zum Hauptinhalt
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz will dafür sorgen, dass das Internet in Europa kein rechtsfreier Raum ist.
© dpa

Rede bei M100-Konferenz: EU-Parlamentspräsident Schulz fordert Digitale Grundrechte-Charta

Die EU will den USA nicht länger die digitale Vorherrschaft überlassen und doch zusammen mit Amerika für Freiheit kämpfen, sagt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Lesen Sie seine Rede vom Medienkongress M100.

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, hat beim Potsdamer Medienkongress M 100 die Einführung einer Digitalen Grundrechte-Charta gefordert.  „Da unsere persönlichen Daten eine der zukünftig wichtigsten Ressource sind und digitale Standards die maßgebliche Infrastruktur des 21. Jahrhunderts werden, dürfen sie sich nicht in der Hand von wenigen privaten Unternehmen konzentrieren“, sagte Schulz mit Blick auf die Marktmacht amerikanischer Internet-Konzerne wie Google und Facebook. „Wir brauchen eine Digitale Grundrechte-Charta, denn es gibt eine Grenze, was Unternehmen, aber auch was der Staat über Menschen wissen darf.“
Zugleich kündigte Schulz eine Initiative zur Förderung der digitalen Wirtschaft in der EU an: „Unser europäisches Streben wird vor allem darauf gerichtet sein, die Herausforderungen des digitalen Umbruchs unternehmerisch anzunehmen.“ Um den technologischen Vorsprung der US-Firmen aufzuholen, müssten die Bedingungen für Innovation verbessert werden. „Das werden wir nicht nur in den einzelnen europäischen Staaten tun, sondern als EU insgesamt.“ Hier sei ein Kraftakt erforderlich, der „hohe Milliardensummen“ kosten werde.

Lesen Sie hier die ganze Rede von Martin Schulz:

Sehr geehrte Oberbürgermeister Jakobs,

lieber Matthias Platzeck,

verehrter Lord Weidenfeld,

lieber Herr Klitschko,

verehrte Vertreter von YanukovychLeaks,

lieber Außenminister Kurz,

Exzellenzen,

sehr verehrte Damen und Herren,

ich freue mich, dass ich heute die Ehre habe, in diesem geschichtsträchtigen Raum - in der Orangerie im Park Sanssouci - mit Ihnen zu diskutieren. Den ganzen Tag haben Sie sich auf ihrem Colloquium bereits über die Chancen und Risiken von Big Data ausgetauscht. Gleich im Anschluss an meine Rede werden Vitali Klitschko - den ich erst gestern in Kiew getroffen habe - und Vertreter von YanukovychLeaks für ihren mutigen Einsatz zur Demokratisierung der Ukraine ausgezeichnet. Eine gute Wahl und ein wichtiges Zeichen der Solidarität und der Ermutigung.

Mit dem Thema ihres Colloquiums Big Data und der Auswahl ihrer ukrainischen Preisträger drängt sich ein Begriff als verbindendes Glied für meine Rede auf: Freiheit! Lassen Sie uns also heute Abend ein wenig über die Freiheit nachdenken. Über die Freiheit, die unser Leben heller strahlen lässt, die aber - weil ständig aufs Neue bedroht - immer auch aufs Neue verteidigt werden muss. Lassen sie uns darüber sprechen, welche verschiedenen Herausforderungen es für die Freiheit gibt und was wir tun können, um sie an einigen Stellen besser zu verteidigen.

Da ist zunächst einmal das Offensichtliche: Angesichts des Krieges in der Ukraine, angesichts des unverantwortlichen Handelns von Präsident Putin, fühlt man sich in die Zeit des Kalten Krieges zurückversetzt. Die Annexion der Krim, die Aggression in der Ost-Ukraine und der wiederholte Wortbruch Russlands haben uns alle beklommen zurück gelassen.

Das Undenkbare ist geschehen: Grenzen in Europa wurden wieder gewaltsam verschoben. Das ist bitter. Nicht nur für die Menschen, die unter Lebensgefahr auf dem Maidan für die Freiheit und Zukunft ihres Landes gekämpft haben, sondern für uns alle. Denn in diesen Tagen wird die europäische Sicherheitsarchitektur attackiert, die wir nach dem Fall der Berliner Mauer vor 25 Jahren so mühevoll aufgebaut haben. Eine Sicherheitsarchitektur, die den Frieden auf unserem Kontinent bewahren und die wirtschaftlichen Perspektiven verbessern sollte. Nun aber droht die Wiederkehr des Rechts des Stärkeren in den internationalen Beziehungen.

