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Gefahr von außen: Europa droht ein Rechtsrutsch

In ihren Ländern haben Rechtsextremisten und Rechtspopulisten zuletzt Erfolge gefeiert. Nun gehen die EU-Gegner gestärkt in die Europawahl. Was können sie dort erreichen?

In vielen Ländern der Europäischen Union haben rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien Auftrieb. Bei der Europawahl am 25. Mai könnte allerlei rechten Gegnern von EU und Euro, von Islamfeinden bis Neonazis, der Einzug ins Straßburger Parlament gelingen. Dort dürfte die Zahl der Anti-Europäer deutlich wachsen.

Welche Rolle spielen die deutschen rechten Parteien?

Udo Voigt ist Spitzenkandidat der NPD und sieht sich bereits im Europaparlament. Es seien sogar „zwei bis drei Abgeordnete“ möglich, glaubt der Ex-Chef der rechtsextremen Partei, denn „1,8 bis 2,5 Prozent müssten für uns drin sein“. Seit dem Wegfall der Dreiprozenthürde erscheint Voigts Optimismus halbwegs berechtigt. Etwas mehr als ein Prozent der Stimmen könnte schon für ein Mandat reichen. Und der Mann mit dem eisgrauen Schnäuzer verweist auf frühere Europawahlen, „da waren wir meist ein halbes Prozent besser als bei Wahlen zum Bundestag“.

Das ist nicht nur Propaganda, auch wenn die Resultate mickrig waren und die NPD bei der Europawahl 2009 gar nicht antrat. 2004 hatte die Partei 0,9 Prozent geholt, mehr als doppelt so viel wie zuvor bei der Bundestagswahl. Nun liegt die Latte noch etwas höher. Im vergangenen September erreichte die Partei bei der Wahl zum Bundestag 1,3 Prozent. Nun stellt sich die Frage, ob sich die NPD jetzt steigern kann. Zumindest dürfte es der Partei erstmals in ihrer 50-jährigen Existenz gelingen, bundesweit ein Mandat zu erringen. Vielleicht werden es auch zwei und der Historiker Olaf Rose geht mit Voigt nach Straßburg. Doch von den Erfolgen, die rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien in Deutschlands Nachbarstaaten erwarten, kann die NPD nur träumen. Das gilt auch für andere Ultrarechte, wie die islamfeindliche Partei Pro NRW und die Republikaner. Jenseits der Bundesrepublik hingegen droht der EU ein Rechtsruck.

Europaweite Unterschiede

In welchen Ländern können die Rechten mit Wahlerfolgen rechnen?

In Frankreich kommt der Front National (FN) in Umfragen auf mehr als 20 Prozent. Ähnlich sieht es in Österreich bei der FPÖ aus. In Großbritannien werden der United Kingdom Independence Party (UKIP) sogar 26 Prozent zugetraut. Die tiefbraune Jobbik könnte die 20 Prozent, die sie im April bei der Wahl zum ungarischen Parlament bekam, noch übertreffen. Der holländische Islamfeind Geert Wilders erreicht mit der Partij voor de Vrijheid in Umfragen mehr als 16 Prozent. Und in Griechenland wird die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte auf bis zu zehn Prozent taxiert. Obwohl ihr Chef Nikolaos Michaloliakos im Gefängnis sitzt, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Was bedeutet das für das Parlament?

Im neu gewählten Europaparlament könnten bis zu 127 „gemäßigte EU-Skeptiker von rechts“ und neun „Harte“ sitzen, prophezeite im Januar eine Studie der Deutschen Bank und der Universität Bonn. Genannt wird bei den Gemäßigten auch die Alternative für Deutschland (AfD). Da das Bundesverfassungsgericht im Februar die Dreiprozenthürde kippte, könnte die Zahl der rechten Skeptiker weiter steigen. Nun erhält auch eine NPD ihre Chance.

Derzeit sind ungefähr 50 rechte Abgeordnete in Straßburg zugange. Kerngruppe ist die Fraktion „Europa der Freiheit und der Demokratie“, sie hat 31 Mitglieder aus zwölf Ländern. Zur Fraktion zählen die UKIP, die Wahren Finnen, die Dänische Volkspartei und die italienische Lega Nord. Dagegen ziehen es der Front National, Jobbik und weitere Parteien vom rechten Rand vor, fraktionslos zu bleiben. Die im Jahr 2007 schon nach elf Monaten zerbrochene, von FN und FPÖ dominierte Fraktion „Identität, Tradition, Souveränität“ wurde nach der Wahl 2009 nicht wiederbelebt.

