen Leitlinien nicht einfach über Bord, weil ein unkonventioneller Präsident ins Weiße Haus einzieht. Vizepräsident Mike Pence und Verteidigungsminister James Mattis versicherten den Europäern: Auf uns ist Verlass. Ihr müsst nur mehr selbst tun für eure Sicherheit.

Die offene Aussprache über den zweiten Elefanten kam zu kurz. Die Aufregung über Trump wirkte wie eine willkommene Ablenkung, um nicht über die existenzielle Herausforderung sprechen zu müssen: Europas Zukunft. In den nicht öffentlichen Gesprächen war Europa eine brennende Sorge. Auf die Frage, von welchem Teil des Westens in den nächsten zwölf Monaten größere Risiken ausgehen – Trumps Amerika oder Europa – antworten die meisten, unabhängig von ihrer politischen Couleur: Europa. Das Vertrauen der Experten in die amerikanischen Selbstrettungskräfte ist auch unter Trump größer als in die europäischen.

Innereuropäischer Streit auf offener Bühne

Wenn die Wahl in Frankreich schlecht ausgeht, gibt es die EU de facto bald nicht mehr. Selbst im besten Fall – ein Reformer gewinnt, der die EU gemeinsam mit Deutschland handlungsfähig machen möchte – sind die Aussichten begrenzt. Europa ist vielfältig gespalten. EU-Kommissar Timmermans und Polens Außenminister Waszczykowski stritten auf offener Bühne. Nicht zu reden vom Brexit.

Was bleibt da an Optionen für die deutsche Sicherheitspolitik? Die EU ist es nicht, selbst wenn die Wahlen glimpflich ausgehen. Die Nato bleibt auf absehbare Zeit unersetzlich. Da wirkt der Streit um die geforderten zwei Prozent vom BIP für Verteidigung realitätsfern. Zuerst löst er Erschrecken aus. Wieso soll Deutschland seine Ausgaben fürs Militär um rund zwei Drittel über die nächsten sieben Jahre steigern? Gibt es nicht Dringenderes?

In Wahrheit muss Deutschland den Etat erhöhen, weil es jahrelang wortbrüchig war. Zwei Prozent vom BIP sind zudem preiswert im Vergleich zur Alternative, falls der Wille der USA erlahmt, Europas Sicherheit zu garantieren. Müsste Deutschland seine Verteidigung selbst organisieren oder im Verbund mit dazu willigen EU-Staaten, würde es viel, viel teurer. Und wäre doch lange nicht so effektiv wie die Abschreckung durch die geballte Kraft der Nato.

München hat in manchem Klarheit gebracht: Russland gehört zu den Verlierern. Ein Deal zwischen Trump und Putin über die Europäer hinweg ist nicht mehr so wahrscheinlich. Der amerikanische Elefant ist kleiner als befürchtet.

Der europäische Elefant jedoch bleibt im Raum. Und alle hoffen, dass keine Krise eintritt, die Europa zwingt, seine Größe zu vermessen. Wenn die äußeren Krisen sich verschärfen, werden die USA handeln können. Europa eher nicht. Es kann nicht nur an äußeren Bedrohungen, es kann an seiner inneren Krise zerbrechen.

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