Das können und das werden wir als internationale Wertegemeinschaft nicht akzeptieren. Aus diesem Grund haben wir Europäer, die USA  und andere diese russische Politik mit Sanktionen belegt und dabei gleichzeitig unsere diplomatischen Bemühungen fortgesetzt. Diese Sanktionen treffen die russische Wirtschaft schon jetzt sehr hart und sie werden weiter verschärft werden, wenn das notwendig ist. Dabei müssen wir ehrlich zu unseren Bürgern sein: Die Sanktionen werden nicht nur wirtschaftliche Kosten für Russland nach sich ziehen, sondern sie werden auch uns in Europa treffen. Aber das sollte, ja das muss uns die Freiheit wert sein.

"Das Ende der Geschichte ist nicht eingetreten"

Es gibt weitere internationale Konfliktherde die zeigen, dass das "Ende der Geschichte", das nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Francis Fukuyama prognostiziert wurde, nicht eingetreten ist. Der Traum vom weltweiten Siegeszug der freiheitlichen Demokratie hat sich - zumindest bislang - nicht erfüllt. Denn in diesen Tagen werden Menschen auch in unserer südlichen Nachbarregion getötet, gequält und traumatisiert.

Der Vormarsch des dschihadistischen - sogenannten - Islamischen Staates (IS) ist brandgefährlich und wir alle sind fassungslos, mit welchem fanatischen Hass diese Terrororganisation alle tötet, die nicht ihre fundamentalistische Doktrin teilen. Afghanistan, Syrien, Irak, und die Grenzen von Jordanien, Israel, der Türkei und des Iran sind unmittelbar bedroht. Dabei geht es auch direkt um unsere Freiheit, weil es dem IS nicht nur um den eigenen Machtausbau geht: Alles, was der IS tut, ist eine direkte Kampfansage gegen jede freie Gesellschaft und eine auf dem Völkerrecht basierende internationale Ordnung.

Der IS greift auch Europa an. Genau deshalb haben Deutschland und andere nun Waffen geliefert, um denen zu helfen, die diese Dschihadisten zurückdrängen wollen. Das ist kein Tabubruch oder eine neue Sicherheitsdoktrin, sondern das ist das Ergebnis einer schweren Güterabwägung.

wie unendlich lang scheint es inzwischen her zu sein, dass die Flamme der Freiheit auch in Nordafrika entzündet wurde. Noch vor kurzem haben uns die Bilder des Arabischen Frühlings ein Leuchten in die Augen gezaubert. Die Weltöffentlichkeit hat fasziniert verfolgt, wie im nördlichen Afrika junge Menschen ihren Kampf um Demokratie und Freiheit geführt haben - inzwischen ist Ernüchterung eingetreten. In Libyen droht der Staatszerfall, in Ägypten hat das Militär wieder das Sagen und an der nordafrikanischen Küste versuchen Tausende der elenden Perspektivlosigkeit zu entkommen, in dem sie sich in winzigen Booten auf den Weg über das Meer machen. Zu viele Menschen verlieren dabei ihr Leben. Das Streben nach Freiheit und einer wirtschaftlichen Chance endet auf dem Grund des Mittelmeeres. Das ist eine Tragödie, die wir nicht geschehen lassen dürfen. Nur wenn es eine gesellschaftliche und ökonomische Perspektive für diese Region gibt, werden diese Konflikte einzudämmen sein. Und umgekehrt: Ohne eine solche Perspektive, werden wir auch in Europa weiter die Auswirkungen spüren.

Es scheint, als wäre eine neue internationale Unordnung entstanden, mit schwer fassbaren Gegnern, einer asymmetrischen Kriegsführung und regionalen Konflikten, die internationale Auswirkungen haben. Viele würden angesichts dessen gerne weggucken, die Augen verschließen vor diesen Kriegen, Krisen und Ungerechtigkeit. Sie haben Angst, dass wir in diese Konflikte hineingezogen werden, wenn wir uns an der Konfliktlösung beteiligen - wenn wir also Sanktionen verhängen oder wenn wir Waffen liefern.