In Frankreich könnten die Rechten stärkste Partei werden.

Was können die Rechten bewirken?

Bisher haben sie, ob verbündet oder alleine, im Europaparlament nicht viel bewegt. Manche Auftritte sind nur provokativ. Im Februar etwa schwenkte der Italiener Mario Borghezio, Abgeordneter der rassistischen Lega Nord, eine Schweizer Fahne und rief Parolen gegen eine „europäische Diktatur“. Borghezio bejubelte, dass im Land der Eidgenossen eine knappe Mehrheit dafür gestimmt hatte, die Einwanderung zu begrenzen. Und UKIP-Chef Nigel Farage spottete 2010 im Plenum über den neuen belgischen EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy, er habe „das Charisma eines feuchten Lappens“. Außerdem sprach Farage von Belgien als einem „Nichtland“. Die Empörung war groß. Allein mit dem Getöse der Rechten im Europaparlament ist jedoch kaum zu erklären, warum sie nun im Wahlkampf so viel Auftrieb haben.

In Frankreich könnten die Rechten stärkste Partei werden

Die Krise in der Euro-Zone habe in den vergangenen Jahren eine Debatte über die Währung „und das Projekt der europäischen Integration generell ausgelöst“, heißt es in der Studie von Deutscher Bank und Universität Bonn. Die EU-Skeptiker, ob rechts oder links, hätten gemeinsam, dass sie „die Finalität europäischer Integration thematisieren“ und „den Steuerungsansatz der jeweiligen nationalen Elite in der Krise hinterfragen“.

Zu ergänzen wäre wohl, dass einige der „nationalen Eliten“, insbesondere Regierungen, auch angesichts schlechter Wirtschaftsdaten im eigenen Land an Popularität verloren haben. Das Paradebeispiel scheint Frankreich zu sein. Premier François Hollande muss befürchten, bei der Europawahl vom Front National eine Klatsche zu kassieren. Die Rechten könnten sogar stärkste Partei werden. Chefin Marine Le Pen ist es gelungen, die Fassade des FN so zu modernisieren, dass er eher als populistisch und weniger als extremistisch wahrgenommen wird.

Die Wahl dürfte denn auch in der europäischen Rechten den Trend zu mehr taktischen Varianten verstärken. Marine Le Pen wirbt jetzt zusammen mit Geert Wilders um Stimmen. Das Bündnis gibt sich modern und demokratisch, auf antisemitische Parolen wird verzichtet. Gemeinsamer Nenner sind Ressentiments gegen die EU und den Islam. Die Argumente des Front National und der Partij voor de Vrijheid gegen die angeblich drohende Islamisierung Europas sind allerdings ähnlich diskriminierend wie das Gerede der NPD über Juden. Doch Le Pen und Wilders haben begriffen, dass Islamophobie heute stärker zieht als altbackener Antisemitismus. Oder NS-Nostalgie. Braunen Klimbim überlassen Le Pen und Wilders lieber Parteien wie der NPD.

Welche Allianzen sind zu erwarten?

Es zeichnet sich die Bildung von zwei rechten Blöcken im Europaparlament ab, trotz ideologischer Gemeinsamkeiten und vielfältiger Kontakte. Der Front National und Wilders werden vermutlich mit der FPÖ und weiteren Parteien, die sich als smarte Rechtspopulisten gebärden, eine Fraktion schmieden. Und sich verbal von den Repräsentanten eines ungeschminkten Rechtsextremismus abgrenzen. Die Hardcore-Truppe sondiert unterdessen auch. Er habe kürzlich in Straßburg mit Abgeordneten der British National Party und weiterer Parteien gesprochen, sagt Udo Voigt. Mögliche Partner im Parlament sind für ihn auch Jobbik und Goldene Morgenröte. Offen bleibt, ob die europäischen Kameraden wissen, dass die NPD im Internet Kondome speziell für Ausländer vertreibt.

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