CSU und AfD vor Europawahlkampf: Erst Deutschland, dann Europa
CSU und AfD rüsten sich für die Wahlen im Mai und bekräftigen ihre EU-Kritik. Gegen den Vorwurf des Rechtspopulismus wehren sie sich aber vehement. Vom Euro war nur noch am Rande die Rede.
Die eurokritische AfD und die Regierungspartei CSU haben am Samstag ihre Kandidatenlisten für das Europäische Parlament gewählt und ihre Schwerpunkte für den Wahlkampf festgelegt. Spitzenpolitiker beider Parteien traten dem Vorwurf entgegen, sie wollten mit rechtspopulistischen Thesen bei der Abstimmung im Mai Wähler gewinnen. Vertreter von SPD und Grünen warnten davor, in der Europawahl Ängste und Vorurteile zu schüren und sich so bei Rechtsparteien anzubiedern. Der AfD-Slogan für den Wahlkampf soll „Mut zu Deutschland“ heißen. Die CSU will ihr Wahlprogramm mit dem umstrittenen Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ erst nach der Kommunalwahl im März verabschieden.
Die AfD zieht mit Parteichef Bernd Lucke und dem früheren Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, an der Spitze in den Wahlkampf. Lucke wurde auf dem Parteitag in Aschaffenburg mit klarer Mehrheit zum Spitzenkandidaten gekürt. Auf den zweiten Listenplatz wählten die Parteimitglieder Henkel, der erst im Dezember in die Partei eingetreten war. Henkel, der früher mit der FDP sympathisierte, soll das liberale Aushängeschild der Partei sein. Und Lucke selbst machte in seiner Rede klar, wozu Henkel zusätzlich dienen soll: Dieser bürge für die „Seriosität unserer wirtschafts- und währungspolitische Vorstellungen“. Die rund 300 Delegierten feierten die Wahl des früheren Wirtschaftsfunktionärs mit frenetischem Applaus.
Mut beweist die Alternative für Deutschland vor allem mit ihrem Slogan zur Europawahl: „Mut zu Deutschland“ wurde am Ende der Rede von Parteichef Bernd Lucke beim Listenparteitag in Aschaffenburg eingeblendet. Die Botschaft soll dahinter eine doppelte sein. Verstehen kann man sie aber nur, wenn man den Spruch gedruckt auf Parteiplakaten sieht - nicht, wenn man ihn hört: Die Buchstaben E und U in „Deutschland“ werden von Europasternen umspielt. Die AfD, so die Aussage, will für beides sein: Für Deutschland und für die europäische Einigung, allerdings nicht für „mehr Europa“, wie es Lucke ausdrückte.
Unumstritten war der Slogan in der Parteispitze nicht. Der liberale Flügel der AfD sieht in ihm ein unnötiges Ermutigungssignal an den rechten Rand der Partei. Dass die AfD aus zwei verschiedenen Strömungen besteht, einer liberalen und einer rechtskonservativen, wird inzwischen auch von der Parteispitze nicht mehr bestritten. Es sei klar, sagen durchaus gewichtige Stimmen in der AfD, dass die Partei mit diesem Wahlspruch „wieder in die rechte Ecke gestellt“ werde. Vor allem Lucke jedoch soll sich für ihn stark gemacht haben.
Die CSU sieht die AfD als ernstzunehmende Konkurrenz
Der Slogan passt aber durchaus zu dem widersprüchlichen Signal, das von dem Wahlparteitag ausging: Die Partei inszeniert sich in großer Einigkeit, Konflikte schiebt sie auf. Lucke wurde mit mehr als 80 Prozent als Spitzenkandidat nominiert.
Gleichzeitig allerdings wurde deutlich, dass der um Ausgleich bemühte Kurs der Parteispitze nicht von allen an der Basis mitgetragen wird. Lucke wirkte in seiner Rede defensiver als früher, die Sorglosigkeit, mit der er noch beim Gründungsparteitag in Berlin vor einem Dreivierteljahr aufgetreten war, ist verschwunden. Das Vertrauen darin, dass man vor allem mit Kritik an der Euro-Rettung punkten kann, scheint gesunken zu sein.
Wahrscheinlich auch deshalb schoss sich Lucke mit scharfen Worten auf „die Altparteien und die Medien ein“. Speziell in der CSU von Horst Seehofer sieht er offenbar eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die AfD – spätestens seit der bayerische Ministerpräsident den Euro-Kritiker Peter Gauweiler in die CSU-Spitze holte und in der Zuwanderungspolitik mit dem Spruch „Wer betrügt, der fliegt“ an die Öffentlichkeit ging. „Alles, was die CSU lautstark von sich gibt“, sei „Wahlkampfgetöse“, sagte Lucke. In der Zuwanderungspolitik habe zuerst die AfD vor einer „unkontrollierten Zuwanderung in unsere Sozialsysteme“ gewarnt.