Dieser Impuls ist allzu menschlich. Aber Weggucken ist keine Option. "Für den Triumpf des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun", hat der Gelehrte Edmund Burke einst gesagt. Burke hat Recht und deshalb gibt es keine sinnvolle Alternative zum Hinschauen und Handeln in einer Welt, die durch mediale Echtzeitkommunikation noch transparenter geworden ist. Wenn aber Wegschauen und Nicht-Handeln keine sinnvollen Optionen sind, wird das Hinschauen und Handeln für alle, die die Freiheit verteidigen wollen, zum Imperativ!

Das gilt auch für die Verteidigung der Freiheit innerhalb unserer Gesellschaften. Lassen Sie uns nicht einfach bequem zurücklehnen. Denn die Populisten in ganz Europa betreiben ihr politisches Geschäft auf der Grundlage von Ängsten. Sie polemisieren gegen Glaubensgemeinschaften und gegen Andersdenkende. Mich haben die geschmacklosen antisemitischen Ausfälle in der letzten Zeit sehr erschreckt. Dass Synagogen in Deutschland bewacht werden müssen ist nicht nur angesichts unserer Geschichte beschämend. Und genauso wenig dürfen wir es zulassen, dass Moscheen angezündet werden.

Da ist die französische Front National, die Goldene Morgenröte in Griechenland, die deutsche NPD und andere Parteien in Europa, die teilweise offen dem Faschismus huldigen und der freiheitlichen Demokratie eine klare Absage erteilen. Der Block der Links- und Rechtsradikalen und der populistischen Parteien ist bei der letzten Europawahl deutlich stärker geworden. Das muss ein Warnsignal sein, auch weil die Wahlbeteiligung bei vielen Wahlen inzwischen unter 50 Prozent liegt und solche Strömungen deshalb sehr einfach gute Wahlergebnisse erzielen können. Das darf uns nicht egal sein, wenn uns die liberale Bürgergesellschaft und unser demokratisches Gesellschaftsmodell etwas wert sind!

"Es ist an der Zeit, wieder für die Freiheit zu kämpfen"

Es ist an der Zeit, wieder für die Freiheit zu kämpfen. Dabei geht es mir in unserem heutigen Zusammenhang nicht um einen immer weiter hochgerüsteten Sicherheitsstaat. Natürlich brauchen wir Sicherheitsapparate, gerade wenn es um die Bekämpfung der eben geschilderten Gewaltdelikte geht. Wir brauchen sie zur Verteidigung der Demokratie, auch wenn wir spätestens durch die Veröffentlichungen von Edward Snowden und durch die deutschen NSU-Untersuchungsausschüsse wissen, dass Sicherheitsapparate effektiv von Parlamenten überwacht werden müssen, damit sie sich nicht verselbstständigen und eine gefährliche Eigendynamik entwickeln.

Mir geht es darum, dass wir wieder lernen, über die Grundlagen unserer freien Gesellschaft zu sprechen. Dass wir eine politische Debatte führen und die Freiheit nicht als selbstverständlich oder Gottgegeben betrachten.

Zunächst ganz banal: Es ist entscheidend, dass die Gesellschaft diese freiheitliche Grundordnung wünscht und sie bei Bedarf verteidigt. Demokratie lebt von bürgerschaftlichem Einsatz. Wie viel einfacher ist dieses Engagement in unseren Gesellschaften, wenn man es mit den Risiken vergleicht, die Vitali Klitschko, YanukovychLeaks und die vielen anderen namenlosen Freiheitskämpfer in der ganzen Welt auf sich nehmen.

Und in diesem Kreis von hochkarätigen Herausgebern und Journalisten will ich ergänzen: Unerlässlich in der Demokratie ist eine freie Presse, die qualitativ hochwertigen Journalismus bietet. Während es bei uns diese freie Presse gibt, werden andernorts zu viele Journalisten noch eingeschüchtert, gefoltert und sogar ermordet. Jede Attacke gegen Journalisten ist ein Anschlag auf die freie Gesellschaft!

Aber auch bei uns müssen wir auf der Hut sein. Medienfreiheit und Medienpluralität sind auch in freien Gesellschaften keine Selbstläufer. Zwar gibt es bei uns keine Übergriffe auf Journalisten oder eine Zensur. Im Gegenteil: noch gibt es eine Fülle von guten Zeitungen, elektronischen Medien und Blogs im Internet. Aber wir müssen darauf achten, dass es durch die rasende Digitalisierung nicht zu gefährlichen Konzentrationen in Schlüsselbereichen kommt. Denn Grundlage von Demokratie ist die Pluralität. Wir brauchen Meinungsvielfalt, die Darstellung von Alternativen und keine Marktkonzentration.

