Flüchtlingskrise: EU setzt auf Abschottung
Die EU will in jedem Fall eine Wiederholung der Flüchlingskrise von 2015 verhindern. Zwischen Griechenland und der Türkei wird die Grenzsicherung verstärkt.
Angesichts der Grenzöffnung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für Flüchtlinge setzt die EU zunächst auf Abschottung. Während am Sonntag Tausende Flüchtlinge im Niemandsland zwischen der Türkei und Griechenland in der Nähe der türkischen Stadt Edirne festsaßen, verstärkte Athen die Militär- und Polizeieinheiten zur Überwachung der Landgrenze. Nach den Angaben des stellvertretenden griechischen Verteidigungsministers Alkiviadis Stefanis wurden wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag 9600 Migranten an der Landgrenze zur Türkei zurückgehalten. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex schickte unterdessen zusätzliche Beamte und Ausrüstung nach Griechenland.
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu behauptete am Sonntag, dass bereits mehr als 76.000 Flüchtlinge nach Griechenland gelangt seien. Dagegen berichtete die UN-Organisation für Migration (IOM), dass sich bis zum Samstagabend mindestens 13<TH>000 Flüchtlinge in der Grenzregion in der Nähe von Edirne versammelt hätten. Unter den Flüchtlingen seien auch Familien mit kleinen Kindern, berichtete die Organisation. Die Regierung in Athen machte Ankara den Vorwurf, die Migranten mit Falschinformationen zur Fahrt ins Niemandsland aufgerufen zu haben.
Zuvor hatte Erdogan erklärt, dass für Flüchtlinge die „Tore geöffnet“ worden seien. Eigentlich hat sich der türkische Staatschef in der Flüchtlingsvereinbarung mit der EU 2016 dazu verpflichtet, Migranten aus dem Bürgerkriegsland Syrien und anderen Staaten an einer Weiterreise Richtung EU zu hindern. Doch am Wochenende erklärte er, dass die EU jetzt mit Blick auf den Flüchtlingspakt ihre „Versprechen halten“ und ihren „Teil der Last“ übernehmen müsse. Beobachter vermuten, dass Erdogan mit der Öffnung der Grenzen den Druck auf die EU erhöhen will, die Türkei im Bürgerkrieg in Syrien militärisch zu unterstützen.
Auch auf den griechischen Inseln steigen die Flüchtlingszahlen
Auch auf den griechischen Inseln stiegen am Wochenende die Flüchtlingszahlen an. Laut einem Bericht der griechischen Zeitung „Kathimerini“ kamen allein am Sonntagvormittag mehr als 400 Flüchtlinge auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos an. Wegen des guten Wetters habe die Zahl der Flüchtlinge auf den Inseln rapide zugenommen, berichtete das Blatt. Dem Bericht zufolge weigerte sich die türkische Küstenwache, die zuvor von griechischen Kollegen gestoppten Flüchtlingsboote zu übernehmen und die Migranten wieder in die Türkei zurückzubringen. An der türkischen Mittelmeerküste warteten tausende Flüchtlinge darauf, auf die griechischen Inseln übersetzen zu können, berichtete die Zeitung.
EU-Kommissionschefin von der Leyen sichert Athen und Sofia Unterstützung zu
In Brüssel und in den EU-Hauptstädten wurden Erinnerungen an die Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 wach. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärte per Twitter, dass die oberste Priorität in der Unterstützung für Griechenland und Bulgarien bestehe. EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas forderte eine rasche Sondersitzung der EU-Innenminister. Im Detail blieb aber am Wochenende unklar, wie die EU in den nächsten Tagen mit der neuen Lage umgehen will.
Der Flüchtlingspakt zwischen Brüssel und Ankara sieht Hilfszahlungen der EU in Höhe von insgesamt sechs Milliarden Euro für die Türkei vor. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, David McAllister, knüpfte eine mögliche Aufstockung der EU-Gelder bei der Flüchtlingshilfe für die Türkei an Bedingungen. „Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung müsste sich ausschließlich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Hilfsorganisationen und insbesondere der Flüchtlinge vor Ort orientieren“, sagte McAllister dem Tagesspiegel. Die EU sei sich der enormen Anstrengungen der Türkei bei der Aufnahme und Verpflegung syrischer Flüchtlinge bewusst und unterstütze daher das Land seit 2016 enorm, sagte der CDU-Politiker weiter.