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Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
© REUTERS/Yves Herman
Update

Kommission weist Haushaltsentwurf zurück: EU und Italien auf Kollisionskurs

Das gab es noch nie: Die Europäische Union verlangt von Italiens Regierung, ihren Haushaltsentwurf zu überarbeiten. Die antwortet: „Es gibt keinen Weg zurück.“

Zum ersten Mal seit der Einführung des Euro sieht sich die EU-Kommission gezwungen, den Haushaltentwurf eines Mitgliedlandes abzulehnen und eine neue Vorlage zu fordern: „Die italienische Regierung verstößt mit ihrem Haushalt offen und bewusst gegen die Verpflichtungen, die sie gegenüber den anderen EU-Staaten eingegangen ist“, betonte der Vizepräsident der Kommission, der Lette Valdis Dombrovskis. Europa basiere auf Kooperation und auf gegenseitigem Vertrauen – die gemeinsamen Regeln gälten für alle. Italien hatte am Montag einen Haushalt nach Brüssel geschickt, der ein Defizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorsieht – dreimal mehr, als mit der Kommission vereinbart war. Das sei eine Abweichung, die „beispiellos in der Geschichte des Stabilitäts- und Wachstumspaktes“ sei, hatte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici bereits vergangene Woche betont. So sei der Kommission „gar nichts anderes übrig geblieben, als das Budget zurückzuweisen“, betonte Dombrovskis gestern.

Die italienische Regierung hat nun drei Wochen Zeit, den Entwurf zu überarbeiten und das Defizit auf ein Niveau zu senken, das mit den europäischen Haushaltsregeln vereinbar ist. Die populistischen Regierungsparteien in Rom – die Protestbewegung Cinque Stelle und die rechtsradikale Lega – denken nach eigenem Bekunden nicht daran, ihren Haushalt nun anzupassen: „Die Ablehnung durch die EU? Das ändert überhaupt nichts“, erklärte Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini. Sie verstehen und kommunizieren die Ablehnung als Kriegserklärung: „Die EU attackiert nicht einfach eine Regierung, sondern sie attackiert ein Volk. Und dann wundern sie sich, dass sich die EU in Italien auf einem historischen Popularitätstief befindet“, sagte Salvini.

Die EU-Kommission hat wenige Druckmittel, um die Haushaltsregeln durchzusetzen. Nach der Zurückweisung des Budgets wird sie wohl in den kommenden Monaten ein offizielles Defizitverfahren gegen Italien eröffnen. Dabei könnte Brüssel eine Geldstrafe von bis zu 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung verhängen – das wären bis zu 3,4 Milliarden Euro. Aber ein derartiges Verfahren dauert Jahre und könnte leicht am Veto eines anderen Landes scheitern.

Matteo Salvini Roma 20/10/2018. Consiglio dei Ministri sulla Manovra Economica DEF. Rome October 20th 2018. Minister s Cabinet about the Economic and Financial Document. Foto Samantha Zucchi Insidefoto PUBLICATIONxNOTxINxITA SamanthaxZucchi
Matteo Salvini Roma 20/10/2018. Consiglio dei Ministri sulla Manovra Economica DEF. Rome October 20th 2018. Minister s Cabinet about the Economic and Financial Document. Foto Samantha Zucchi Insidefoto PUBLICATIONxNOTxINxITA SamanthaxZucchi
© imago/Insidefoto

Die italienische Regierung könnte eher noch von den Finanzmärkten gestoppt werden: Wegen des Vertrauensverlusts der Anleger ist der in Italien viel zitierte „Spread“, die Zinsdifferenz zwischen den italienischen und den deutschen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit, bereits auf über drei Prozent gestiegen. Gleichzeitig verlieren die alten Anleihen an Wert – ein Problem für die schwach kapitalisierten italienischen Banken, die einen beträchtlichen Teil der Staatsschulden in ihren Büchern halten.

Ob die Zinsen weiter ansteigen werden, dürfte maßgeblich von zwei Terminen noch in dieser Woche abhängen. Am Donnerstag wird die EZB bei ihrer Zinssitzung nach der Einschätzung von Experten ihre Absicht bestätigen, das bereits reduzierte Programm der Anleihenkäufe im nächsten Jahr ganz zu beenden. Im Rahmen des sogenannten „Quantitative Easing“ hatte die vom Italiener Mario Draghi geleitete Zentralbank insgesamt über 350 Milliarden Euro an italienischen Schulden gekauft und damit maßgeblich beigetragen, die Zinsen tief zu halten. Von Draghi werden auch einige deutlich mahnende Worte an die Adresse der Regierung in seiner Heimat erwartet.

Am Freitag wird schließlich Standard&Poor’s als dritte der drei großen Ratingagenturen ihre neuen Bonitätsnoten veröffentlichen. Fitch und Moody’s haben die Ratings bereits nach unten angepasst – die italienischen Staatstitel liegen nur noch knapp über Ramschniveau. Eine Herunterstufung durch Standard&Poor’s dürfte die Zurückhaltung der Investoren weiter verstärken. Bisher hat sich die Regierung auch dazu gelassen gezeigt: „Wir sind hier, um Antworten auf die Probleme der Italiener zu finden. Wir lassen uns nicht von Ratingagenturen einschüchtern, die in der Vergangenheit auf eklatante Weise mit ihren Bewertungen gescheitert sind“, erklärte Salvini nach dem Downgrading durch Moody’s.

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