Dafür gibt es Kartellämter und Behörden, die Wettbewerbsverzerrungen kontrollieren. Während beispielsweise das deutsche Bundeskartellamt der Funke Mediengruppe in diesem Jahr zur Auflage gemacht hat, einige kleine TV-Programmzeitschiften mit einem Marktanteil von circa 10 Prozent – innerhalb des Mikromarktes der gedruckten Programmzeitschriften – an einen Wettbewerber zu verkaufen, gab Facebook fast gleichzeitig die Übernahme von Whatsapp bekannt und stabilisierte mit diesem 19 Mrd. Dollar-Deal sein globales Social Media Monopol.

Einige der - vor allem amerikanischen - Internet-Giganten haben in ihrem Segment einen Marktanteil von 90% und mehr. Wir müssen aufpassen, dass es durch technologische Innovationen nicht zu Marktkonzentrationen kommt, die niemand wollen kann. "The winner takes it all", so wird oft die neue Marktregel in der digitalen Internet-Ökonomie beschrieben. Gemeint ist damit der globale Durchmarsch von Unternehmen im Eiltempo, die gleichzeitig damit weltweite Standards setzen und Datenmengen in einem Ausmaß sammeln, das jede menschliche Vorstellung übersteigt.

Da unsere persönlichen Daten aber eine der zukünftig wichtigsten Ressource sind und digitale Standards die maßgebliche Infrastruktur des 21. Jahrhunderts werden, dürfen sie sich nicht in der Hand von wenigen privaten Unternehmen konzentrieren. Denn trotz all den positiven Auswirkungen von Big Data wird gleichzeitig die Kontrolle von Menschen immer leichter möglich. Deshalb brauchen wir Regeln, die sich an unseren Wertevorstellungen orientieren. Wir brauchen eine Digitale Grundrechte-Charta, denn es gibt eine Grenze, was Unternehmen, aber auch was der Staat über Menschen wissen darf. Nicht alles, was technisch möglich ist, sollte erlaubt sein.

Wissen ist Macht und die totale Kontrolle von wenigen über unsere gesamten Daten ist in freiheitlichen Gesellschaften systemwidrig. Und ebenso entspricht die Marktbeherrschung bei Schlüsseltechnologien nicht unserer Wirtschaftsordnung des freien Wettbewerbs - und sie passt auch nicht zu unseren pluralistischen Gesellschaften. Ja, eine zu starke Konzentration von Macht ist letztlich Demokratie-widrig!

Das Gesagte richtet sich nicht, wie sie vielleicht meinen könnten, pauschal gegen erfolgreiche Unternehmen wie beispielsweise Google, Amazon oder Facebook. Diese Unternehmen sind kreativ, innovativ und aus diesem Grund auch so erfolgreich. Sie tun etwas ganz normales, nämlich ihre Chancen zu nutzen und auf neue Geschäftsfelder vorzudringen.

"Bedingungen für Innovation müssen verbessert werden"

Ich neide ihnen diesen Erfolg nicht. Sie zeigen uns vielmehr tagtäglich, dass wir die Bedingungen für Innovation in unseren europäischen Gesellschaften deutlich verbessern müssen. Das werden wir nicht nur in den einzelnen europäischen Staaten tun, sondern als EU insgesamt. Hier ist ein Kraftakt erforderlich, den ich als Chance begreife, auch wenn er hohe Milliardensummen kosten wird.

Ich möchte, dass auch europäische Unternehmen erfolgreich sind und wir technologisch wieder aufholen. Damit es wieder einen echten Wettbewerb um die besten Ideen gibt. Das geht aber nur, wenn wir darauf achten, dass niemand eine marktbeherrschende Stellung ausnutzt und dadurch Wettbewerb verhindert. Dies ist nämlich das genaue Gegenteil von Kreativität und Innovation. Deshalb werden wir in Europa genau hinschauen, ob wir mehr Wettbewerb in manchen Bereichen der Zukunftstechnologie brauchen und im Bedarfsfall die rechtlichen und finanziellen Bedingungen für unsere Unternehmen verbessern.