Lucke will keine „United States of Europe“
Danach holte Lucke zu einem Rundumschlag in der Europapolitik aus. „Europa“ sei zu einem „Selbstzweck“ geworden. Den „Altparteien“ warf er vor, die Interessen der deutschen Bürger zu wenig zu vertreten: Diese seien zu feige, „die Karten auf den Tisch zu legen und über Kosten und Nutzen, über Interessen und Interessengegensätze“ zu reden. Sollten Pläne zu einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung umgesetzt werden, „würden demokratisch gewählte Parlamente entmachtet zugunsten einer Technokraten-Regierung“.
Als Gegenmodell skizzierte Lucke einen europäischen Bund von souveränen Staaten. Die AfD bejahe die europäische Einigung „aus vollem Herzen“. Deutschland müsse aber ein souveräner Staat bleiben und dürfe nicht in einem Modell der „United States of Europe“ aufgehen. Deutlich wie selten zuvor hob der AfD-Chef allerdings auch die Aufhebung von Grenzkontrollen, den EU-Binnenmarkt und den freien Verkehr von Kapital und Personen als „Errungenschaften“ Europas hervor. Der Euro selbst hingegen kam in Luckes Rede nur noch am Rande vor – versteckt als Kritik am europäischen Rettungsschirm ESM. Stattdessen soll die AfD mit klassisch-konservativen Thesen zu Familie, Zuwanderung und Patriotismus punkten.
Die CSU bekräftigte ihr Nein zu einem EU-Beitritt der Türkei
Ohnehin ist völlig unklar, wie sich die AfD schlagen wird, wenn sich die politische Konkurrenz im Wahlkampf tatsächlich mit ihren Euro-Thesen auseinandersetzen sollte. Im Bundestagswahlkampf war die AfD von den anderen Parteien noch weitgehend ignoriert worden. Das wird im Rahmen des Europawahlkampfs kaum noch möglich sein.
Andererseits gelang es der Parteiführung in Aschaffenburg zumindest, Spekulationen über ein mögliches Auseinanderfallen der Partei verstummen zu lassen.
Erst bei einem weiteren Parteitag in Erfurt am März soll es zu einer tieferen Debatte über das Europawahlprogramm kommen, die in Aschaffenburg wegen der zeitraubenden Listenaufstellung entfallen musste. Spätestens dann könnte es zum Konflikt zwischen dem liberalen Flügel, der unter dem Namen „Kolibris“ firmiert, und dem rechtskonservativen Teil der Partei kommen, der sich mittlerweile als „patriotische Plattform“ konstituiert hat.
Die CSU will die Zahl der EU-Kommissare reduzieren
Die CSU will mit der Forderung nach weniger EU-Kommissaren im Europawahlkampf punkten. Wenn diese Zeit hätten, sich um Themen wie Olivenölkännchen oder Staubsauger zu kümmern, „dann haben wir wohl ein paar zu viel davon“, sagte der Chef der CSU-Europagruppe, Markus Ferber, auf dem Parteitag in München. „Wir wollen eine deutliche Reduktion der Zahl der Kommissare“, fügte er hinzu. Bei seiner Wahl zum Spitzenkandidaten erhielt er 98,3Prozent der Stimmen. Die CSU bekräftigte zudem ihr Nein zu einem EU-Beitritt der Türkei.
Als Ziel für die Europa-Wahl am 25. Mai gab Seehofer aus: „Ich möchte, dass wir trotz veränderter Bedingungen die Zahl unserer Abgeordneten halten.“ Die CSU stellt derzeit acht Abgeordnete im Europäischen Parlament. Die CSU möchte 50 Prozent der Stimmen erreichen. Auf die Frage, ob die CSU einen europakritischen Wahlkampf führen werde, antwortete Seehofer: „Unsere Politik ist nie schwarz-weiß. Wir sind glühende Verfechter der europäischen Idee.“ Die CSU hatte sich zu Jahresbeginn mit dem Thema Sozialmissbrauch durch Zuwanderer Schlagzeilen gesichert.
SPD und Grüne kritisierten die Botschaften von CSU und AfD.
Die Botschaften von CSU und AfD wurden von SPD und Grünen kritisiert. „Die CSU muss aufpassen, dass sie sich mit ihren europaskeptischen Tönen und Wahlslogans nicht bei den Rechtsparteien anbiedert“, sagte der designierte SPD-Parteivize Ralf Stegner dem Tagesspiegel. Inhaltlich könnte „das rechtspopulistische Schüren von Ängsten und Vorurteilen“ niemals die Politik einer Koalition sein, an der die SPD beteiligt sei. „Das passt ebenso wenig zu einer deutschen Regierungspartei wie der nationalistische Zungenschlag der AfD oder die rechten Europa-Töne der Linkspartei“, sagte der schleswig-holsteinische SPD-Chef.
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: „Es wäre begrüßenswert, wenn die CSU keinen antieuropäischen Wahlkampf macht, doch Seehofers Ausfälle gegenüber Bulgaren und Rumänen schallen mir noch in den Ohren.“ Zur CSU-Haltung gegenüber der Türkei erklärte der Grünen-Politiker: „Zum jetzigen Zeitpunkt eine künftige Aufnahme weiterer Staaten in die EU kategorisch auszuschließen, stärkt nicht nur die autoritären Kräfte in der Türkei, sondern wäre angesichts der proeuropäischen Proteste in der Ukraine geradezu fatal.“ (mit dpa, rtr)