Bei der Europäischen Kommission ist ja, wie Sie wissen, derzeit ein Fall anhängig, der viele Verlage in Europa betrifft. Dabei geht es, ich erwähnte es bereits, um ein Unternehmen, das in manchen Bereichen Marktanteile von 90 Prozent und mehr hält. Vergleicht man diese Zahlen mit der eben geschilderten FUNKE-Entscheidung, wird deutlich, dass hier anscheinend die Maßstäbe verrutscht sind. Wenn deutsche und europäische Unternehmen nur unter strengen Auflagen expandieren dürfen und aus gutem Grund sehr sorgfältig geprüft wird, ob sie eine marktbeherrschende Stellung ausnutzen könnten, muss dies selbstverständlich genauso für globale Konzerne gelten, die auf unserem Markt agieren.

Da es bei der anstehenden Entscheidung um nicht weniger als um die Pluralität in unseren Gesellschaften geht, und weil diese erhebliche Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft hat, bin ich davon überzeugt, dass die nur noch für wenige Wochen im Amt befindliche Kommission diese Entscheidung nicht mehr treffen wird. Die neue Europäische Kommission sollte hier genau hinschauen. Sorgfalt geht sicher vor Eile.

Wie gesagt: Unser europäisches Streben wird vor allem darauf gerichtet sein, die Herausforderungen des digitalen Umbruchs unternehmerisch anzunehmen. Im Interesse aller wünsche ich mir als Präsident des Europäischen Parlaments, dass die nächsten technologischen Innovationen die am Markt erfolgreich sind, nicht nur aus dem Silicon Valley sondern auch aus den europäischen Universitäten und unseren Startups kommen. Dafür brauchen wir auch eine neue Risikobereitschaft, eine neue Kultur des unternehmerischen Wagens. Denn wenn in Kalifornien ein Startup scheitert nehmen die Unternehmer dies als Ansporn es beim nächsten Mal besser zu machen, während ein gescheitertes Unternehmensprojekt bei uns zu oft zu einem lebenslangen Malus führt.

Aber schon jetzt deutet sich eine Marktlücke an, in die neue und innovative Unternehmen vordringen können und die auch im Interesse unserer Freiheit geschlossen werden muss. Denn es müssen nicht bei jeder Interaktion im Internet gleichzeitig die persönlichen Daten gesammelt werden, wie das heute leider noch zu oft geschieht. Datenschutz ist in unseren europäischen Gesellschaften ein hohes Gut und vielleicht entspricht dieser europäische Ansatz eher den Bedürfnissen einer zukünftigen Generation. Ich frage mich oft, was es eigentlich für den Kampf auf dem Maidan geheißen hätte, wenn die ukrainische Führung einen totalen Zugriff auf die Daten der Freiheitskämpfer gehabt hätte. Vielleicht würden heute dann Vitali Klitschko und die Vertreter von YanokovychLeaks nicht hier bei uns sein.

Und auch bei der Datensicherheit für Unternehmen im Netz ist noch viel Innovation möglich. Denn wenn Unternehmen befürchten müssen, dass ihre Daten in den globalen Clouds der Wirtschaftsspionage ausgesetzt sind, tut sich hier für einen anderen Standard ein gutes Geschäftsmodell auf. Ich bin mir sicher, dass Unternehmen, die ihre Daten schützen wollen oder gar schützen müssen, sich für die Standorte entscheiden, die ihnen die größtmögliche Sicherheit bieten. Vielleicht wird dann der europäische Datenschutz, das so oft antiquiert wirkende und belächelte "Old Europe" der modernere und attraktivere, weil sicherere Standort.

Um jedes Missverständnis zu vermeiden: Ich möchte in der digitalen Welt keine künstlichen Grenzen ziehen. Ein deutsches oder ein europäisches Internet wird es und soll es nicht geben. Aber ich möchte ein Internet, das kein rechtsfreier Raum ist und in dem man seine Grundrechte durchsetzen kann. Ein Netz, in dem unsere Freiheitsrechte weiterhin gelten und das sicher und vertrauensvoll ist. Ich möchte ein Netz, in dem es Pluralität und Alternativen gibt.

Lassen sie uns über die Freiheit sprechen. Damit auch zukünftig Freiheitskämpfer wie Vitali Klitschko und YanukovychLeaks eine Chance haben und die Diktatoren dieser Welt zittern müssen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Zur Startseite